1985 habe ich meinen ersten King gelesen. Die dicke Paperbackausgabe (Bastei Lübbe) von »Das letzte Gefecht« war einige Tage mein Begleiter, die ich Tag und Nacht (und unter der Schulbank) las. Danach folgte eine massive Stephen King-Sucht, die mir inzwischen knapp 450 Stephen King Bücher in verschiedenen Sprachen, über 200 Sekundärbücher, die Mitarbeit bei dem bzw. die spätere Leitung des (Ex-) Stephen King Fanclubs – der KRAG -, eine Freundin und einen Ehemann bescherte.
Würde ich mich als King-Kennerin bezeichnen? Jein. Früher lag die Tendenz bei ja, heute weniger.
Der Redakteur von Cemetry Dance und Autor Bev Vincent ist ein Stephen King Profi, zumindest in den USA. Er kennt den Meister des Makabren privat und beruflich, hat ihn interviewt, mit ihm zusammengearbeitet und mehrere Sachbücher über Stephen King publiziert, z.B. »The Road to the Dark Tower: Exploring Stephen King’s Magnum Opus«. Gemesinam haben sie u.a. die Anthologie »Flug und Angst« (Heyne 2019) herausgegeben.
»A Complete Exploration of his Work, Life and Influences« von Bev Vincent erschien 2022 im Original. Ein Jahr später – im September 2023 – brachte der Schweizer Verlag Edition Olms die Bio- und Bibliografie in deutscher Sprache auf den Markt: »Stephen King – Sein Werk, sein Leben, seine Inspiration«.
Werfen wir einen Blick hinein?
Ins Buch geschaut
»Stephen King – Sein Werk, sein Leben, seine Inspiration« ist eine sehr schön gestaltete Ausgabe mit vielen grafischen Details. 240 Seiten, mehr als 500 farbige Fotos und Dokumente in einem großformatigen Hardcover (22 x 28 cm). Die Übersetzung aus dem Englischen stammt von Michael Auwers.
Das Sachbuch ist in sechs Zeitabschnitte unterteilt, danach befindet sich die Auswahl der Bibliografie, Anhänge, Anmerkungen, Bildnachweise und endet mit Information über Bev Vincent und seiner Danksagung an alle, die ihm seine Arbeit ermöglichen.
Im Video auf TikTok und Instagram erhältst du einen direkten Einblick.
Zitat aus der Einleitung: „Andere zeitgenössische Autoren mögen mehr Exemplare ihrer neuen Bücher verkaufen, aber niemand steht so sehr als Symbol für ein ganzes Genre wie Stephen King.“
Schon die Einleitung zeigt fundiertes Insiderwissen. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem Künstler als junger Mann von 1950 bis 1969, beleuchtet seine Kindheit und Jugendzeit, das erste Schreiben und sein Interesse an Geschichten. Es folgen die Doubleday Jahre, in denen King seine ersten großen Schreib-Erfolge feierte, er heiratete, wurde Vater von drei Kindern. Die Familie hatte finanzielle Schwierigkeiten und Stephen King ein Drogen- und Alkoholproblem. All das weiß der Fan von heute. Bev Vincent untermalt diese Fakten mit Briefen und Details. Grafiken, Fotos, Cover, Originalnotizen folgen in den nächsten Kapiteln, die sich um Die Goldenen Jahre in den 80ern und die Experimente und Wandel in den 90ern handeln. Kapitel 5 beleuchtet das Leben nach Stephen Kings schwerem Unfall. Wir erinnern uns alle an die Mitteilung, Stephen King sei von einem Wagen überfahren worden. Ein Schock in der Fangemeinde. Stephen King erholte sich wieder – mit Einschränkungen. Ab 2000 beginnt Das King-Universum, wie Bev Vincent es nennt, und beschäftigt sich ab 2010 mit King und den Krimis.
