Obwohl Wolfgang Jeschke schon einige Jahre nicht mehr aktiv in der Science Fiction Szene mitmischte wie in jüngeren Jahren, gehörte er in meinen Augen immer dazu. Er hatte Klasse, die so mancher Lektor, Autor oder Redakteur nie erreichen wird. Ich schaute zu ihm auf, aus unterschiedlichen Gründen. Er war offen, höflich, interessiert. Als ich ihn 2007 für phantastisch! interviewte, nahm er sich viel Zeit dafür, trotz der schweren Operation, die er kurz zuvor durchstehen musste. Ich fragte ihn einige Zeit später, ob es möglich wäre einen Beitrag für Das Science Fiction Jahr (Heyne) schreiben zu dürfen. Er konnte sich das sehr wohl vorstellen, antwortete er, doch diese Entscheidung lag nicht mehr in seinem Zuständigkeitsbereich. Er war nur noch Berater, leitete meine Mail aber weiter. Vielleicht hat er nur aus Höflichkeit positiv geantwortet, ich glaube jedoch, Neid war ihm fremd. Er räumte jedem eine Chance ein.
Wolfgang Jeschke hat die deutsche Science Fiction Literatur geprägt. Als Autor, Redakteur und Lektor hat er sein Wissen und Können nicht nur für sich, sondern auch für andere eingesetzt. Sein Tod ist ein großer Verlust der Science Fiction Szene.
Am 19.11.1936 in Tetschen in der ehemaligen Tschechslowakei geboren, wuchs er in Asperg bei Ludwigsburg in Württemberg auf. Dort schloss er die Schule mit der Mittleren Reife ab, ließ sich von 1953 bis 1956 als Werkzeugmacher ausbilden und arbeitete schließlich im Maschinenbau.
Seinem unerschöpflichen Einsatz für das Science Fiction Genre, seinen von Kritikern und Kollegen gelobten Werken und seiner Tätigkeit aus Herausgeber und Lektor hat Wolfgang Jeschke zahlreiche Auszeichnungen zu verdanken.
Seine Vorliebe für Literatur und Sprache vertiefte er, nachdem er 1959 das Abitur nachholte und Germanistik, Anglistik und Philosophie an der Universität München studierte. Parallel dazu absolvierte er ein Praktikum in der C.H. Beck´schen Verlagsbuchhandlung.
1969 arbeitete er als Redaktionsassistent, rasch stieg er zum Redakteur bei Kindlers Literaturlexikon auf und gab bis 1971 die Science Fiction Reihe für Kenner im Lichtenberg Verlag heraus. Obwohl er zwei Jahre später – 1973 – zum Heyne Verlag wechselte, blieb er dem Kindler Verlag bis 1979 treu. Dort arbeitete er als Redakteur an der biografischen Enzyklopädie »Die Großen der Weltgeschichte«.
Beim Heyne Verlag gab er zunächst ab 1973 zusammen mit Herbert W. Franke die Science Fiction Taschenbuch Reihe heraus. Ab 1977 wurde er verantwortlicher Lektor und – nachdem Herbert W. Franke den Verlag zwei Jahre später verließ – blieb Wolfgang Jeschke alleiniger Herausgeber.
Außerdem gab er den Science Fiction Story Reader, die Titan-Serie und zahlreiche weitere Serien und Anthologien heraus. Zusätzlich betätigte er sich als Übersetzer. In all den Jahren scheute er sich nicht, deutschen Autoren eine Chance zu geben und sich, neben seiner professionellen Tätigkeit, für das Science Fiction Fandom einzusetzen.
2002 verließ er den Heyne Verlag und konzentrierte sich vollends auf seine schriftstellerische Karriere.
Dabei hatte er schon während seiner Ausbildung Geschichten geschrieben.
Erste Veröffentlichungen erfolgten, u.a. in dem von Walter Ernsting herausgegebenen Utopia Magazin. Viele seiner Storys wurden ins Englische, Französische, Niederländische, Spanische und Polnische übersetzt.
Seine Storysammlung »Der Zeiter« erschien 1970 beim Lichtenberg Verlag, 1978 folgte eine erweiterte Ausgabe. Der Shayol Verlag brachte im November 2006 die Neuausgabe heraus. »Der Zeiter« beinhaltet Wolfgang Jeschkes Frühwerke von 1955 bis 1961 und 1957 bis 1970.
Nach zahlreichen Kurzgeschichten folgte 1981 der erste Roman. »Der letzte Tag der Schöpfung« wurde mit dem Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichnet, 2005 im Heyne Verlag neu aufgelegt und mit einem neuen Vorwort von Frank Schätzing ergänzt.
2003 brachte er gemeinsam mit Rainer Eisfeld den Band »Marsfieber« (Droemer) heraus. In diesem 272 Seiten umfassenden Bildband beweist Jeschke einmal mehr, dass seine Lust an der Science Fiction weit tiefer und wissenschaftlicher verwurzelt ist.
Über einen Zeitraum von acht Jahren arbeitete er an seinem Roman »Das Cusanus Spiel« (Dromer/Knaur 2005), für den er mit dem Deutschen Science Fiction Preis 2005 und dem Kurd-Laßwitz-Preis 2005 ausgezeichnet wurde.
Wolfgang Jeschke (1936 – 2015), Zitat: »Science Fiction ist Ausdruck von Wünschen und Ängsten. Sie ist das Ausfabulieren von erhofften oder befürchteten Ereignissen, die zur Zeit ihrer Darstellung in der Realität nicht stattfinden konnten, weil sie auf historischen oder wissenschaftlichen oder technischen Voraussetzungen aufbauen, die nicht gegeben waren, deren Eintreten zwar nicht notwendigerweise zu erwarten, aber immerhin möglich war, weil sie nicht im Widerspruch zum geltenden wissenschaftlichen Weltbild standen.«
Ein Trost für seine Familie, seinen Sohn und seine Freunde: Er schien mit seinem Leben glücklich zu sein.
Mein Beileid an alle, die ihn liebten und mochten.