Rezension: Stephen King, Januar 2023, phantastisch! 89 – jetzt hier zum Nachlesen

In der #89 der Januarausgabe 2023 des Magazins phantastisch! erschien nicht nur das Interview, das ich mit Carsten Sommer führen durfte, sondern auch eine umfassende Rezension plus Extras über »Fairy Tale« (S. 34-37), die ich anlässlich seines 75. Geburtstags schrieb. Den Artikel kannst du untenstehend ab sofort hier lesen.

Das Magazin enthält viele weitere großartige Artikel und Interviews von und über großartige Menschen und Themen rund um die Phantastik. Darum, mein Tipp: Die phantastisch! im Original kaufen, denn Print ist in. Alternativ gibt es das komplette Magazin auch als PDF zum Download für z.B. deinen Kindle.

Stephen King – es war einmal ein Meistererzähler, der Geburtstag feierte

von Nicole Rensmann

Mehr als eine Rezension – Ein Artikel für Nerds.

Am 21. September 2022 feierte Stephen King seinen 75. Geburtstag. Anlässlich dieses Ereignisses gab es für Fans und Leser:innen ein wahres literarisches Feuerwerk. Die Verlage haben keine Mühen gescheut, den weltbekannten Autor zu ehren. Neuauflagen seiner Bücher bekamen ein schickes Outfit mit farbigem Schnitt und Namensaufdruck. Der Heyne Verlag brachte die (auf 10.000 Exemplare ) limitierte Luxusausgabe von »ES« heraus, für den etwas überhöhten Preis von 75,00 €. Im Geburtstagsmonat folgte das »Castle Rock Kochbuch: Teuflisch gute Rezepte aus der Welt von Stephen King«, zusammengestellt von Theresa Carle-Sanders mit einem Vorwort von Stephen King himself (Südwest Verlag, 38,00 €). Und last but not least, erschien sein Roman »Fairy Tale« (Heyne Verlag, 28,00 €). Ein Märchen? In Anbetracht der Tatsache, dass die Märchen von Grimm oder Andersen brutaler sind, als die neuzeitlichen Übersetzungen oder Disney uns verkaufen wollen, passt ein Märchen zum Horror-Erzähler King perfekt. Aber sind wir ehrlich: Horror, wie zu Zeiten von »ES« (1986), schreibt King seit Jahren nicht mehr. Doch auch Märchen hat er bisher nur nebenbei verfasst. »Die Augen des Drachen« (1987) schrieb Stephen King für seine Tochter in Märchenmanier, aber – wer hätte es gewusst? – »Cujo« (1981) beginnt mit »Es war einmal …«, obwohl die Geschichte über den tollwütigen Hund nicht märchenhaft ist.

In »Fairy Tale« steigt Stephen King mit einer ruhigen Erzählstimme in einer warmherzigen Geschichte ein. Doch dann wird alles anders.

Eine Betrachtung.

Hinweis: Der Artikel enthält Spoiler.

Es war einmal der Inhalt

Erster Satz: »Ich bin mir sicher, dass ich diese Geschichte erzählen kann.«

Im November 2003 stirbt Charlie Reades Mutter bei einem tragischen Unfall. Sein Vater zerbricht beinahe am Tod seiner Frau. Er beginnt zu trinken, verliert seinen Job als Versicherungsmakler und bürdet dem siebenjährigen Charlie eine Menge Leid auf. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz wird dieser ein verantwortungsbewusster Teenager. Seinem Vater gelingt es, mit Hilfe eines Freundes dem Alkohol zu entsagen. Das Leben wird für Charlie und seinen Dad wieder lebenswerter. Charlie ist ein guter Schüler, arbeitet hart für ein Sportstipendium, spielt Football und Baseball. Inzwischen ist er siebzehn. Eines Tages rettet er dem schrulligen Nachbarn Mr. Bowditch das Leben und verändert seins damit für immer. Er gibt den Sport auf und kümmert sich um den alten Mann und dessen altersschwache Seniorenhündin Radar. Als Mr. Bowditch stirbt, hinterlässt er Charlie sein gesamtes Vermögen, das Haus, das Grundstück inklusive Schuppen und ein Tape mit einer Geschichte über ein anderes Land unter der Erde.

