Mein Abend mit Torsten Sträter

Die Bühne. „Schau nicht in die Lichter!“

Ich gehe nicht auf Konzerte. Ist nicht mein Ding. Zu viele Menschen, zu laut, zu eng. Distanz mochte ich schon vor Corona gern. Theater, Musicals, Lesungen – jeder sitzt auf seinem Platz, am liebsten mit ein bisschen Abstand, das ist perfekt für mich. Seit Corona auf und ab wütet, war ich auf keiner Veranstaltung mehr. Es hat mir nicht gefehlt, doch als ich las, Torsten Sträter kommt nach Remscheid, hatte ich Lust mich in die Menge zu stürzen – mit Maske und der nötigen Distanz natürlich.

Der Veranstalter bietet zwei Plätze in einer Lounge an. Das klingt cool. Mit dem Gatten in einer Lounge den Abend verbringen und dabei Torsten live lauschen. Bitte, das geht doch. Erst nachdem die Karten bezahlt waren, nehme ich die Diskussion auf Facebook wahr und mir wird bewusst, gemütlich wird das nicht. Die Lounge besteht aus zwei Klappstühlen, die in einem auf dem Boden eingezeichneten Bereich platziert werden.

Okay, das konnte nur Torsten rausreißen.

Hey, Torsten!

Torsten Sträter kenne ich flüchtig virtuell. Als er noch nicht auf der Bühne stand, sondern kleine Horrorstorys schrieb, begegneten wir uns im Horror-Forum des Festa-Verlags. Ich war dort erst Userin, dann Moderatorin. Es war eine tolle Zeit. Das Schlichten der ewig gleichen Diskussionen und meine eigene wachsende Schreibarbeit sorgten dafür, dass ich das Horror-Forum verließ. Wie lange ich da war? Ich weiß es nicht mehr. Wann ich Torsten dort traf? Keine Ahnung. Es ist gut möglich, dass er Mitglied wurde, kurz bevor ich ging oder umgekehrt. Ich erinnere mich nur noch daran, dass er mir ein nettes Posting schrieb, vermutlich ging es um Stephen King. Egal. Seitdem klingelt es immer, wenn ich seinen Namen lese und seit einigen Jahren schaue ich – meist in der Mediathek – seine Sendung. Doch es verbindet mich noch mehr mit ihm. Das Thema Depressionen ist ein immer wiederkehrendes Problem, auch in meinem Kopf. Komplett befreien kannst du dich nicht davon. Depressionen kommen und gehen, manchmal bleiben sie nur kurz, manchmal schütteln sie dich kräftig durch, bis es dir gelingt sie wieder einzudämmen. Sein Engagement, aus persönlichen Gründen, bewundere ich.

Die Chance ihn live zu sehen und ihn somit zu unterstützen, musste ich nutzen. Schließlich konnte ich zu Fuß zum Veranstaltungsort gehen und – falls was dazwischen kommen würde – bei geöffnetem Fenster auch von zuhause aus zuhören. (Wenn er laut genug sprach!) Es kam nichts dazwischen.

In der zweiten Hälfte wird es merklich kühler. Das Lächeln sitzt noch.

So wars

Auf dem Schützenplatz sind für die aktuellen Sommer-Events 500 x 2 Plätze aufgebaut, Platz für 1000 Zuhörer. Der Schützenplatz grenzt direkt an den Remscheider Stadtpark und dient nicht nur als Veranstaltungsort für Trödelmärkte, Kirmes, Festivals oder Ausstellungen, sondern – wenn nichts davon stattfindet – auch als Parkplatz. Autos haben nun keinen Platz mehr. Wer nicht zu Fuß gehen kann, wie der Gatte und ich, muss versuchen, in den Straßen rundherum einen Parkplatz zu finden, was nur mit viel Geduld möglich ist.

