Porträt Frank Schätzing – 2004

Frank Schätzing interviewte ich ursprünglich für das derzeit etwas verwaiste Online-Magazin Mr. Fantastik. Für phantastisch! stellte ich das Interview zu einem Artikel zusammen, der in der 15. Ausgabe (3/2004) erschien. Zahlreiche Links zu weiteren Artikeln und Websiten befinden sich am Ende dieses Eintrags.

»Das Leben ist schön.«

Ein Porträt über Frank Schätzing von Nicole Rensmann

Der deutsche Literaturmarkt weist – bei genauer Betrachtung – ein breites und sehr interessantes Spektrum auf. Einen Teil davon erobert nun der 1957 geborene Kölner Frank Schätzing.

Mit seinem Roman »Der Schwarm«, nach einer vierjährigen akribischen Recherche bescherte das künstlerische Multitalent dem Verlag Kiepenheuer & Witsch nicht nur den umfangreichsten Roman, der im Hause KIWI jemals verlegt wurde, sondern schon kurz nach Veröffentlichung ein Interessenspektrum bei den Medien, zu Hörbuch – und Taschenbuchrechte, das seinesgleichen sucht.

Zunächst studierte Frank Schätzing jedoch Kommunikationswissenschaften und arbeitete als Creative Director in Internationalen Agentur-Networks. 1990 gründete er mit einem Partner die Werbeagentur INTEVI, ebenso wie das Aufnahmestudio Sounds Fiction, in dem er seine Kreativität als Musikproduzent und Komponist auslebt.

Für seine literarischen Werke wurde Frank Schätzing 2002 mit dem Köln Literaturpreis ausgezeichnet.

Trotz des großen Erfolgs seiner Bücher möchte er keinen seiner Berufe missen. »Es ist gerade diese Vielfalt, die Spaß macht. Sicher werden sich die Schwerpunkte verlagern. Im Tagesgeschäft der Agentur kürzer treten, dafür mehr übergreifende Kreativkonzepte und Strategien für Unternehmen entwickeln, sofern mich die Aufgabe reizt. Auf alle Fälle weiter komponieren und produzieren. Schreiben, Musik, Performance, ruhig auch mal einen Film drehen. Je mehr kreative Register man ziehen kann, desto spannender das Resultat.«

Außerdem kocht er gerne und sammelt Single Malt Whisky. Zusammen mit seiner Frau Sabina lebt er in Köln.

Selbst liest er vorwiegend Sachbücher und sagt: »Belletristik kommt zu kurz, leider das einzige Manko, wenn man auf so vielen Hochzeiten tanzt wie ich. Zuletzt habe ich immerhin Eco’s »Baudolino« geschafft, nettes Intellektuellenabenteuer. Crichtons letztes Buch »Prey« fand ich enttäuschend, anderes von ihm gefällt mir. Ich mag gute Thriller. Außerdem: »Harry Potter V« steht an, Uwe Timms »Am Beispiel meines Bruders«, Frenzen’s »Korrekturen«, und vielleicht nehme ich mir mal wieder die Bücher von Stanislaw Lem vor – seit Jahren nicht mehr reingeschaut und damals heiß geliebt.«

Da er Ruhe beim Schreiben benötigt, arbeitet er meist nachts zu Hause an seinem Laptop oder aber – als krassen Gegensatz – im Brauhaus Päffgen in der Friesenstraße. Denn, so Frank Schätzing: »Da ist es so laut, dass es schon beinahe wieder ruhig ist.«

Schlaf empfindet der sympathische Allround-Kreative als Zeitverschwendung und die Tage als zu kurz.

Schon während der Schulzeit schrieb er gern, meist Aufsätze oder Gedichte. 1986 verfasste er einen 1000-seitigen Science–Fiction–Roman, den er aber – so erzählt Frank Schätzing – als eine Fingerübung und Abarbeitung gängiger Science-Fiction-Klischees sieht. Eine nette Grundidee über den letzten Rest Menschheit in ferner Zukunft, aber aus heutiger Sicht nicht druckbar, meint er weiter.

Ab 1995 schrieb er in der Reihe Köln Krimis für den Emons Verlag. Sein erster Krimi »Tod und Teufel« spielt im mittelalterlichen Köln und erreichte eine Auflage von 250.000 Exemplaren. Für die Hörbuchfassung komponierte er selbst den Soundtrack.

Nach dem kulinarischen Krimi »Mordshunger« von 1996 folgte ein Jahr später der Roman »Dunkle Seite«. Und ebenfalls 1997 der Sammelband »Keine Angst«, in dem sich sieben phantastische Geschichten präsentieren. Die Musik zu dem gleichnamigen Hörbuch stammt von der Band »The Black Lounge«, die Kompositionen von Frank Schätzing selbst.

Nach einer dreijährigen Schreibpause landete er im Jahre 2000 mit dem Polit–Thriller »Lautlos«, der von einem Attentat auf Bill Clinton während des Gipfeltreffens in Köln handelt, einen weiteren großen Erfolg.

1996 begann er – im Auftrag des Lions Club Deutschland – sich ausführlich mit der Chaos–Theorie zu beschäftigen, was sich auch in seinem aktuellen Roman »Der Schwarm« wiederspiegelt.