Diese Welt ist ein magisches Reich. Dort gibt es eine Sonnenuhr, die Leben schenkt und es nimmt, je nachdem, in welche Richtung sie gedreht wird. Charlie will in dieses Land reisen, um Radar zu retten. Doch auf Empis lastet ein Fluch, der die Haut der Bewohner grau färbt und ihre Gesichter entstellt. Charlie trifft neue Freunde, verliebt sich und rettet der riesigen Grille Mr. Snab das Leben, was sich später als hilfreich erweisen wird. Grausame Nachtsoldaten, Riesen und ein Übermonster, dessen Name nicht ausgesprochen werden darf, sorgen für Angst und Schrecken.

Wird es Charlie gelingen, den Fluch zu brechen, Empis zu befreien und Radars Leben zu verlängern?

Cover

Es war einmal ein junger Mann namens Charlie

Charlie Reade wächst einem auf den ersten Seiten ans Herz. Er hat seine Mutter früh verloren, sorgt sich um seinen Dad und ist fleißig. Freunde nennt er beiläufig, außer Bertie, der ihn zu einigen Vergehen angestiftet hat, die Charlie bereut. Diese dunkle Seite, wie er sie bezeichnet, wird ihn in dem Märchenland Empis hilfreich sein. Doch in der Handlung wiederholt erwähnt, stört diese Dunkelheit die Glaubwürdigkeit des Charakters. So scheint sie eher Mittel zum Zweck, um manches Verhalten Charlies zu erklären. Befremdlich wirkt auch Charlies Überwissen, das dem eines Fünfzigjährigen gleicht, obwohl er erst siebzehn ist. Am Ende hat King dafür eine Erklärung parat: Charlie erzählt seine Geschichte neun Jahre später, hat studiert und gibt Seminare in Märchen und Mythen. Echt jetzt?

Es war einmal die Prämisse

Der erste Teil des Buches handelt von Trauerbewältigung, Höhen und Tiefen eines Lebens, Hilfsbereitschaft, dem Nicht-loslassen-Können und von dem Wunsch, das Leben des geliebten Tieres zu verlängern. Dafür wird jedes Opfer in Kauf, jede Reise auf sich genommen, auch in ein verfluchtes Märchenland. Charlies, an Gott gegebenes Versprechen, nur Gutes zu tun, damit dieser ein Auge auf den Vater hat, wirkt schwer und macht erst am Ende Sinn.

Bis Charlie nach Empis aufbricht, liest sich die Geschichte authentisch und kraftvoll. Die Vergleiche zu Märchen, Büchern und Filmen machen Spaß (auch wenn Charlie zu jung ist, diese alle zu kennen). Doch die Handlung rund um Empis wirkt klischeehaft, an manchen Stellen zu knapp erzählt und weniger märchenhaft als erhofft, darüber können auch all die genannten Märchen nicht hinweghelfen. Nur das Ende versöhnt, und Wehmut bleibt beim Gedanken an Charlie, Leah und Radar zurück.

Du willst den nerdigen King-Artikel später lesen? Dann lade dir das PDF hier herunter.

Es war einmal der Stil

King erzählt mit einer angenehmen Erzählstimme in der Ich-Perspektive. Er baut die Handlung rund um Charlie langsam auf. Und wenn wir ihn ins Herz geschlossen haben, bringt er eine andere, diese dunkle, Seite ins Spiel, das schafft wenig Vertrauen, irritiert nahezu. Der Gruselfaktor bewegt sich kaum voran: Der verschlossene Schuppen, mit den seltsamen Geräuschen im Inneren, der geheimnisvolle, aber zu wenig schrullige, eher sympathische alte Nachbar, der es hasst, auf Hilfe angewiesen zu sein und wiederholt betont: Nicht schnüffeln. Und da wäre Charlies Mantra, in dem er Gott das Versprechen gegeben hat, nur Gutes zu tun, damit sein Dad nicht mehr dem Alkohol verfällt. Und Versprechen heißen in King-Romanen oft nichts Gutes. All das lässt den Horror im Kleinen erahnen, doch tatsächlich kommt es anders.