Die Lounge #50

Der Tag beginnt kühl und bedeckt und ich frage unverbindlich beim Veranstalter nach, ob wir eine Decke mitnehmen dürfen. Die Antwort kommt schnell: Es ist erlaubt. Am Nachmittag kommt die Sonne heraus und die Hoffnung auf einen lustigen Abend, bei angenehmen Temperaturen, steigt. Mein Vorhaben, eine Decke mitzunehmen, verwerfe ich, zu meinem späteren Leid.

Beim Einlass werden Ticket, Nachweis nach 3G und die Tasche kontrolliert. In meiner Tasche stecken Taschentücher, eine Desinfektionsflasche und drei Bücher. Dazu später mehr. Die Bestuhlung besteht aus zwei Klappstühlen in einem mit Farbe eingezeichneten Bereich. Zwischen jeder einzelnen Zwei-Personen-Lounge gibt es ausreichend Abstand, was Torsten Sträter in seine Show einbaut – ein seltsamer Anblick, denn der Platz ist fast ausverkauft und – wie er meint – die letzte Reihe ist 1 km weit entfernt. Womit er nicht völlig Unrecht hat. Die Stühle sind nicht sonderlich bequem. Es sind in der Tat nur Klappstühle aus Kunststoff. Sitzkissen wären gut, wir setzen uns auf unsere mitgebrachten Pullis bis wir die anziehen müssen.

Kurz vor acht kommt ein Animateur auf die Bühne, er stellt sich als Marcel vor und versucht ein bisschen Stimmung zu machen. Das ist bei unserem Bergischen Gemüt ein schwieriges Unterfangen.

Dann kommt Torsten endlich und seine ersten Themen bestehen aus dem, was er sieht oder gesehen hat: Die Animation ans ich, 1000 Menschen in Zweier-Gruppen wie Mosaik platziert, die Bestuhlung, die Tatsache, dass er um zehn fertig sein muss – wegen Nachtruhe – macht ihn fertig. Er redet über Covid, aber nur wenig, über FFP2 Masken, Reinhold Messner, über Götterspeise, Silvester, seinen Sohn, Englischkenntnisse und vieles vieles anderes. Torsten Sträter bringt mit seiner Show das Publikum zum Lachen, außer das Pärchen neben uns. Dieses junge Paar sitzt zwei Stunden lang regungslos auf seinen Plätzen, während sich die Zuschauer ringsherum auf den unbequemen Stühlen biegen und sich die Tränen aus dem Gesicht wischen. In der Pause verschwinden sie und ich denke, die gehen jetzt, aber sie tauchen wieder auf und lassen die nächste dreiviertel Stunde über sich ergehen, ohne jegliche Regung.

In der zweiten Hälfte wird es merklich kühler und ich bereue, die Decke nicht mitgenommen zu haben. Ich ziehe meinen Pulli drüber, ritterlich verzichtet der Gatte auf seinen, sodass ich mir seinen Pullover noch um die Hüfte binde. Am Ende ist es so kalt, dass mir die Zähne aufeinanderklappern.

Bitte noch ein Autogramm

Um zehn ist es vorbei. Nachtruhe für die Häuser drumherum. Wie kriege ich jetzt noch ein Autogramm? Wir gehen um den Platz herum und sind nicht die einzigen, die eine Signatur wünschen. Ein junger Mann spricht Torsten durch den Bauzaun an. Und der lässt es sich nicht nehmen, seinen Fans Zettel oder Testergebnisse zu unterzeichnen. Dummerweise hat keiner einen Stift dabei. Da ich selbst ab und an Autogramme geben darf, habe ich immer einen Stift in der Tasche, den ich nun an Torsten weiterreiche. Für jede Unterschrift zehn Euro Leihgebühr und ich hätte mehr verdient als das gesamte 2021. Immerhin erhalte ich somit auch meine beiden Bücher signiert und kann ihm „Niemand“ in die Hand drücken. Als kleines Dankeschön. Dann muss er gehen und es bleibt die Erinnerung an einen temperaturbedingt unterkühlten, aber sehr unterhaltsamen Abend.

Danke, Torsten!

Copyright Fotos: Privat
Aus rechtlichen Gründen fehlt ein Foto von Torsten Sträter bei diesem Bericht.



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