Interview: Walter Moers, April 2023, phantastisch! #90 – jetzt hier zum Nachlesen

Anfang 2023 sprach ich mit Zamonienentdecker Walter Moers. Das Interview erschien im April 2023 in der phantastisch! #90 (S. 20-23). Nun kannst du es hier nachlesen.
Du, als Blogleser*innen, erhältst ein Extra. Yeah! Für das Interview hatte ich ein Veröffentlichungsverzeichnis erstellt, das von Walter und Elvira Moers ergänzt wurde. Für Fans, Sammler*innen und zamonische Bibliophile vielleicht eine Unterstützung, die Sammlung zu vervollständigen. Das PDF kannst du am Ende des Artikels herunterladen.

Kleiner Hinweis: Schon im Herbst 2024 erscheint ein neuer Moers: „Das Einhörnchen, das gerne rückwärts leben wollte“*. (*amazon-Link)

Bevor es losgeht, hätte ich noch eine Bitte:

Das Interview

Walter MoersEin kreatives Ausnahmetalent mit eigenem Kontinent

Interview von Nicole Rensmann

Geboren am 24. Mai 1957 in Mönchengladbach, lebt Walter Moers, der Erfinder des Käpt’n Blaubär und Entdecker von Zamonien, seit dreißig Jahren mit seiner Frau Elvira in Hamburg.

Er brach Abitur und Ausbildung ab, machte verschiedene Jobs und verfolgte nur ein Ziel: Von seiner Kunst zu leben. Dies versuchte er zu Beginn mit Kindergeschichten und feinlinierten Comics. Seine Kunst entwickelte er autodidaktisch bis zur heutigen Perfektion. Vermutlich hat jeder Mensch – Groß und Klein – mehr als eine seiner Geschichten gelesen oder gesehen.

Film, Fernsehen, Comics und Romane zählen zu seinen künstlerischen Plattformen, auf denen er sich als Autor, Zeichner, Drehbuchautor oder Regisseur bewegt. Seine Bücher wurden, trotz der sprachlichen Komplexität, in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt. Sein Gesamtwerk zu beleuchten ist kaum möglich.

Walter Moers schreibt und schreibt, zeichnet und zeichnet und darüber hinaus entwirft er zusammen mit seinem Freund und Puppenmacher Carsten Sommer hochwertige Sammlerstücke: Buchhaim-Buchstützen und Buchling-Skulpturen. Das Highlight ist ein auf 111 Stück limitiertes Booknook – inzwischen vergriffen. Aber keine Sorge, es werden weitere Booknooks geben, das haben beide Künstler bereits bestätigt.

Das Interview entstand Anfang Januar 2023 per E-Mail, vorab unterhielten wir uns vor allem über Bücher und Ideen. Denn Bücher und Filme sind für Walter Moers gleichermaßen wichtig. 80 Prozent der von ihm gesammelten Bücher sind Illustrationswerke. »Märchen- und Kinderbücher, illustrierte Literatur, Lexika und wissenschaftliche Bücher, Comics, Kunstbücher, Filmbücher (viel Animation), Bücher von und über Illustratoren und Zeichner aller Art, illustrierte Fantasy, Horror und Science Fiction usw. Hauptsache, es sind Bilder drin, möglichst (gut) gezeichnet oder gemalt. Und Bücher über Bücher, denen kann ich nie widerstehen. Typographie, Satz, Buchgestaltung, Bibliotheken usw… «, erzählt er per E-Mail und ergänzt: »Vielleicht kann ich mir auch deswegen nicht vorstellen, ein eigenes Buch ohne Illustrationen zu machen. Bild und Text gehören bei mir untrennbar zusammen, auch bei der Arbeit.«

Neben Gustav Doré schätzt er die Werke von Edward Gorey und ist ein Fan von Stop-Motion-Filmen wie z.B. »Frankenweenie«, den er als kleines zeitloses Meisterwerk bezeichnet. Außerdem liebt und sammelt Walter Moers Merchandising – nicht nur zu seinen Ideen.

