Gruselgeschichten erzählten sich die Menschen seit Anbeginn der Zeit, in kalten Nächten, wenn Nebelschwaden an den Fenstern vorbeizogen und ein helles, rotes Feuer in der Feuerstelle flackerte. Sie handeln von Wahn, Mord, Geistern und unvorstellbaren Phänomenen. In den achtziger und neunziger Jahren gab es eine Vielzahl an Anthologien mit phantastischen Kurzgeschichten verschiedener Autorinnen und Autoren. Heute sind diese Sammelbände selten geworden. Ein Grund auf sie hinzuweisen.
Der Dumont Verlag hat im Oktober 2023 »Schaurige Nächte« herausgebracht. Auf 288 Seiten reihen sich acht Schauergeschichten aneinander, die – so der Pressetext – perfekt für lange Winternächte sind. Nun werden die Nächte langsam wieder kürzer, was den Vorteil hat, du musst das Licht in der Nacht nicht zu lange brennen lassen – das spart Strom. Denn Gruseln funktioniert auch nach der Tag-und-Nachtgleiche.
Ins Buch geschaut
Ein sehr schick gestaltetes Hardcover mit Schutzumschlag, Goldfolienprägung, farbigem Vorsatzpapier und Lesebändchen. Der Originaltitel lautet „The Haunting Season – Ghostly Tales for Long Winter Nights“, erschien 2021 bei Sphere und stand auf der Sunday-Times Bestsellerliste. Ins Deutsche übersetzte Werner Löcher-Lawrence alle acht Geschichten.
Viele der Storys spielen in der viktorianischen Zeit, in der Frauen keine Rechte hatten, Hochzeiten arrangiert wurden, Kutschen tiefe Furchen in den Schlamm fuhren und Ärzte wenig Erfahrung besaßen.
Eine Studie in Schwarzweiss von Bridget Collins
Eine kleine Gruselgschichte über ein Geisterhaus mit dem Schwerpunkt Schach. Die Story hat mir gut gefallen, die Idee war interessant, die Sprache atmosphärisch dicht.
Thwaites Mieter von Imogen Hermes Gowar
Eine junge Frau flüchet mit ihrem Kind vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Ihr Vater bringt sie in ein Haus, in dem er seine Liebschaften getroffen hat. Er unterstützt sie jedoch nicht wirklich und will sie zu ihrem Ehemann zurückbringen. Das Haus wird von Geistern bewohnt, die am Ende jedoch sehr hilfreich werden. Thwaites Mieter gefiel mir nur bedingt, was wohl am Thema lag. Die fehlende Wertschätzung der Frau wurde hier stark ausgearbeitet, was schon an sich schaurig ist.
Die Aal-Sänger von Natasha Pulley
Hier kann ich nicht viel über den Inhalt sagen, da ich die Story abgebrochen habe. Warum? Ich bin mit Stil und Story nicht warm geworden.
Lilly Wilt von Jess Kidd
Über einen Fotografen, der – zur Erinnerung der Hinterbliebenen – Tote ablichtet und sich dabei in einen Geist verliebt. Eine ähnliches Thema habe ich schon von anderen Autor*innen gelesen. Jess Kidd gelingt es eine geschichtliche Thematik mit schauriger Phantasie gut miteinander zu verstricken.
Chillinghams Rollstuhl von Laura Purcell
handelt von einem vom Geist besessenen Rollstuhl, der am Ende einen Mord aufklärt. Auch hier ist das Thema Familie, arrangierte Heirat und fehlende Wertschätzung der Frau. Mich hat die Geschichte an „Blaubarts Zimmer“ von Angela Carter erinnert.
Das Hängen des Grüns von Andrew Michael Hurley
Ein Potpourri aus unangenehmen Themen findet sich in dieser Geschichte wieder: Alkohol, Visionen, Mord, abgelegene Orte, verrückte Gedanken, Exorzismus und totaler Wahn.
Gefangen von Kiran Millwood Hargrave
Gefangen gehalten wird eine schwangere Frau. Sie wird in einem Zimmer eingesperrt, bekommt dort ihr Baby und soll, laut Arzt und Hebamme, eine Woche lang im dunklen bleiben, um zu Kräften zu kommen. Allein das ist so absurd, dass es wahrlich schaurig ist. Zu all der medizinischen Unwissenheit wird die junge Mutter von einer Hexe heimgesucht, die sich ihr Baby holen will.
Beste Story im Buch, die – tragischerweise – auf einer wahren Begebenheit beruhen soll.
Ungeheuer von Elizabeth Macneal
Auch hier – im Jahre 1838 – wird eine Ehe vollzogen, ohne Liebe, sondern weil es so passt. Der Gatte lechzt nach Aufmerksamkeit und geht dabei über Leichen. Doch seine Reue verwandelt sich in Wahn.
Fazit
»Schaurige Nächte« ist ein schön gestaltetes Hardcover mit acht Kurzgeschichten, die mich gut unterhalten, aber nicht gegruselt haben. Der Großteil der Storys spielt im 19. Jahrhundert, einem Schauplatz, der zu den phantastischen und gruseligen Phänomenen, schaurige, wenn auch reale Themen bietet. Einfach mal reinlesen!
Hinweis:
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Danke an den Dumont Buchverlag für das Rezensionsexemplar.