Offene Worte

Die eine Lektorin findet die Charaktere sehr gut ausgearbeitet, den Stil sauber und flüssig, den Fantasybereich aber zu „dünn“; die andere hält die Protagonisten für nicht deutlich abgegrenzt, die Aussprache zu gleich. Der dritte von mir persönlich hinzugezogene Lektor sieht das völlig anders. Worum geht’s? Genau, um »Romanicus« und erste Reaktion der Publikumsverlage. Interessant und durchaus ausschlaggebend: alle halten die Idee für gut bis hervorragend.
Wie erwähnt befand ich mich in einem kreativen Loch, das hing mit Renovierung, privater Hektik und Krankheiten der Kinder zusammen – irgendwann baue dann auch ich mal ab. Da ich aber nur ungern gar nichts mache, habe ich die ersten 160 Seiten an Hannes Windisch geschickt, mit der Bitte mir seine Meinung mitzuteilen.
Hannes hat schon »Anam Cara – Seelenfreund« und »Ciara« lektoriert. Lektorieren heißt hier: Er weist mich auf Mängel hin, die ich dann – manchmal nach praktischen Tipps – entsprechend umsetze.
Entdeckt habe ich Hannes vor Jahren im Horror-Forum. Dochdoch, ich darf schon behaupten, dass ich seine sensiblen Lektorfähigkeiten entdeckt habe und längst nutze nicht nur ich sein Können. Wenn er sein Studium beendet hat, plant er die Schiene des freiberuflichen Lektors einzugehen. Ich bin mir sicher, das ist eine gute Entscheidung.
Nun, wie dem auch sei, ich schilderte ihm mein Problem und die unterschiedlichen Meinungen und bat ihn um ein Urteil. Das fiel dann weitaus besser aus, als ich zunächst dachte.

Zitat: »Um es vorweg zu nehmen: Ich halte diesen Text klar für deinen bisher besten, gegenüber Ciara ist noch einmal ein deutlicher Fortschritt erkennbar. Vor allem in Sachen Formulierungssicherheit, Wortwahl, Stil etc.«
Das freute mich natürlich sehr, doch mir ging es um die Verbesserungsvorschläge, die sich auf einen Punkt konzentrierten. Ich nenne das Problem mal »Nic´s Fluchtsyndrom«.
Ich habe mich selbst unter Druck gesetzt und somit wesentliche Punkte im Text nicht ausgearbeitet und bin an wichtigen Stellen rasch vorbei gerannt. Schon beim ersten Überarbeiten, habe ich diese Mängel selbst erkannt, brauchte aber anscheinend noch mal den direkten Tritt in den Hintern, sie auch zu beseitigen.

Aber, warum flüchte ich durch die Geschichte?
1. Auch wenn ich nun einen Agenten habe, bedeutet das nicht, dass ich mich nicht weiterhin beweisen müsste. Im Gegenteil. Gut, Herr Meller wird mich aus irgendeinem Grund unter Vertrag genommen haben, das heißt für mich aber … ranhalten, zeig ihm, was du kannst und das schnell, schnell, bevor er sich die Zusammenarbeit anders überlegt.
2. Ich möchte rasch einen Bestseller produzieren (natürlich ist das Hirnverbrannt, aber …)
3. Angst vor Ideenklau
Ernsthaft, als paranoid veranlagte sensible Verschwörungstheoretikerin und „Was wäre wenn…“-Denkerin ist die Angst vorhanden. Der Verlag lehnt das Skript ab, gibt die Idee an den Hausautor weiter und schon stehe ich als Newcomer im Regen. (In diesem Fall würde ich dann aber doch meinem weiblichen Geschlecht und damit einer ausgeprägten Veranlagung zur bösartigsten Zicke aller Zeiten gerecht werden).
4. Jedes Jahr ein Buch veröffentlichen. Das funktionierte bis dato relativ reibungslos, doch mit zunehmendem Umfang der Bücher muss ich mich vielleicht von diesem anvisierten Ziel verabschieden. Mal sehen.

Diese Liste könnte ich vermutlich noch fortsetzen, ich möchte euch aber nicht langweilen.

Fazit:
10 Lektoren, 11 Antworten.
Ziehe dir aus jeder Antwort das für dich Aussagekräftige und Wichtige heraus.
Deinen Weg musst du nach wie vor selber suchen, deinen Stil alleine entwickeln.
Schreibe jeden Tag ein bisschen, aber setze dich nicht unter Druck, das schadet nur dem Text.
Messe dich niemals, was das Arbeitspensum betrifft, an bereits erfolgreichen Autoren.

Manuell habe ich die 160 Seiten jetzt noch einmal durchgeackert und mir zahlreiche Notizen an den Rand gemacht, diese werde ich in den nächsten Tagen oder auch Wochen – je nach dem wie mich der private Zeitrahmen eingrenzt – ausarbeiten.

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.