Rezension: »Zerbrechliche Dinge – Geschichten und Wunder« von Neil Gaiman / Eichborn Verlag

© Cover: »Zerbrechliche Dinge - Geschichten und Wunder« von Neil Gaiman / Eichborn Verlag

»Zerbrechliche Dinge« erschien bereits 2010 als Hardcover bei Klett-Cotta.
Der Eichborn Verlag hat die Geschichten und Wunder von Neil Gaiman nun – 2019 – als Taschenbuch erneut aufgelegt. Wer es noch nicht weiß, der Eichborn Verlag gehört seit November 2011 zu Bastei Lübbe.

Über Neil Gaiman muss ich nicht mehr viel schreiben. Wer meinen Blog regelmäßig liest, sollte wissen, dass der 1960 in England geboren Schriftsteller eine skurril-ironische Phantasie hat, die Leser entzückt. Seine Werke wurden mehrfach und mit allen wichtigen Awards ausgezeichnet. Doch sein Durchbruch als Schriftsteller stellte sich erst spät ein. Neil Gaiman studierte Journalismus, weil seine Geschichten keinen Erfolg hatten. Glücklicherweise hat sich das geändert.
Die Graphic Novels und seine Romane begeistern heute die Leserschaft und werden als Film oder Serien adaptiert: u.a. »American Gods«, »Der Sternenwanderer« oder »Coraline«. Auch bei »Lucifer« hat Neil Gaiman seine Hände im Spiel. Der Charakter Lucifer Morningstar stammt aus seinem Comic »Der Sandman«.
Demnächst erscheint »Das gute Omen« – eine Serie, nach dem gleichnamigen Roman von Terry Pratchett und Neil Gaiman.
Heute lebt er mit seiner Familie in den USA.

Ins Buch geschaut

416 Seiten im Paperback mit Klappbroschur. Mehr lässt sich zur Aufmachung nicht sagen.
31 Kurzgeschichten, die – wie Neil Gaiman in der Einführung erzählt – aus unterschiedlichen Gründen entstanden sind. »Zerbrechliche Dinge – Geschichten und Wunder« vereint diese Storys, die in Magazinen oder Anthologien verstreut publiziert wurden.
In der Einführung stellt Neil Gaiman alle Geschichten kurz vor. Diese Erläuterungen hätte ich lieber vor jede einzelne Geschichte gesetzt, als Einstimmung. So habe ich nach vorne geblättert und erst die Entstehungsgeschichte zur Geschichte gelesen, bevor ich mich in gaimanische Kurz-Welten stürzte.

Der Inhalt

Ich habe nicht der Reihe nach gelesen, sondern mir nach und nach einzelne Storys rausgepickt. Begonnen habe ich mit „Die wahren Umstände im Fall des Verschwinden von Miss Finch“ (S. 181). Hierzu sagt Neil Gaiman in seiner Einführung, er wäre gebeten worden eine Story zu einem Gemälde von Frank Frazetta zu schreiben. Dazu fiel ihm nichts ein, darum hat er über Miss Finch geschrieben. Diese Aussage fand ich schon ziemlich witzig. Nach den ersten Zeilen war ich in meinem Element, denn da saßen drei Leute zusammen: Fantasyautor, Moderator einer Horrorfilm-Serie und ein weiterer Schriftsteller. Dazu wunderbar auf kleine Einzelheiten hindeutend.

Niedergeschlagen aß ich eine Lachshautrolle

aus:
„Die wahren Umstände im Fall des Verschwinden von Miss Finch“ (S. 181), Neil Gaiman

Da wusste ich, hier bin ich richtig.

Was war nun mit Miss Finch?

Neil Gaiman steigt gekonnt in die Handlung ein, der Leser sitzt mit drei Freunden an einem Tisch und sieht ihnen beim Essen zu. Dabei erfährt er, dass irgendwas passiert ist, was die Polizei nicht glauben würde. Der Rückblick, der uns glauben lassen soll, der Erzähler könnte Neil Gaiman persönlich sein, bietet eine seltsame Erklärung auf die Frage, was mit Miss Finch geschehen ist. Es geht um einen Zirkus, zehn verschiedene Räume, Fake oder Wahrheit und einen Wunsch, der anscheinend in Erfüllung geht. Zurück bleiben verstörte Zuschauer und ein lächelnder Leser.
Hat mir gefallen!

Bücher von Neil Gaiman

»Am Ende« (S. 276) ist eine von zwei Kurzgeschichten, die nur eine Seite lang sind. In der Einführung erwähnt Neil Gaiman Yeti und die Bibel. Was mag »Am Ende« damit gemeint sein?
»Am Ende« lässt sich diese Geschichte kaum zusammenfassen, denn die Einführung sagt schon alles. In biblischem Schreibstil entwirft Neil Gaiman seinen eigenen Bibelvers – kritisch, knapp und ziemlich gut.

Das Gedicht »Gebrauchsanweisung« (S. 236) liest sich holprig und hat keine Melodie. Das mag an der Übersetzung liegen, denn Gedichte zu übersetzen ist wahrlich schwer. Am Ende fehlt meist der Reim und damit der Rhythmus. Klar, ein Gedicht muss sich nicht immer reimen, aber es braucht mehr als kurze Sätze. Eine dichterische »Gebrauchsanweisung«, die bei mir wenig auslöste.

»Andere Leute« (S. 150) ist eine typische Horror-Geschichte, in der ein Mann in der Hölle landet und von einem Dämon gefoltert wird. Das Ende überrascht.

»Goliath« (S. 277) ist eine schräge Story, die sich zwischen Fiction und Wirklichkeit bewegt. Interessante Idee, feiner Schreibstil. Daumen hoch.

Sechsundzwanzig weitere Geschichten folgen.

Fazit

»Zerbrechliche Dinge – Geschichten und Wunder« bietet 31 Storys – für jeden Tag im Monat eine. Neil Gaiman präsentiert eine breite Palette an Kurzgeschichten, von skurril bis verrückt, in den Genres Horror, Science-Fiction, Phantastik, mit Geistern, Aliens, Dämonen und mystischen Begegnungen. Manche Geschichten sind großartig, andere nicht. Lesenswert sind sie (fast) alle. Viel Spaß dabei!

© Cover: »Zerbrechliche Dinge - Geschichten und Wunder« von Neil Gaiman / Eichborn Verlag

Neil Gaiman
Zerbrechliche Dinge
Originaltitel: Fragile Things: Short Fictions and Wonders
Übersetzer: Ruggero Léo, Sara Riffel, Hannes Riffel, Dietmar Schmidt, Karsten Singelmann
Eichborn Verlag, 29. März 2019
Paperback mit Klappbroschur, 416 Seiten
ISBN 9783847906551
16,00 €

Die Ausgabe dieses Buches ist auch als Hörbuch und E-Book erhältlich.

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© Cover: »Zerbrechliche Dinge – Geschichten und Wunder« von Neil Gaiman / Eichborn Verlag

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