Schirm ahoi!

Ihr kennt doch sicherlich das Bild auf dem eine Frau verzweifelt versucht ihren Regenschirm festzuhalten, den der Sturm mit sich reißen will. Schon der fliegende Roland im »Struwelpeter« kannte das Problem. Nun. Ich habe mir heute einmal überlegt: Regenschirm? Ist ja langweilig. Ich kämpfte heute gegen den Wind, in der Hand hielt ich einen Tannenbaum.

Bei uns werden die Tannenbäume Anfang des Jahres von der Stadt abgeholt, das ist eine praktische Einrichtung, die beinahe jeder in Anspruch nimmt. Und so liegen zurzeit an jeder Ecke ausgediente Weihnachtsbäume. Bis gestern war das alles auch kein Problem. Nur mussten unsere Bäume heute an die Straße gelegt werden. Heute! Orkanwarnung! Und ich habe mich heute schon mehrfach vom Wind zerzausen oder über die Straße schieben lassen.

Als ich am Nachmittag an der Stelle vorbeiging, an der die Bäume aus unserem Haus lagen, hatten sich die Tannen in eine Einfahrt verschlagen. Für Autos, die im Dunkeln dort hindurch fahren musste, ungünstig. Gut, dachte ich, biste mal nett. Ich packte also den ersten Baum am Stamm – gut zwei Meter war das Teil. Ich kannte ihn gut, schmückte er doch zu Weihnachten unsere Wohnung. In dem Moment, als ich den Baum an seine Stelle zurück ziehen wollte, fegte ein Orkan durch die Straße und der Baum flog. Ich hielt ihn, steuerte dagegen und kam mir irgendwie ziemlich albern vor. Aber hätte ich ihn losgelassen, hätte er möglicherweise ein Auto oder den mir entgegenkommenden Passant getroffen. Und irgendwo hatte die Situation auch was Lustiges und so kicherte ich vor mich hin, während ich den Zwei-Meter-Tannenbaum festhielt, der waagerecht im Wind wehte. Doch der Sturm drückte und zerrte, aber es gelang mir auf den Beinen zu bleiben, obwohl sich der Orkan wirklich Mühe gab mich zu Fall zu bringen – mit meinem fliegenden Tannenbaum in den Händen.
Irgendwann ebbte die Bö ab, ich packte die Bäume rasch an die Seite. Der Wind zerrte an den Nadeln und Ästen. Und als ich zwanzig Minuten später wieder an der Stelle vorbeikam, waren sie weg, die Tannenbäume. Ich entdeckte sie in weiter Ferne, den Bürgersteig entlang wandern.

Wohin mag der Wind sie nun tragen? Ob sie jemals wieder kommen?

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.