Rezension: »Wein genießen« von Paula Bosch / Callwey Verlag

© Cover: »Wein genießen« von Paula Bosch / Callwey Verlag

© Cover: »Wein genießen« von Paula Bosch / Callwey Verlag

[Werbung – kostenloses Rezensionsexemplar]

Paula Bosch ist eine der weiblichen Wein-Koryphäen und mitunter die bekannteste Sommelière  in Deutschland. In zwanzig Jahren als Chef-Sommelière im Münchner Restaurant Tantris sammelte sie ein unersetzliches Weinwissen. Sie veröffentlichte mehrere Bücher und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Zuletzt zeichnete der Verband der Deutschen Prädikatsweingüter (VDP) Paula Bosch 2017 mit der silbernen Ehrennadel aus.

Erst kürzlich habe ich ihren Band »Deutscher Wein. Deutsche Küche« gelesen, den sie zusammen mit Tim Raue herausbrachte.

Nun liegt ihr neues Buch vor, in dem sie uns lehrt wie wir »Wein genießen«.

Das Buch – Design & Inhalt

Das im Callwey Verlag erschienene Hardcover trägt auf dem blauen Band eine goldgeprägte Schrift. Das sieht edel aus.  Kein Umschlag, kein Lesebändchen.
Das Vorsatzpapier – vorne und hinten auf der ersten und der letzten Seite – ist mit Fragen rund um das Thema Wein bedruckt. Hinter dem nächsten Blatt befinden sich die Antworten dazu.

Beispiele:
Was versteht man unter Terroir? Oder
Ist eine Bowle oder Kalte Ente in Weinkreisen salonfähig?

Das Verzeichnis zeigt einen ersten Überblick über den Inhalt der 240 Seiten.
Los geht es mit einem Vorwort von Paula Bosch, indem sie die Veränderung der Weinwelt in den letzten zwanzig Jahren anspricht.
Dann begleiten wir Paula Bosch mit einer Spritztour durch die Weinwelt, beginnend in Deutschland.
Es folgt die Entwicklung in Wort und Zahlen, eine kurze Vorstellung aller dreizehn Weinanbaugebiete mit den persönlichen Lieblings-Weingütern von Paula Bosch, darunter Josten & Klein, Balthasar Ress, Von Othegraven oder von Winning.
Dann fahren wir nach Österreich, in die Schweiz, nach Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Südafrika, Australien, Argentinien, Chile und die USA. Dazwischen machen wir noch einen Stopp in Griechenland, das ist schon deshalb interessant, weil griechische Weine bei uns selten zu erhalten sind – außer in einem griechischen Restaurant.
Alle Länderabschnitte sind ähnlich aufgebaut.

Paula Bosch beschäftigt sich weiter mit den neuen und alten Talenten der Weingüter der Welt und beleuchtet die Weinszene. Dabei kommen wir an den Hypes nicht vorbei. Wer im Weinhandel arbeitet, hört häufiger die Fragen nach Naturwein, veganem Wein, nach Bio-Wein oder nach Orange-Wein.
Kürzlich wurde ich auch einmal nach einem Koscher-Wein gefragt.
Darüber erzählt Paula Bosch nichts, aber sie nimmt die „gewöhnlichen Hypes“ kritisch unter die Lupe und gibt Tipps zur exakten Trinktemperatur.

Es folgen rote und weiße Rebsorten – darunter auch unbekanntere wie Assyrtiko (Griechenland, weiß, S. 106) oder Agiorgitiko (Griechenland) oder Baga  (Portugal, rot, S. 120/121).  Hier werden die Geruchs- und Geschmacksnuancen als bunte Wortwolke dargestellt. Die Texte beinhalten Vorkommen der jeweiligen Rebsorte und die traditionelle Verarbeitung.

Nach dem prickelnden Kapitel, das von Champagner, Crémant, Sekt und Prosecco handelt, gibt Paula Bosch Tipps zum Weineinkauf – online und stationär. Sie spricht kurz über Weinketten – hier kenne ich mich bekanntlich aus – und kritisiert die vielen kommerziellen Weine.