Es war einmal die Durchquerung des Kingschen Universums

Stephen King ist bekannt für Querverweise zwischen den eigenen Romanen, das hat sich in »Fairy Tale« nicht geändert. Mehrmals erwähnt er »Cujo« (1981). Roland und der dunkle Turm werden aus dem Gedicht von Robert Frost zitiert, das Stephen King anregte, die sieben-einhalb-bändige Saga um ebendiesen zu schreiben. »Lange Tage und angenehme Nächte«, das Zitat aus der Dark Tower Saga erwähnt Charlie gegenüber Kellin und erklärt, sein Vater hätte es aus einem Buch. Auch Kellin selbst ist ein Charakter aus dem Dunklen-Turm-Zyklus (1982-2012).

Und da wäre noch das Krankenhauszimmer, in dem Mr. Bowditch liegt, es trägt die Nummer 322, wie das Zimmer in der Kurzgeschichte »Der Glüggsbringer« (1995) aus seiner Kurzgeschichtensammlung »Im Kabinett des Todes« (2002). Unbeabsichtigt ist vermutlich die Erwähnung von Mrs. Silvius. Ein Name, der in »Brennen muss Salem« (1975) einmalig vorkommt (Lester Silvius). Ebenso Coach Harkness – eine weibliche Harkness taucht in »Todesmarsch« (1979) auf. In der Sycamore Street lebte in seinem Roman »Mind Control« (2016) Martine Stover – in »Fairy Tale« (2022) steht dort das Haus mit der Nummer 1 von Mr. Bowditch.

Inhaltlich finden sich zu Beginn Parallelen zu »Mr. Harrigans Phone« – der alte, einsame, reiche Mann und der Junge, dessen Mutter früh starb.

Es waren einmal zufällige Parallelen

Stephen King wuchs nur mit einem Elternteil auf, sein Vater starb nicht, verließ aber die Familie früh. Der Alkoholismus von Charlies Vater, der – wie King im Text stark betont – sonst ein guter Vater ist, deutet auf King selbst hin, denn er hatte in den Anfängen seiner Karriere ein großes Alkohol- und Drogenproblem. Und dann erinnern wir uns an den dramatischen Unfall, bei dem Stephen King am 19. Juni 1999 überfahren wurde und dem Tod nur knapp von der Sense hüpfte. Mr. Bowditchs Erlebnisse im Krankenhaus, die Schmerzen, die Klammern im Bein wirken authentisch und – bedingt durch Hintergrundwissen – wie eine True Story. Und da wäre noch Radar – die alte Schäferhündin.

Stephen King hat in vielen seiner Romane und Kurzgeschichten Hunde erwähnt. Aber noch nie hat er die Liebe zwischen Halter und Hund und den altersbedingten Verfall so quälend intensiv und realistisch wie in »Fairy Tale« beschrieben.  

Aber gehen wir zurück zu den phantastischen Parallelen.

Peterkin, das Rumpelstilzchen im Buch, klingt dem englischen Rumplestiltskin sicherlich nicht aus Zufall ähnlich.
Das Haus Gallien (in der dt. Übersetzung nur mit einem »L«) ist keltischen Ursprungs und Perzival, der sich als Retter erweist, kommt aus der Artussage.

Das Böse, der Endgegner mit dem klingenden Namen Gogmagog stammt aus der Bibel. Gog aus dem Lande Magog –  der an der Seite von Satan in den Krieg zieht. Christus – im Buch sind es Charlie und Leah – halten sie auf. In einigen Erläuterungen heißt es, Gog aus Magog sei der Teufel selbst, was zu Kings Geschichte ebenfalls passen würde. Bella und Arabella sind Namen bzw. Figuren, die aus verschiedenen Märchen entsprungen sein könnten.