Ich empfinde die Aufteilung des Buches authentisch. Die ersten Jahrzehnte, von Carrie bis zu seinem Unfall, habe ich genauso in Erinnerung. Die Fotos, die Bücher, die Inhalte der Texte von Bev Vincent sind für einen Fan zum größten Teil schon bekannt, es gefällt mir aber, wie er alles noch einmal zusammenfasst, mit knapp gefassten Buchinhalten, internen Informationen und der Entstehung der Bücher. In den 2000-er Jahren – im Buch ab Seite 168 – wird alles kompakter. Ähnlich habe ich es erlebt, denn das ist auch die Zeit, in der sich Stephen Kings Romane veränderten, und nicht nur das – auch seine Stammleserschaft. Stephen King alterte, und wir alterten mit, doch viele der Alt-Lesenden stiegen aus – kauften seine Bücher nur noch aus nostalgischen Gründen oder in der Hoffnung, beim Lesen eines Romans noch einmal dasselbe Gefühl zu haben wie bei Shining, Es, Christine oder The Stand.
Warum die Bücher nach seinem Unfall anders auf die Fangemeinde wirkten, muss nicht erklärt werden – Bev Vincent macht es dennoch, auch in Zitaten von Stephen King. Ein Versuch den Leser:innen den neuen King zu erklären, ja ihn in Schutz zu nehmen. Und hier wird klar, wie stark sich der Unfall und die Folgen auch auf Stephen Kings Einstellung zum Leben und zum Arbeiten ausgewirkt hatte. Er will aufhören mit dem Schreiben, heißt es in der Presse. Der Aufschrei ist groß. Doch King meint nur das Veröffentlichen, um sich nicht mehr dem Druck auszusetzen, jedes Jahr ein Buch herausbringen zu müssen. Er hat sich nicht daran gehalten. Die Alkoholsucht konnte er besiegen, die Schreibsucht niemals.
Das Buch von Bev Vincent bietet weiter viele O-Töne, erwähnt Auftritte in TV und Radio, zeigt private Fotos, erwähnt Querverweise in Kings Romanen, erläutert Inspirationen in Fremdromanen wie Frankenstein, berichtet über Verfilmungen, Podcasts, Graphic Novels, Spiele, Theater – ich wusste nicht, dass Bruce Willis im MISERY Theaterstück vor vielen Jahren die Hauptrolle spielte, oder hatte es vergessen.
Auch das schafft dieses Buch: Erinnerung.
Deutsche Fans, Ausgaben und Raritäten im Buch?
Die Titel sind alle übersetzt und lauten wie die deutschen Buchtitel. Auf Seite 113 schaut Stephen King durch die Deutsche Ausgabe des Heyne Hardcovers von ES. In der Auswahlbiografie auf Seite 222 werden einige wenige deutsche Sachbücher über Stephen King aufgeführt – nein, die KRAG ist nicht dabei und auch nicht unser Heyne-Mini-Sachbuch. Macht aber nichts. Die deutsche Fanseite über Stephen King, u.a. betrieben von Klaus Spangenmacher, ist aufgeführt. Das war es dann aber auch schon mit den Erwähnungen der deutschen King-Kultur. Und somit fehlen im Kapitel für King-Sammler die deutschen Ausgaben aus der Edition Phantasia von Joachim Körber.
Das soll keine Kritik sein. Bev Vincents Sachbuch beleuchtet die Werke und das Leben Stephen Kings im Allgemeinen – auf alle Übersetzungen, Fanclubs oder Sachbücher aller Länder kann er nicht eingehen.
Fazit
Bev Vincent ist ein Bewunderer Stephen Kings, ein Fan, selbst Autor und Insider, der »Stephen King – Sein Werk, sein Leben, seine Inspiration« mit Herzblut geschrieben hat. Ein lesenswerter Companion mit alten, bereits bekannten, aber auch neuen, interessanten Details, die einen symathischen Stephen King und einen Schriftsteller mit Leidenschaft zeigen. Bev Vincent gelingt es, Erinnerungen an alte Zeiten zu wecken und wagt einen Blick in die Zukunft. Danke dafür.
Web
Hinweise
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Vielen Dank an die Edition Olms für das Rezenionsexemplar.