Mein Kommentar: Ich stimme Paula Bosch zu. Aber eine Kette muss in jedem Weinladen deutschlandweit die gleichen Weine anbieten können. Da ist es nicht möglich auf die vielen wunderbaren kleinen Weingüter zurückzugreifen. Dafür bieten – nennen wir doch ein paar dieser stationären Händler beim Namen – Jacques, Vom Fass, Mövenpick –  die Möglichkeit der Verkostung vor Ort und sehr gute Weine zu guten Preisen. Ich habe zumindest die Jacques-Weine fast alle probiert. :-)
Abgesehen davon führt z.B. Jacques auch einzelne Weine von nicht-kommerziellen Weingütern, wie Markus Schneider (Mosel). Auch in den Aktionen werden häufig Weine von kleineren oder unbekannteren Weingütern angeboten – nur solange das Angebot reicht. Klar.
In den Zeiten, in denen immer mehr Einzelhändler ihre Läden schließen müssen, können sich die Franchise-Unternehmen halten, weil ein großes Konstrukt dahinter steht. Das ist auch für den Verbraucher – und letztendlich für die Städte – ein Vorteil.  Aber Nachteile gibt es natürlich auch.

Nach dem Weineinkauf, muss der Wein entsprechend gelagert werden.
Kühlschrank? Schlafzimmer? Keller oder Weinklimaschrank? Paula Bosch gibt Tipps, Anregungen und sagt auch schon mal ihre eigene Meinung zum Thema – das gibt dem Buch eine sehr schöne persönliche Note. Auch, wenn ich nicht immer ihrer Meinung bin.
Sie bittet nämlich darum den Wein nicht im Flur oder im Schlafzimmer aufzubewahren.

Weinklimaschrank

Weinklimaschrank

Mein Kommentar: Wir Weintrinker- und Weinliebhaber sind nicht alle mit einem großen Bankkonto gesegnet.
Ich erinnere hier an Michel Jack Chasseuil, der in seinem Buch »Die 100 wertvollsten Weine der Welt« (Heel Verlag) von der ständigen Ebbe auf seinem Bankkonto klagte, damit er sich diesen oder jenen besonderen Wein kaufen konnte. Nun, letztendlich würde ich Monsieur Chasseuil als reich bezeichnen.
Aber wir „Otto-Normal-Wein-Liebhaber“ verdienen u.U. ein kleines Gehalt und wohnen in einer Mietwohnung. Also muss eine Lösung für die Weinlagerung her, die dem Bankkonto und der Wohnumgebung angepasst ist.
Gibt es keinen Keller oder ist der zu feucht, bleibt nur die Lagerung in der Wohnung. Auf den Klimaschrank wird noch gespart? Okay. Dann den kühlsten und ruhigsten Platz in der Wohnung suchen.
Bei uns ist das der Flur unter der Treppe. Dazu habe ich mit einem kleinen Weinkühlschrank begonnen und später mit einem großen aufgestockt. Es reichte nicht für eine teure Marke wie Liebherr und auch einen 2-Zonen-Klimaschrank konnte / wollte ich mir erst einmal nicht leisten.
So lagern die Rotweine nun im Flur, die etwas teureren Exemplare in dem kleinen Klimaschrank und die Weißweine im großen.
All das ist noch nicht optimal, aber ich will die Weine auch nicht 100 Jahre lagern, sondern zu Lebzeiten trinken.
Also bitte, lasst euch nicht beirren.
Wein ist nicht nur für Menschen mit dickem Portemonnaie, sondern für alle Menschen mit Liebe zum Genuss!

Paula Bosch beschäftigt sich mittlerweile mit dem richtigen Glas. Auch hier gibt es Trends. Und auch ich liebe es, mich mit Glas im Allgemeinen zu beschäftigen. Aber es muss kein Glas von Zalto sein.

Mein Kommentar: Wichtig ist ein dünnwandiges Glas mit Sti(e)l! Eins für Weißwein und eins für Rotwein. Wer Sherry  und Schaumweine trinkt, sollte auch hier auf das richtige Glas achten. Bitte kein IKEA-Glas oder eins aus dem 1-Euro-Laden. Lieber ein paar Euros mehr ausgeben. Es müssen ja nicht immer eine Serie aus 6 Gläsern sein. Zwei für den gemütlichen Abend reichen erst einmal – und dann nach und nach weitersammeln.

