Machs gut, mein Freund, der Kastanienbaum.
Als ich dich das erste Mal sah, wusste ich, dies wird mein Garten. Es gab nur dich und vier andere Bäume – ein Hein, schützend und schön.
Du ragtest über Alles hinaus. Unter dir gab es nur ein matschiges Feld, das die Vorgänger und Mitbewohner nicht bestückt hatten. Alle sagten, dort würde nichts wachsen, weil du das Licht und die Nährstoffe raubst. Ich wollte das nicht glauben. Heute stehen dort Blumen und Büsche, Kräuter und Rosen. Noch nicht perfekt, aber ich arbeite daran. Deine Schuld ist es nicht. Du warst über all die Jahre wunderbar.
Du hast den Blumen – und uns – im Sommer Schatten gespendet und gabst den Vögeln ein Zuhause. In dir wohnten Kolonien von Insekten. Die Mäuschen liefen ihre an deinem Stamm ihre angefutterten Kalorien ab. Im Weinter, wenn der Schnee auf dir lag, hast du die Schneekönigin wahr gemacht!
Du warst schon alt, als wir uns kennen lernten. Mit deinen deinen bezaubernden, weißen Blüten hast du uns jedes Jahr erfreut. Zu früh hast du sie abgeworfen und den Boden damit bedeckt, als wäre dort vorher eine frisch vermählte Braut her gegangen. Nur Früchte hast du nie getragen.
In den letzten Jahren hat dich die Minierraupe geärgert und deine Blätter gefressen. Die Spatzen haben geholfen sie zu eliminieren. Sie liebten dich auch.
100 Jahre alt bist du geworden, vielleicht ein bisschen mehr. Dreißig Meter hoch und einen Stamm von 270 cm. Stattlich. Doch du bist zu früh gefallen.
Das heiße Wetter, die warmen Winter. Der Klimawandel.
Wir haben dich jeden Sommer gegossen, dein früh fallendes Laub entfernt, damit die Minierraupe verschwindet. Wir konnten sie nicht bekämpfen.
Sie hat dich geschwächt, du starker Baum.
Das Bakteriums Pseudomonas syringae pv. aesculi hat dich erwischt. Dagegen gibt es keine wirksame und dauerhafte Medizin.
Nun bist du fort.
Es tut mir leid. ich bin sehr traurig.
„Mein Freund, der Baum ist tot
Zitat, Lied: Alexandra
Er fiel im frühen Morgenrot.“
Das Taubenpärchen, das all die Jahre kam, muss sich nun ein neues Zuhause suchen, die Spatzen wissen nicht wohin, die Mäuse sind verschreckt und das Eichhörnchen hat sich verkrochen.
Wir wohnen inmitten der Stadt, doch du hast dem Hinterhof Leben geschenkt.
Draußen sitzen wird nie wieder so wie früher. Aus dem Fenster mag ich gar nicht mehr schauen, du fehlst! Du warst für mich der Wald in meinem Garten, die Grenze zu den Häusern rundherum, mein Lichtblick, der Schatten, das Leben, die Freude.
Du warst unsere Decke, unser Schatten, unsere Luft, unsere Farben, der Vorhang, der Trost.
Du warst großartig! Ich danke dir dafür.
Mein Freund, der Kastanienbaum! Lebe wohl! Ich vermisse dich schon jetzt!