»Fairy Tale« ist eine Hommage an die große Welt der phantastischen Geschichten und die Geschichtenerzähler:innen.

Zahlreiche Autoren, Personen, Romane und Filme erwähnt Stephen King in »Fairy Tale«. Die nachfolgenden Aufzählungen sind vermutlich nicht komplett. Die gesamte Erzählung ist wie ein Potpourri vieler kleiner Mythen und Märchen, oft eindeutig benannt, manchmal kaum erkennbar. Das zentrale und am Ende wichtigste Märchen ist »Rumpelstilzchen«, obwohl ich mir gewünscht hatte, die Handlung wäre stärker eingebunden.

Auffallend ist, dass Stephen King nur männliche Personen namentlich erwähnt, obwohl er kein Problem mit Diversität hat.

»Fairy Tale« widmet er REH, ERB und HPL, was Robert E. Howard, Edgar Rice Burroughs und H.P. Lovecraft sein werden.

Nachfolgende Autoren, deren Buchtitel oder / und Universum kommen in »Fairy Tale« vor:

Piers Anthony, Ray Bradbury, August Derleth, Charles Dickens, »Sherlock Holmes« (Arthur Canon Doyle), Henry Kuttner, H. P. Lovecraft (Necronomicon, Cthulhu), Dan J. Marlowe (»Das Spiel heißt Tod«), George R. R. Martin (»Game of Thrones«), E. A. Poe, Clark Ashton Smith, R. L. Stine (»Spiegelbild der Rache«) und auch M. C. Escher – der Geschichten in Bildern gemalt hat.

Benjamin Franklin, Donald Trump und Barack Obama werden namentlich erwähnt. Wer davon phantastische Geschichten erzählt hat, überlasse ich der Fantasie der Leser:innen.

Donald Sutherland ist dabei, der im Oktober 2022 den Mr. Harrigan in der King-Verfilmung »Mr. Harrigans Phone« gespielt hat. Vermutlich eine seiner letzten Rollen.

Es waren einmal viele viele bunte Märchen

»Aliba und die 40 Räuber« (Sesam öffne dich), »Alice im Wunderland«, »Arielle, die Meerjungfrau« (Anm.: Im Buch Erwähnung der Disney-Version – »Die kleine Meerjungfrau« ist von Hans Christian Andersen), »Der gestiefelte Kater«, »Der Wolf und die drei kleinen Schweinchen«, »Die Gänsemagd«, »Die zertanzten Schuhe«, »Goldlöckchen«, »Hänsel und Gretel«, »Jack und die Bohnenranke«, »Pinocchio«, »Rapunzel«, »Rotkäppchen«, »Rumpelstilzchen«, »Siebenmeilen Stiefel« und »Der Zauberer von Oz«. Ein Hinweis zu »Die roten Schuhe« von Hans-Christian Andersen könnte ebenfalls im Buch stecken. Vielleicht meint King aber auch die roten Schuhe der bösen Hexe des Ostens aus der Oz-Verfilmung mit Judy Garland, denn im Originalbuch sind die Schuhe weiß. Mr. Heinrich – der gierige deutsche Juwelier – könnte nach dem Märchen »Der Froschkönig und der eiserne Heinrich« benannt worden sein.

Es war einmal die Leinwand

»Fairy Tale« ist nicht nur ein Quell für Buchliebhaber:innen, sondern auch für Filmfans. Manchmal nennt Charlie die Schauspieler (ja, Männer), seltener nur die Zitate wie: »Hallo, mein Name ist Inigo Montoya. Du hast meinen Vater getötet. Jetzt bist du des Todes.« Das kennen die älteren Jahrgänge alle. Das Zitat stammt aus »Die Braut des Prinzen« (Buch von William Goldmann).

