Manchmal sind die Dinge eindeutig, der Weg klar, der Moment entschieden.
Als wir dich das erste Mal sahen, wussten wir nicht, dass du es bist. Bei der Hinfahrt zu deiner Pflegefamilie hatten wir den Namen für einen Kater ausgesucht: Spike. Doch als wir dort ankamen, gab es zwei von deiner Sorte.
Wir konnten uns nicht entscheiden und nahmen euch beide mit.
Ihr wart zart.
Meinen menschengroßen Fingerbaum habt ihr in nur zwei Wochen zerrupft und uns mit eurem unendlichen „Süß-Sein“ um die Pfote gewickelt.
Ihr habt bei mir im Bücherregal geschlafen, eingemummelt in einer Decke, auf dem untersten Brett, hinter meinem Schreibtischstuhl. Ich schrieb dabei an einem Roman. Wir beruhigten uns gegenseitig.
Wenn ihr vom Spielen erschöpft eingeschlafen seid – an unterschiedlichen Stellen – habe ich euch zusammengelegt, damit ihr euch wärmen konntet. Ihr wart so klein. Du, Spike, und dein Bruder Shadow.
Als ihr etwas größer wurdet, kennzeichneten wir dich – Spiky – mit einem roten Halsband, damit wir euch unterscheiden konnten.
Erst mit einem halben Jahr, vielleicht etwas mehr oder weniger, konnten wir euch auseinanderhalten. Du, Spike, bliebst zart und verletzlich, dein Bruder Shadow wurde ein zartbesaiteter, rustikaler Macho – er hat nach dir gefragt.
Du hattest grüne Augen und eine unverwechselbare Schnute. Shadows Augen sind grun mit Sprenkeln und kugelrund. Er schaut immer böse. Aber du weißt, das ist er nicht.
Mit drei oder vier Jahren – ich weiß es nicht mehr genau – wurdest du krank. Chronisch krank. Du bekamst zahlreiche Spritzen, immer wieder, über Jahre hinweg, nahmst täglich Tabletten jahrelang. Medizin, die eigentlich nur über einen kurzen Zeitraum eingenommen werden sollte. Aber ohne Tabletten brach die Entzündung wieder aus, die Schmerzen kamen. Wir litten mit dir. Mehrere Operationen hast du über dich ergehen lassen, so lange, bis kein Zahn mehr in deinem Mund übrig blieb. Du hast weiter gemacht. Ein Geschwür am Bauch – es wurde entfernt. Alles heilte ab. Es ging dir besser, es ging dir schlecht, es ging dir besser, es ging dir schlecht. Wir kämpften immer wieder um deine Gesundheit.
Ständig.
Wir rechneten wöchentlich damit, diesen einen Schritt gehen zu müssen, den jeder Tierbesitzer scheut. Doch du gabst nicht auf. Du wolltest uns noch nicht alleine lassen. Dafür danken wir dir. Für die Zeit, die du mit uns verbracht hast, die du uns geschenkt hast, die du für uns da warst.
Beinahe elf Jahre bist du geworden. Jung für einen Kater, aber steinalt für dich. Wie hast du das nur geschafft? Wir sind stolz auf dich.
Du warst unser Schneewittchen:
Wer hat aus meinem Glas getrunken? Spike! Wer hat von meinem Teller gegessen? Spike! Wer hat in meinem Bett geschlafen? Spike!
Cainéal und Sugar haben sich stets um dich und deinen Bruder gesorgt. Cainéal hat nach dir gefragt.
Sugar… Sugar, wartet nun auf dich. Er ging zu früh. Ihr geht immer zu früh.
Du hast alles geliebt, war wir gegessen haben. Kuchen, Eintopf, Suppe, Dessert. Und musstest immer nah dabei sein. Beim Kochen, Backen, Essen.
Als du noch Zähne hattest – Spiky – hast du uns Chips aus der Hand geklaut. Spike, der schwarze Blitz – so schnell konnte keiner gucken. In den letzten Jahren bist du langsamer geworden. In den letzten Wochen sonderlich, ein bisschen dement und redselig.
Wir wussten, jetzt ist der Tag nicht mehr lange fern. Wir würden uns verabschieden müssen – von dir, Spike.
Aber es fiel uns schwer. Wir verschoben diese Endgültigkeit bis es nicht mehr ging.
Nun bist du von uns gegangen. Eingeschlafen in aller Ruhe. Wieder hast du es uns damit leichter gemacht. Doch leicht ist es nicht, wird es nie sein. Du fehlst, Spiky. Jetzt. Und wirst es immer. Du bist der schwarze Kater mit dem roten Halsband, der Spike ohne Zähne. Spike mit der süßen Schnüss. Spike eben! Einzigartig.
Wir vermissen dich.