Schuldig

Ich gebe es zu: Ich bin schuldig.

Ich bin kein Privatpatient. Die Ärzte verdienen an mir nur das, was die Kassen bezahlen und das ist – laut all der Plakate, die in den Wartezimmern hängen – nicht genug.

Ich fühle mich schuldig, wenn ich lese, mein Gynäkologe erhält nur 16 Euro und ein paar Gequetschte für mich pro Quartal im Höchstfall.

Andererseits: Ich bin gut zehn Minuten bei der Untersuchung und wenn ich sonst nichts habe und im Quartal nicht noch mal komme, ist das ein Stundenlohn von 96 Euro und den erwähnten Gequetschten. Schlecht ist das nicht.

Ich ärgere mich, wenn mir ein Arzt sagt: »Wenn Sie Ihre Blutwerte benötigen, müssen Sie anrufen, ich rufe Sie nicht an, das ist mir zu teuer.« Er ruft auch nicht an, wenn sie schlecht sind – das hatten wir schon.

Ich werde nachdenklich, wenn ich am Telefon (ich habe in der vorgesehen Telefonsprechstunde angerufen, die meist nicht erreichbar ist) eine Frage stelle und mir wird gesagt: »Machen Sie mal schnell, denn ich kriege nur 2,- Euro für das Gespräch.«

Wo bleibt der Idealismus, die Freude an der Arbeit, die Lust, Menschen zu helfen?

Es scheint, als ginge es nur ums Verdienen und um das Sparen am Patienten. Ich verstehe das. Auf der einen Seite. Denn irgendwie muss die Familie ernährt, der Wagen bezahlt, die Schulden abgetragen werden. Und die Angestellten wollen auch Geld.

Aber wenn ich in den Praxen sitze und das Licht brennt im Wartezimmer, obwohl Sonne durch die Fenster scheint. Und das Licht brennt in doppelter Ausführung im Vorraum, auf der Toilette, im Behandlungsraum – und es sind nicht mal Sparlampen –, wenn die Heizung auf Anschlag steht und Hitze verbreitet, die einem den Atem raubt, dann frage ich mich schon, ob nicht vielleicht auch mal in Bezug auf Raumkosten gespart werden könnte, um das Geld wiederum für den Patient oder aber doch bitteschön für sich selbst zu nutzen? Und das dürfte nicht die einzige Möglichkeit sein, auf simple Art und Weise zu sparen.

Ich fühle mich schuldig, weil ich kein Privatpatient bin und manchmal fühle ich mich auch nicht richtig versorgt, denn ich frage mich: „Reicht die Standarduntersuchung?“ Und wenn der Arzt sagt: „Nein!“, ist dem dann wirklich so oder will er nur dazu verdienen?

Ich denke an meinen „Kriegste was dafür?“-Autoren-Vorurteil-Artikel und suche Parallelen zum Beruf Autor und Arzt.

Die gibt es. Nur, dass wir – die Autoren – nicht streiken oder meckern und auch keine Plakate auf unsere Bücher kleben, die in großer Schrift schreien: „An diesem Buch verdiene ich nur 8 % vom Nettobetrag. Kaufen Sie bitte zwei, damit ich mehr Honorar erhalte.“

Im Gegenteil: Wir freuen uns auch noch darüber, dass wir überhaupt Honorar bekommen und ein Verlag in uns und unserer Geschichte etwas gesehen hat, für das er gerne bezahlt. Wir schreiben weiter, kämpfen, suchen, arbeiten, in der Hoffnung und der Gewissheit, dass es besser wird und weil Bücher schreiben genau das ist, was wir wollen, auch, wenn wir uns dadurch keinen Urlaub leisten können, kein neues Auto, kein Wochenendhaus auf Mallorca. Wir schreiben, weil es Spaß macht und um andere Menschen daran zu erfreuen, ja vielleicht sogar um den Arzt ersparen zu können, denn Geschichten sind oftmals Balsam, wirken beruhigend oder anregend, spenden Trost und Hoffnung – je nach Bedarf.

Bin ich nun ein unrealistischer Mensch, weil ich auch Idealismus fordere? Das vielleicht.

Aber bin ich ein schlechterer Mensch, nur weil ich ein Kassenpatient bin?

Bin ich das?

Dann tut es mir leid. Ich erhalte für meine Arbeit, die ich liebe und die mir Spaß macht, zwar Honorar, aber nicht so viel, um Privatpatient zu werden.

Ja, ich bin schuldig. Ich bitte um Verzeihung.

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Und weil das so schön passt, ein bisschen Eigenwerbung:

Link für Arztpraxen (und andere Einrichtungen), die etwas ändern wollen: –> blog.ihrhelferlein.de

Wir helfen sparen! Allerdings nicht kostenlos, aber bezahlbar.

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.