Außerdem:

»Der Exorzist«, »Das Ding aus einer anderen Welt«, »Psycho« (Norman Bates), »M.A.S.H.«, »Annie Oakley«, »Wild Bill Hickok«, »Die Tribute von Panem«, »Captain Kangaroo«, »Crusader Rabbit«, »Todesangst bei jeder Dämmerung« (Edward G. Robinson, George Raft), »The Voice«, »West Side Story«, »Flucht ins 23. Jahrhundert«, »Botschafter der Angst«, »Das Böse kommt auf leisen Sohlen«, »Star Wars« und »Game of Thrones«, »Abbott und Costello« und »Columbo«.

Die genannten Hefte und Magazine schenken wir uns an dieser Stelle.

Noch eine mögliche Parallele: Charles Reade war ein englischer Schriftsteller (1814-1884). Vielleicht nur ein Zufall.

Es war einmal die Übersetzung

Stephen Kings Romane und Storys wurden seit seiner ersten Romanveröffentlichung 1974 von zahlreichen Übersetzer:innen ins Deutsche übersetzt. Darunter u.a. Uwe Anton, Wulf Bergner, Jürgen Bürger, Andrea Fischer, Joachim Körber, Hedda Pänke, Hannes Riffel, Peter Robert oder Jochen Schwarzer. Sogar Wolfgang Hohlbein hat am Anfang seiner Schreibkarriere einmalig eine Kurzgeschichte von Stephen King übersetzt. Seit »Doctor Sleep« (2013) ist Bernhard Kleinschmidt (Hinweis: Interview mit Bernhard Kleinschmidt in phantastisch! 93) der Stammübersetzer von Stephen King. Übersetzungen sind ein Job mit engem Zeitfenster. Am Ende reicht es kaum für ein Lektorat. Das zeigt sich auch bei dieser Ausgabe. Mehr Wertschätzung gegenüber der Geschichte, dem Autor und dem Übersetzer wären wünschenswert.

In »Fairy Tale« fehlen vereinzelt Buchstaben oder Wörter. Außerdem ist Charlie im Klappentext drei Jahre alt, im Text zu Beginn sieben, am Ende acht (Seite 632: »Den kannte ich gut, obwohl ich beim Tod meiner Mutter erst acht gewesen war.«) Im Original steht auf Seite 424 korrekt »seven«.

Solche kleinen Ungereimtheiten stören den Lesefluss.

Im Original wird Empis als the Other bezeichnet, die deutsche Übersetzung macht daraus Anderwelt, der als fester Begriff der keltischen Mythologie verwendet wird, ebenso wie Gallien. Doch das Haus Gallien wird in der deutschen Übersetzung nur mit einem »L« geschrieben. King hat in »Fairy Tale« verschiedenste Mythen und Märchen in einen großen Topf geworfen und kräftig umgerührt. Warum die deutsche Ausgabe sich für die Bezeichnung Anderwelt, aber gegen die reguläre Schreibweise von Gallien entschieden hat, bleibt das Geheimnis von Verlag und Übersetzer.

Es war einmal das große Ich

Ich erinnerte mich nur an wenige Romane, die Stephen King in der Ich-Perspektive geschrieben hat. Allesamt, glaubte ich, neueren Datums. Das wollte ich genau wissen und habe mich durch die deutschen Ausgaben im Bücherregal geblättert. Wer bis hierhin durchgehalten hat – Respekt – jetzt kommt der Mega-Nerd-Bonus. Und dann ist auch gleich Schluss. Versprochen!

Seit Carrie im Jahre 1974 hat Stephen King 54 Romane publiziert, sieben weitere unter seinem Pseudonym Richard Bachman, 24 Novellen, die in fünf Sammelbänden zu finden sind. Außerdem drei Sachbücher, eine Essaysammlung, 89 Storys in sechs Kurzgeschichtenbänden (plus zahlreiche weitere in Fremd-Anthologien). Dazu kommen Sachartikel und neunzehn Drehbücher, darunter zwei die publiziert wurden: »Der Werwolf von Taker Mills« (1985) und »Der Sturm des Jahrhunderts« (1999). Zudem schrieb er zusammen mit Richard Chizmar an der »Gwendy«-Trilogie (2017-2022).

