Rezension: »Warum ich schreibe – Die großen Essays« von George Orwell

George Orwell, »Warum ich schreibe – Die großen Essays«, 256 Seiten, Anaconda Verlag, 7,95 €

George Orwell kennen wir als Autor der Fabel »Farm der Tiere«, die er 1945 schrieb, eine Geschichte über Tiere auf einem Bauernhof, die sich gegen ihre Vernachlässigung und Ausbeutung auflehnen. Eine tiefsinnige, mehrfach verfilmte, Geschichte, die damals wie heute aktuell ist. Nicht minder bekannt ist sein Roman »1984«, der 1949 erstmalig publiziert wurde – ein utopischer Roman, der zu einer Zeit spielt, die wir bereits erlebt haben. Eine Vision der Zukunft, die George Orwell kurz nach dem 2. Weltkrieg ersonnen hat.
George Orwell wurde 1903 im britischen Indien geboren und starb mit nur 47 Jahren in London. Mit achtzehn Jahren ging er zur Polizei, wo er sechs Jahre blieb. Später arbeitete er als Journalist und Autor. Er schrieb zahlreiche Essays, wovon eine Auswahl nun – von Heike Holtsch neu übersetzt – in einem Band erschienen.

Sechzehn Essays, publiziert von 1931 bis 1949 in verschiedenen Medien, fasst »Warum ich schreibe – Die großen Essays« zusammen.

Die Erstveröffentlichungen der Essays ist mir nicht bekannt, somit kann ich keinen Vergleich zur Neuübersetzung ziehen.

Was ist eigentlich ein Essay? Der Duden sagt: „Abhandlung, die eine literarische oder wissenschaftliche Frage in knapper und anspruchsvoller Form behandelt.“

George Orwell stellt keine offensichtlichen Fragen in seinen Essays und Antworten sind auch nicht darin zu finden. Seine Artikel sind Betrachtungen und eigene Erlebnisse literarisch umgesetzt. Dabei bleibt er nicht neutral, sondern erläutert seine Gefühle, seine Meinung und seine innerliche Zerrissenheit, wie z.B. in „Einen Elefanten erschießen“.

In „Erinnerungen an einen Buchladen“ aus dem Jahre 1936 erzählt George Orwell von seiner Arbeit in einem Buchladen. Dort traf er auf eine Spezies Mensch, die er als Nervensägen bezeichnete, wie die nette alte Dame, die 1897 ein Buch gelesen habe und eine Ausgabe davon sucht, sich aber nicht an Titel , Autor oder Inhalt erinnert, nur an den roten Einband. 86 Jahre später, Buchhändler:innen wissen hier mehr, gibt es solch netten alten Damen immer noch.
Neben der Rezension zu Hitlers „Mein Kampf“ findet sich auch der buchtitelgebende Artikel „Warum ich schreibe“ oder der Vergleich „Bücher vs. Zigaretten“, in dem er sich über die Prioritäten der Menschen wunderte, die mehr Geld für Zigaretten als für Bücher ausgeben. In einer komplizierten Aufstellung rechnet er vor, wie viel Bücher er selbst gekauft, geschenkt, geliehen oder als Freiexemplare erhalten hat.

Überlegungen zum Nationalismus, zum Faschismus und zur Dekmokratie, zu H.G. Wells und Gandhi oder über die Verhinderung der Literatur ergänzen den Band und zeigen das breite Spektrum der literarischen und politischen Welt, in der sich George Orwell bewegte und über die er kritische und sorgenvolle Gedanken hegte.

Fazit

»Warum ich schreibe – Die großen Essays« von George Orwell sind keine Abhandlungen, sondern die Teil-Biografie eines Schriftstellers, der die Welt mit kritischen Augen betrachtete und seine (Nicht-schriftstellerischen) Tätigkeiten gewissenhaft, oftmals gegen seine eigene Überzeugung durchführte. Eine Sammlung von Zeitzeugnissen – schockierend nüchtern und politisch klar, aus der Feder George Orwells.

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.