Walter Moers besitzt ein großes Wissen über Film, Literatur und Illustrationen und gibt dieses gerne weiter, auch, und besonders in seinen Büchern – eine Wertschätzung an die Kolleg*innen, wie es wohl kein Zweiter macht. Walter Moers ist keinesfalls ein Sonderling, wie er manchmal bezeichnet wird. Er ist nur ein Mensch, der einen Weg gewählt hat und diesen konsequent befolgt. Dem gebührt Respekt, und ich danke ihm für dieses Interview, die Zeit, die er sich für mich genommen hat und die Ratschläge und die zahlreichen Buchtipps. Walter Moers ist ein Quell der Inspiration auf vielfältiger Weise. Vielen Dank auch an seine Frau Elvira Moers, die mir freundlicherweise beim Abgleich der Daten geholfen hat.

Deine Leser*innen jubilieren. In diesem Jahr erscheint »Die Insel der tausend Leuchttürme« – 700 Seiten mit vielen Illustrationen. Der Roman war bereits für 2016 angekündigt. Aber das Leben läuft nicht immer wie geplant, und es dauerte sieben Jahre, bis du dem Verlag ein Paket mit kostbarer Zamonienfracht schicken konntest. Wie gehst du damit um, wenn du merkst, du kommst mit dem Text nicht voran, das Orm fließt nicht, das Leben hält dich vom Schreibtisch fern?

Das heißt ja nicht, dass ich in den sieben Jahren ausschließlich an diesem Roman gearbeitet habe. In dieser Zeit habe ich zwei andere Zamonienbücher und zwei Comicbände veröffentlicht und auch an anderen Projekten gearbeitet. Kreative Blockaden waren bisher noch nicht mein Problem, es ist eher mein Hang zur Verzettelung, der zu solchen Verzögerungen führt.

Verrätst du uns ein bisschen über den Inhalt? Wozu braucht eine Insel tausend Leuchttürme? Und steht einer davon in Zamonien?

Sie stehen alle in Zamonien, denn die Insel Eyernorn, auf der der Roman spielt, gehört zum zamonischen Kontinent. Auf ihr gibt es tatsächlich nur 111 Leuchttürme, aber deren nächtlicher Feuerzauber ist so imposant, dass er aussieht, als wären es tausend. Hildegunst von Mythenmetz begibt sich zu dieser Insel, um sich von seinen Abenteuern in den Katakomben von Buchhaim zu erholen – allerdings nur, um dort in noch größere Schwierigkeiten zu geraten.

Kommen wir kurz zu alten Kamellen, du hast das Abitur abgebrochen, hast eine kaufmännische Ausbildung gemacht, dich aber lieber mit Stop-Motion-Animationen und Zeichnen beschäftigt, das du dir selbst beigebracht hast. Ich glaube, der Ausdruck Ausnahmetalent ist bei dir durchaus treffend. Wie ist deine Familie damit umgegangen, dass du nicht stupide in einem Büro gearbeitet, sondern selbst gebundene Comics an Verlage geschickt hast, in der Hoffnung entdeckt zu werden?

Da war ich schon aus dem Haus. Meinen Eltern waren meine Comics mit Titeln wie »Kleines Arschloch« oder »Adolf die Nazisau« eher peinlich. Die hätten mich lieber im Büro gesehen.

Du wurdest quasi doppelt entdeckt. Vito von Eichborn nahm dich unter Vertrag und Heike Anacker vom Magazin PLOP interessierte sich ebenso für dich. Das geschah beinahe zeitgleich. Deine großen Erfolge begannen mit Comics. »Das kleine Arschloch« kennt fast jeder. Comics sind Bildergeschichten mit Sprechblasen und relativ wenig Text. Wie kam der Sprung von dieser eher minimalistisch anzuschauenden Kunst zu sprachlich üppigen und langen Romanen mit den deutlich kräftigeren und detailreichen Zeichnungen? Würdest du das als eine Art Wachstum – oder Evolution – deiner eigenen autodidaktischen Kreativität bezeichnen?

Eigentlich nicht. Meine ersten zeichnerischen Arbeiten, die ich an Verlage geschickt habe, waren schon in der gleichen Art verstrichelt und detailliert wie meine heutigen Illustrationen. Daraus wollte aber damals kein Verleger ein Buch machen. Die wesentlich reduzierteren Comics habe ich eher zur Entspannung von dieser aufwändigen Arbeit gemacht. Zu meinem eigenen Erstaunen waren es aber diese minimalistischen Comics, die die Verlage drucken wollten.