Während ich schon wieder abschweife, dekantiert Paula Bosch den Wein bereits (S. 161). Da bin ich gerne bei. Noch besser wird es im Kapitel „Mit Freude Wein probieren“.
Hier werden die größeren Einzelkapitel über Weingläser, Utensilien, Temperatur etc. noch einmal zusammengefasst.

Nachdem wir schon verkostet haben, entführt uns Paula Bosch kurz auf Weinmessen, in Weinshows und zum Weinfachhändler (S. 171).
Dann werfen wir einen Blick auf Die Weinkarte (ab Seite 173) und bekommen einen Einblick darüber, was ein guter Sommelièr ist (und vor wem wir uns hüten sollten).

Mein Kommentar: Auf Seite 178 entdecke ich ein Tastevin. Meine Sammlung ist übrigens bereits auf 14 Stück gewachsen. Vielleicht finde ich die Zeit und stelle alle Stücke demnächst mal vor bzw. ergänze den Artikel dazu (siehe Link).

Tastevins aus unterschiedlichen Ländern und Materialien.

Tastevins aus unterschiedlichen Ländern und Materialien.

Natürlich darf auch in diesem Buch das Thema Essen und Trinken nicht fehlen. Paula Bosch fordert zum Experiment auf. Sehr gut!
Sie kombiniert gekonnt Salate, Gemüse, Bohnen, Pasta, Spargel, Kartoffeln, Pilze, Fleisch, Geflügel und viel Leckereien mit den passenden Weinen. Hier lassen sich neue Anregungen holen.
Im Einmaleins für gelungene Kombination (S. 198) fasst sie in 13 Punkten zusammen, welche Geschmackskomponenten miteinander harmonieren.
Und eins macht Paula Bosch klar: Zu Matjes, Hering, Rettich oder Senf passt Bier besser als Wein. So ist das!

Auf der  Zielgeraden beantwortete Paula Bosch Fragen rund um das große Thema Wein (S. 201 – 216).
Das letzte Kapitel beinhaltet Adressen von Weinbars, Weinmessen und Wein-Bezugsquellen. Außerdem Bücher-Tipps, Vorstellungen von Weinführern, Magazinen, Blogs, Weinschulen oder Apps – allesamt persönliche Empfehlung, darum lückenhaft.

Fotos von Joerg Lehmann

Solche ein Informations-Band lebt auch durch die optische Gestaltung. Die Fotos stammen von Joerg Lehmann. Der in Berlin lebende Fotograf hat sich auf die Themen Essen, Trinken und Reisen spezialisiert. Er weist eine Vielzahl an Produktionen und Veröffentlichungen vor und blickt auf Erfahrungen mit den besten Köchen Frankreichs zurück.

Fazit

»Wein genießen« von und mit Paula Bosch hat mir besonders viel Spaß gemacht, weil ich das Gefühl hatte, die Zeit des Lesens mit ihr im Dialog zu stehen. Ein erfrischendes, authentisches und persönliches Werk, das mein Wissen ergänzt und gefestigt hat. Vielen Dank dafür.
Eine Kaufempfehlung spreche ich gerne aus – für  alle, die sich neu mit Wein beschäftigen möchten, die vom Thema Wein nicht genug bekommen können oder diejenigen, die gerne auf die Erfahrungen von Deutschlands Sommelière Paula Bosch zurückgreifen möchten.

Paula Bosch
WEIN GENIEßEN
Callwey Verlag, März 2018
Hardcover, 21,5 x 28 cm
240 Seiten, ca. 300 Farbfotos
ISBN: 978-3-7667-2275-1
€  29,95

Das Buch ist auch als ebook für 19,95 € erhältlich.

Webtipps

© Cover: »Wein genießen« von Paula Bosch / Callwey Verlag

Vielen Dank an den Callwey Verlag für die Zusendung des kostenlosen Rezensionsexemplars.

P.S. Falls jemand ein Tastevin abzugeben hat. Bei mir werden sie geputzt, gepflegt und geliebt. Sie sind nicht allein und befinden sich in angenehmer Gesellschaft.

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.