Mit einer Erstauflage von 100.000 Exemplaren des bei Kiepenheuer & Witsch erschienenen Romans wird er an seinen Ersterfolg nicht nur anknüpfen, sondern diesen vermutlich sogar überholen. Die Taschenbuchrechte gingen mit einer sechsstelligen Summe an den S. Fischer Verlag, der HÖRVERLAG erwarb die Rechte an der Hörbuchversion. Das Buch wird zudem auch beim Bertelsmann Buchclub zu haben sein. Laut der Verlagsseite herrscht weltweites Interesse an »Der Schwarm«.

Ohne einen Traum, in dem Frank Schätzing über einem Ozean schwebte, durch den ein riesiger Schwarm von übergroßen Fischen zog, wäre »Der Schwarm« nie geschrieben worden. Auf stilistisch sauberen Boden bewegt sich der Autor mit seinem Roman und bedient sich selten gängigen Klischees.

Die detaillierten Beschreibungen und Erklärungen – häufig gut verpackt in Dialogen – beweisen die vierjährige Recherche, auch im Kreise fachmännischer Wissenschaftler. »Der Schwarm« ist eine Mischung aus vielen bekannten, utopischen Filmen und Büchern, in denen sich die Umwelt gegen die Menschheit richtet. Und doch deutet die Handlung im Laufe der Lektüre an, dass all die wissenschaftlichen Erklärungen nicht fiktiv sind.

Ein bitterer Nachgeschmack bleibt zurück. Frank Schätzing sagt dazu: »In “Lautlos”, dem Vorläufer zum Schwarm, habe ich über internationalen Terrorismus geschrieben, ein Jahr vor dem 11.September. Ich habe ziemlich tief geschürft und eine Menge erfahren, und zeitweise wurde mir ziemlich mulmig. So was geht einem näher als die Vorstellung eines 30-Meter-Tsunamis oder mutierter Lebewesen. Grundsätzlich habe ich als Erfinder der Geschichten den größtmöglichen Abstand zur eigenen Idee. Ich grusele mich jedes Mal lustvoll, aber nach Abschluss des Schwarms z.B. bin ich erst mal ans Meer gefahren und schwimmen gegangen.«

Nur mit dem Fliegen kann er sich nicht anfreunden, denn dabei müsste er einen Teil seines kontrollierten und durch Eigenregie funktionierenden Alltags in die Hände eines fremden Piloten abgeben. So bleibt er auf dem Boden der Tatsachen und lässt sich auch bei den Lesungen die Fäden nicht aus der Hand nehmen. Je nach Veranstaltungsort gestaltet er diese multimedial: mit musikalisch untermalten Auszügen aus den Büchern, Zwischenfilmen, kleinen Gags und Special Effects.

Wichtig ist ihm dabei, den Leser und Zuhörer gut zu unterhalten, und obwohl er

einen gewissen Abstand zu seinen Fans pflegt veranstaltete er für »Der Schwarm« ein Quiz, in dem er eine Hauptrolle verloste. Doch, so erzählt er, nur der Gewinner selbst und die engsten Vertrauten erkennen diese Person.

In dem von ihm mitgegründeten Musikstudio Sounds Fiction produziert er das Hörbuch zu »Der Schwarm« und die Musik für seine Lesungen. Meist nimmt er dort auch Filmmusik auf.

»Genutzt werden dabei alle musikalischen Möglichkeiten und Stile, je nach Aufgabe. Daneben gibt es rein private Projekte, Musik zwischen Bowie, Björk und Peter Gabriel, klassische Elemente von Strawinsky bis Philip Glass, da ist der Bogen weit gespannt. Das alles entspricht durchaus meinem privaten Geschmack. Ich würde grundsätzlich nichts produzieren, das mir persönlich nicht gefällt«, erzählt Frank Schätzing.

Möglicherweise wird er sogar die Filmmusik für die Verfilmungen seiner Romane selbst komponieren und mischen? Das Talent und die Möglichkeiten besitzt er.

Für »Tod und Teufel« und »Die dunkle Seite« wurden Drehbücher geschrieben, und Interesse an »Der Schwarm« ist bei großen Studios vorhanden. Doch, so meint Frank Schätzing, eine Verfilmung unter 100 Millionen Dollar sei nicht denkbar. Wünsche äußert er dennoch: »Wenn ich mir einen Regisseur aussuchen dürfte, wäre es sicher Peter Jackson. Für Johanson gefiele mir George Clooney. Karen Weaver wäre offenkundig ein Fall für Angelina Jolie, aber viel lustiger stelle ich mir vor, da mal die schauspielerischen Qualitäten von Pink anzutesten. Und Judith Li ist eindeutig ein Fall für Lucy Liu oder Demi Moore.«

In der fiktiven Figur des norwegischen Biologen Sigur Johanson finden sich, so sagt er selbst, sicherlich einige Charakterzüge des Autors wider. Ob er einen Bezug zu George Clooney in diesem Zusammenhang sieht, bleibt allerdings offen.
Ebenfalls verrät er nicht das Thema seines neuesten Romans, das er wie einen kostbaren Schatz hütet. Darum warten wir gespannt, welches Werk uns der Allround-Kreative Frank Schätzing nach »Der Schwarm« präsentiert.

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