Mit deinen Büchern hast du polarisiert. »Das kleine Arschloch« sollte verboten werden, »Adolf, die Nazisau« hat dir Drohungen eingebracht. Du hast deine persönliche Meinung mithilfe deiner Zeichnungen in die Welt gebracht. Auch in den Zamonien-Romanen gibst du dein Statement über Welt und Mensch ab, wenn auch etwas unterschwelliger, vorsichtiger nahezu. Was regt dich heutzutage mächtig auf?

Militante und zur Schau gestellte Dummheit, wie die von den Querdenkern, die bis vor kurzem noch regelmäßig in unserer Straße randaliert haben.

Deine Bücher sind kleine Kunstwerke in großer Auflage für das private Bücherregal. Wie viel Mitsprachrecht hast du daran? Gibst du klare Anweisungen, welche Farbe der Schnitt haben soll und welche Grafik das Cover ziert, oder vertraust du da deinem Verleger Wolfgang Ferchl vollends?

Ich hatte bisher immer ziemlich klare Vorstellungen davon, wie meine Bücher auch äußerlich aussehen sollen, weil ich ja auch Zeichner bin und die Umschläge selber gestalte. Aber wir arbeiten schon seit dem ersten Zamonienroman in einem festen Team an den Büchern, das aus meiner Frau Elvira, dem Verleger Wolfgang Ferchl, dem Buchgestalter Oliver Schmitt und dem Lektor Rainer Wieland besteht. Mit denen habe ich von vorne herein den Look der Bücher, die Typographie usw. besprochen. Über den Farbschnitt wird traditionell lange diskutiert.

Du bist einer der wenigen deutschen Bestsellerautoren, der sich den Fans nicht persönlich zeigt. Ein Privileg, das dir eine ungeahnte Freiheit gibt, die viele Autor*innen gerne hätten: Der Kunst nachgehen und der Rest wird verteilt. Du hast einmal gesagt, du hättest in deiner Laufbahn früh erkannt, dass dir persönliche Popularität kein Vergnügen bereitet und du Wert auf ein normales Leben legst. Dabei versteckst du dich nicht zwischen den Buchregalen, sondern fährst in den Urlaub, triffst dich mit Freunden und dazwischen schreibst du Bücher und entwirfst Filme oder – zusammen mit Carsten Sommer – Moerschendise (siehe Interview phantastisch! # 89, Januar 2023). Das klingt, abgesehen von deinem großen Erfolg, nach einem normalen Leben. Was könnte dich aus diesem Leben ins Rampenlicht locken, wenn auch nur für einen kurzen Moment?

Immer wenn ein neues Buch herauskommt, bedauere ich es, dass ich nicht mehr zum Marketing beitragen kann, also durch öffentliche Auftritte, Lesungen oder Signierstunden. Wenn ich dadurch nicht die angenehme Anonymität und Normalität aufgeben müsste, würde ich es ab und zu gerne machen.

Besprichst du mit Freunden, Verleger oder deiner Ehefrau den Inhalt des Buchs – gibt es also eine Art Moers’sches Brainstorming am Kaffeetisch vor und während des Schreibens?

Der Inhalt ist größtenteils meine Sache. Es kommt vor, dass ich eine Grundidee mit Elvira oder Wolfgang bespreche, aber während der Entstehungsphase eines Romans bin ich weitgehend auf mich selbst gestellt.

Bei vielen Autor*innen ist der Erstleser der Partner / die Partnerin. Liest deine Frau das Manuskript als Erste, bevor es an den Verlag geht?

Ja, klar, und nicht nur einmal. Wir machen gemeinsam ein sehr gründliches Lektorat, bevor wir es an den Verlag geben. Dort macht dann Wolfgang Ferchl ein zweites Lektorat, bevor wir es an Rainer Wieland geben, der dann das dritte und »richtige« Lektorat besorgt. Und zwischendrin liest auch noch Oliver Schmitt den Text und macht sich Gedanken über die Gestaltung, die Verteilung der Illustrationen usw.

Hast du erst ein Bild im Kopf oder erst einen Text, wenn du ein Kapitel schreibst?

