Sing meinen Song – Das Tauschkonzert: Musik pur

Heute schon gesungen?

Heute schon gesungen?

Als ich die Vorschau zu „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ (Vox 2014) das erste Mal sah, dachte ich: „Hey, das könnte echt gut werden.“ Aber ich hatte Unrecht. Es wurde besser!

Gastgeber Xavier Naidoo lud ein: Sasha – auch bekannt als Dick Brave -, Sarah Conner, Sandra Nasic – Frontsängerin der Guano Apes -, Roger Cicero, Andreas Gabalier und Gregor Meyle.

Irgendwo in Afrika, Wohnzimmer-Ambiente mit Mini-Bühne und kleiner Band im Hintergrund. Auf der Couch sitzen oben genannte Sieben. Gemütlich sieht es aus. Und ich fühle mich als Zuschauer mitgenommen zu einem musikalischen Experiment.
Ihre Vorfreude auf das kleine Abenteuer und ihre Nervosität versuchen die Künstler mit allerlei alkoholischen Getränken niederzuringen. Es wird geprostet und angestoßen, aber das Lalala klingt später stets gekonnt und nicht gelallt. Scheint also noch alles im grünen Bereich zu liegen.

Pro Abend steht ein Sänger oder eine Sängerin im Mittelpunkt. Nur deren oder dessen Lieder werden gesungen. Und das ist eine wirkliche Herausforderung. Denn bei „Sing meinen Song“ singt der Jazz-Musiker englische Rocksongs und der deutsche Volksrocker englische Popmusik. Das geht. Fast immer. Verdammt gut. Überraschend genial sogar, denn die Sieben haben es einfach drauf. Doch nicht nur dieses musikalische Sing-Experiment überzeugt, interessant sind auch die Geschichten zu der Entstehung der Songs und die Verbindung zwischen den Künstlern untereinander.

Vielleicht nicht annähernd so interessant: Meine Verbindung zu den singenden Sieben:

Xavier Naidoo: Seine Songs habe ich in der Vergangenheit sehr oft gehört, ich besitze einige seiner Platten. Ich glaube, bei der Entstehen meines Romans »Firnis« hat Xavier Naidoo mich gesanglich unterstützt. Das wusste er natürlich nicht.
Timo KümmelNiemand-Illustrator und Cover-Artist zahlreicher Buchcover (meiner und von zahlreichen anderen Autoren), war es übrigens, der mich dazu gebracht hat, Xavier Naidoo zu hören. Besten Dank nochmals dafür.

Rock trifft auf Jazz auf Pop auf Volksrock auf mehr Musik.

Rock trifft auf Jazz auf Pop auf Volksrock auf mehr Musik.

Sasha: Hey… Sasha. Popmusik ist mir zu mainstreamig und zu massenkompatibel. Ein paar der Songs fand ich aber gar nicht schlecht, wie z.B. „Please! Please! Please!“ Sein zweites Ego Dick Brave hat mich mehr aus den Socken gehauen (natürlich nicht im wahrsten Sinne des Wortes). Seine CD „Dick This!“ (2003) habe ich ebenfalls bei einigen Schreibprozessen gehört – immer über Kopfhörer. Zu meinem Schrecken musste ich eben feststellen, dass 2011 „Rock’n’Roll Therapy“ von Dick Brave & The Backbeats erschienen ist. Hab ich noch nicht. Geht gar nicht.

Sandra Nasic: Die Rockröhre auf der Couch. Ihre Band Guano Apes kenne ich zwar, und auch einige ihrer Songs. Aber auch wenn früher – Achtung Outing! – Hard Rock, Heavy Metal und !Klassik! zu meiner Musik gehörten, höre ich heute eher Klassik aus dieser Reihe, denn bei den harten Tönen lässt sich nicht gut schreiben.

Roger Cicero:  Als seine Karriere begann, gehörte auch mein Sohn zu seinen Fans – mit sieben vermutlich der jüngste. Roger Cicero CDs befinden sich somit noch heute in unserem Haushalt, denn er hat eine unverkennbare und tolle Stimme – sagt mein Sohn heute immer noch, auch wenn er aktuell eher Rockiges und Poppiges hört und singt.