Für die Analyse der Ich-Perspektive habe ich nur die Romane und Novellen betrachtet. Dass er die Sachbücher »Danse Macabre« (1981) und »Das Leben und das Schreiben« (2000) in der Ich-Perspektive geschrieben hat, liegt in der Sache des Textes.

Aber schreibt King wirklich mehr Romane im Namen seiner Protagonisten?

  • »Carrie« erschien 1974, die Erzählung, die zwei Mal verfilmt wurde, enthält einzelne Szenen in der Ich-Perspektive. Immer dann, wenn aus Susan Snells Tagebuch zitiert wird.
  • 1982: »Frühling, Sommer, Herbst und Tod« – Novellensammlung, drei von vier in der Ich-Perspektive: »Shawshank Redemption/Pin Up«, »Stand by my/Die Leiche«, »The Breathing Method/Atemtechnik«
  • 1983: »Christine«
  • 1992: »Dolores«
  • 1996: »The Green Mile«
  • 1998: »Sara«
  • 1999: »Herzen in Atlantis«
  • 2002: »Der Buick«
  • 2008: »Wahn«
  • 2008: »Duma Key«
  • 2010: »1922«
  • 2010: »Blockade Billy«
  • 2011: »Der Anschlag«
  • 2013: »Joyland«
  • 2014: »Revival«
  • 2021: »Später«
  • 2022: »Fairy Tale«

Das sind achtzehn Romane bzw. Novellen. Die Jahreszahlen zeigen: Stephen King wählt in den letzten Jahren häufiger die Ich-Perspektive. Ob das wichtig ist? Nein, fällt unter Nerd-Wissen. Denn am Ende zählt nur eins: Die Geschichte.

Es war einmal ein Fazit

Der erste Teil von »Fairy Tale« ist die tiefgründige Geschichte einer Freundschaft zwischen einem Teenager, einem alten Mann und einem Hund, mit einer klaren Botschaft, die sich bis zur Hälfte des Buches erstreckt: Wenn du Gutes tust, ist Gott dir wohlgesonnen. »Fairy Tale« handelt von Freundschaft, Verbundenheit, vom Nicht-loslassen-Können und vom Opfer bringen.

Der zweite Teil ist eine Geschichte zwischen »Stranger Things« und der Welt über der Bohnenranke, von Flüchen, Prinzessinnen und einem Semi-Happy End. Eine brillante Geschichte mit kleinen Schwächen. Aber Stephen King ist 75 Jahre alt. Und mal ehrlich, wir wünschen uns doch alle, solche Geschichten schreiben zu können – (nicht nur) in dem Alter.

Seien wir gespannt wie die Verfilmung die Schwächen auflöst und die Stärken ausarbeitet, denn die Filmrechte waren schon bei Erscheinen des Buches verkauft. Paul Greengrass will das Buch in cineastische Szenen setzen. Er hat die Filmrechte für einen symbolischen Dollar bei Stephen King erstanden.

Und am Ende leben sie glücklich und zufrieden, bis der nächste Buchdeckel geöffnet wird

Stephen Kings nächster Roman »Holly« (<- Lies die Rezension) handelt von Holly Gibney, dem Charakter aus der »Mr. Mercedes Trilogie« (2014-2016), dem Roman »Der Outsider« (2018) und der titelgebenden Geschichte in der Novellensammlung »Blutige Nachrichten« (2020).

Wir werden ihn lesen, mit allen Stärken und Schwächen. Natürlich. Es ist ein King!


Das Interview erschien im Januar 2023 in der phantastisch!! #89 (Atlantis Verlag). Das Magazin ist als Print-Ausgabe und PDF zum Download für z.B. deinen Kindle verfügbar.

Vielen Dank an den Atlantis Verlag und den Redakteur Klaus Bollhöfener.

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