Vom Frust des Überarbeitens

Nehmen Sie Platz! Aber denken Sie daran, nicht jeder ist für diesen Thron bestimmt. Wer? Das weiß "Niemand".

Nehmen Sie Platz! Aber denken Sie daran, nicht jeder ist für diesen Thron bestimmt. Wer? Das weiß „Niemand“.

Das Überarbeiten eines Textes ist für einen Schriftsteller manchmal tränenreich, immer schweißtreibend. Einmal oberflächlich darüberlesen – das reicht nicht. Zehn, zwanzig, hundert Mal – vielleicht mehr, vielleicht weniger. Wer behauptet, er bearbeitet seinen Roman nicht, der lügt oder ist schlampig.
Mir unterlaufen Fehler, ich bin sehr kritisch mit mir selbst, nie zufrieden mit meinem Text. Ich feile an den Formulierungen, an den Charakteren, an der Story und bearbeite den Stil. Und bevor ich nicht bereit bin, das Manuskript abzugeben, trenne ich mich auch nicht davon.

Seit einigen Wochen überarbeite ich „Niemand-Mehr“ – nicht zum ersten Mal.  Denn immer, wenn ich an einer Stelle nicht weiterkomme, fange ich vorne wieder an, füge Zeilen dazu und nehme Überflüssiges weg. So mache ich es immer.

Stell dir das wie ein Hefeteig vor, der erst lang genug gehen und geknetet werden muss, bis er dann tatsächlich in den Ofen geschoben und zu einem Brot mit toller Kruste und schmackhafter Krume werden kann. Wenn der Teig nicht ausreichend Ruhen kann, hat die Hefe nicht genug Zeit zu arbeiten und kann dem Teig nicht das ausreichende Volumen verleihen, das er für ein gutes Brot braucht. Der Hefeteig wächst also im Laufe der Zeit zum perfekten Werk heran – Arbeit und Zeit.
Dieses übertragene Bild funktioniert natürlich auch für die Hochzeitstorte, den im Herbst angelegten Garten oder das Gemälde, das mit einem Pinselstrich beginnt und mit Tausenden endet… erst dann, wenn alles an der richtigen Stelle sitzt.

Ich nehme mir die Zeit und arbeite an meinem Manuskript. Doch seit diesen Wochen komme ich keine Seite weiter, kaum habe ich ein Kapitel ausgearbeitet, lösche ich beim nächsten exakt die Anschlagszahl, die ich vorher mühevoll dazugetippt habe. Das frustriert ein bisschen, denn ich möchte nicht nur verbessern, sondern auch vorankommen – Seitenzahlen.

Mehr Seiten werden es auf jeden Fall noch, denn das Ende ist nach wie vor offen… ich habe es noch nicht geschrieben. Warum? Mir gefällt ein Teil des Buches noch nicht ausreichend genug, um zum Ende zu kommen. Darum überarbeite ich weiter und hoffe, dass mir der Text danach gut genug gefällt, um den Roman zu beenden und an den Verlag zu schicken.

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.