Sarah Conner: Kennt jeder. Die deutsche Pop-Queen mit internationalem Erfolg. Meine Musik war das leider nicht. Wie auch bei Sasha – zu mainstreamig. Aber sie hatte (und hat natürlich)  eine tolle Stimme, das will und muss ich gerne anerkennen, auch wenn mir die Musikrichtung nicht zusagt.

Sitzen noch  Andreas Gabalier und Gregor Meyle auf der Couch. Beide kannte ich nicht. Verzeihung!

Nun, seit „Sing meinen Song“ hat sich vieles geändert. Jetzt „kenne“ ich alle und sehe den einen oder anderen Künstler in neuem Licht.

Lalalalallalaaallllaaa - die Sieben können es auf jeden Fall besser. Welch Glück!

Lalalalallalaaallllaaa – die Sieben können es auf jeden Fall besser. Welch Glück!

Gregor Meyle ist für mich ein begnadeter Liedermacher – so eine Mischung aus Stoppok und Reinhard Mey, aber mit einer deutlich samtigeren Stimme. Sehr sehr geil.
Andreas Gabalier finde ich lustig, ein cooler Typ, der eine musikalische Marktlücke entdeckt hat. Klasse, aber eine CD würde ich mir nicht von ihm kaufen. Trotzdem: Toll.
Sarah Connor: Diese Frau macht aus jedem Song, ob in Englisch oder Deutsch, ein musikalisches Highlight. Sie hat die Songs ihrer Kollegen mit einer phantastischen Stimme dargeboten. Ich war jedes Mal hin und weg. Bei Gregor Meyles „Keine ist wie du“ musste ich weinen – so wunderbar hat sie mich damit berührt. Wow! Da sie, wie sie erzählt, selbst auf der Suche nach ihrer neuen Musikrichtung ist, hoffe ich sehr, dass die zukünftigen Songs besonders werden. Gerne in Deutsch. Dann wäre ich Fan.
Roger Cicero: Seine jazzige Stimme ist bei jedem der anderen Musikstile sein Pluspunkt. Unverkennbar. Und durchaus gut.
Sandra Nasic: Die Frau mit der Rockstimme beweist, dass sie verdammt sanfte und sogar deutsche Töne hervorbringen kann. DAS hat mir wirklich richtig gut gefallen.
Sasha / Dick Brave: Er sieht manchmal etwas traurig auf der Couch aus, vielleicht ist er auch verpennt oder die Wärme macht ihm zu schaffen. Doch die ausgewählten Songs seiner Kollegen setzt er toll um. Er kanns halt.
Xavier Naidoo: Auch er hat eine Stimme, die fast jeder wieder erkennen würde. Sympathisch finde ich, dass er häufig betont, nie so singen zu können wie Sandra oder Sarah. Muss er ja auch nicht. Sanft und sicher präsentiert er Rockballaden, Popsongs, Jazz oder Volksrock … ein echter Naidoo eben.

Alle Sieben können singen!  Das alleine macht dieses Musikformat aus und hebt es von zahlreichen anderen Musiksendungen ab.
Sie wissen mit ihrem Instrument – der Stimme – umzugehen, auch wenn sie sich in einem Genre versuchen, das sie zuvor möglicherweise nicht einmal gehört haben. Doch sie stellen sich der Herausforderung, übertreten eine Grenze, damit dieses Musikexperiment funktioniert, auch auf die Gefahr hin, sich ein bisschen lächerlich zu machen. Das erfordert Mut. Und bekommt meinen Respekt!
Ich glaube, auch die Sänger und Sängerinnen haben sich teilweise neu entdeckt und sich selbst überrascht oder vor ihrer eigenen Leistung erschrocken. Die war aber immer klasse. Klar, da wurde sich mal versungen oder der Text vergessen. Doch das machte alle Anwsenden sympathischer und die Sendung unterhaltsamer.

Fazit: Eine tolle Sendung, bei der ich – als Zuhörer und -schauer – neue Musik für mich entdecken und Persönlichkeiten von einer anderen, sympathischen Seite kennen lernen durfte. Künstler, die in meinen Augen erfolgreich sind, die scheinbar dennoch mit Erfolgsproblemen und kleinen Identitätskrisen zu kämpfen haben und sich auf ein mutiges und verdammt unterhaltsames musikalisches Experiment eingelassen haben. Vielen Dank dafür!
Gerne mehr, aber nicht verheizen.

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