Thomas Böhm, geb. 1968 in Oberhausen, ist Programmleiter des Literaturhauses Köln. Seine Kolumne „Zum Umgang mit Büchern“ erscheint an dieser Stelle und im weltweit ausgestrahlten Radioprogramm der Deutschen Welle, so stellt buchmarkt.de den Kolumnisten vor.
Und Thomas Böhm stellt seit neuestem Berichte von gescheiterten Lesungen vor, was mich veranlasste einmal darüber nachzudenken, welche von mir durchgeführten Lesungen ich als gescheitert ansehen würde.
Bei meiner allerersten Lesung – ich las aus »Philipp und Melanie« kam nur meine Familie. Im Nachhinhein war das okay, denn ich war sehr aufgeregt und las viel zu schnell, obwohl ich vorher geübt hatte.
Danach würde das Publikum umfangreicher, die Nervosität sank. Denn mit jeder Lesung bekam ich mehr Praxis, zudem bereitete ich mich stets intensiv vor: Ich übte die Texte, formulierte ein paar Worte für eine kleine Rede – je nachdem, ob sie gefragt war oder nicht.
Und auch wenn nicht immer 100 Leute in den Lesungen saßen, gab es tatsächlich nur eine Lesung, die ich als gescheitert bezeichnen würde:
Ich sollte bei dem Sommerfest eine Grundschule lesen, es muss der 24.05.2003 gewesen sein. Nicht zum ersten Mal las ich vor Kindern und nicht zum ersten Mal auf einem Schlufest. Diesmal war ich allerdings nicht darauf vorbereitet, dass vor diesem Termin wochenlang kaltes und regnerisches Wetter war und genau an diesem Tag die Sonne endlich raus kam. Niemand wollte in einer stickigen Klasse sitzen und meinen Geschichten lauschen. Und so saß ich meine zwei Stündchen alleine ab, erfreute mich an der netten Dekoration, betrachtete die mit Bildern und Texten bepflasterten Wände der Schulklasse und buchte den Tag unter: »Erfahrung« ab.