Das wechselt sich ab. Manchmal kommen mir die Ideen für Illustrationen beim Schreiben, manchmal entwickele ich Ideen für den Text, während ich zeichne. Meine Originale sind oft voll mit kurzen Notizen für Textideen, die mir beim Zeichnen kommen. Die muss ich später wegradieren.

Arbeitest du jeden Tag oder gibt es einen speziellen Tag an dem du bewusst und mehr oder weniger gerne den Schreibtisch verlässt?

Eigentlich zeichne und/oder schreibe ich jeden Tag, aber ich verlasse auch gelegentlich den Schreibtisch.

Deine Romane wurden auch in andere Sprachen übersetzt. Das ist bei deinem Wortwitz und den Anagrammen gar nicht leicht. Im Englischen heißt Hildegunst von Mythenmetz Optimus Yarnspinner (Übersetzer: John Brownjohn). Bist du zufrieden mit den Übersetzungen? Gibt es Absprachen zwischen Übersetzer*in und dir?

Mit den englischen Übersetzungen war ich immer sehr zufrieden. John Brownjohn war ein Glücksfall, er galt als einer der besten Übersetzer aus der deutschen Sprache. Mit ihm gab es auch einen ständigen Austausch, besonders über die Namen und Anagramme. Leider ist er kürzlich verstorben, das ist ein großer Verlust. Zu den Übersetzungen in andere Sprachen kann ich leider wenig sagen, da beherrsche ich manchmal nicht mal das Alphabet.

Liest du Rezensionen?

Mittlerweile nur noch die guten, die lasse ich mir von Elvira vorsortieren. Obwohl ich alle Rezensionen begrüße, denn auch die schlechtesten sind unfreiwillige Werbung für meine Bücher. Daher an dieser Stelle meinen heißen Dank an alle Ein-Stern-Rezensenten!

Du machst häufig Urlaub in den USA und besuchst dort Buchhändler und Antiquariate. Auch Zamonien soll zwischen Amerika und Eurasien liegen. Was fasziniert dich an dem Land?

Wieviel Platz habe ich für die Beantwortung dieser Frage? Die englischsprachige Kultur mit ihrer Literatur, Musik, zeichnerischen und filmischen Kunst hat mich seit meiner Kindheit fasziniert. Amerika selbst bereisen und mich dort für längere Zeit an den verschiedensten Orten aufhalten zu können (mittlerweile alle Staaten bis auf Alaska), hat meine Arbeit stark beeinflusst und befördert. Man könnte tatsächlich sagen, dass Zamonien ein bizarres Spiegelbild von Amerika ist. Ohne unsere Reisen dort wären diese Bücher nicht entstanden.

Du hast Gustav Doré und seiner Kunst einen Roman gewidmet. In »Wilde Reise durch die Nacht« lässt du einen jungen Gustav Doré seine eigenen Bilder erleben. Welches von Gustav Doré illustrierte Buch sollte jede*r unbedingt im Regal stehen haben, und warum?

Orlando Furioso, der Rasende Roland. Der hat viele der tollsten Bilder. Aber das wäre nicht repräsentativ genug für Dorés Gesamtwerk. Er hat monströs viel gemacht, über 10.000 Illustrationen.

Bücher und Illustrationen gehören für dich untrennbar zusammen. Wenn du selbst nicht zeichnen könntest, welchen Illustrator, welche Illustratorin würdest du für deine Bücher wählen?

Natürlich Gustave Doré.

Du willst Interview und Artikel später lesen? Dann lade dir das PDF hier herunter.

Gustav Doré (*amazon-Link) steht aus bekannten Gründen nicht mehr zur Verfügung. Wen, unter den noch lebenden Illustrator*innen, könntest du dir vorstellen?

Alternativ könnte ich noch Moebius nennen, aber der ist auch tot, haha … Und all die anderen, die mir einfallen, auch …

Du hattest mir im Vorfeld erzählt, dass du Carsten Sommer in einem kleinen Trickfilmstudio kennengelernt hast. Dort hast du Regie bei deiner ersten Serie geführt. Bei welcher war das? Und wie sieht es da momentan aus? Arbeitest du an einem ähnlichen Projekt?

Die Serie hieß »Professor Schimauskis Entdeckungen«, es war eine Zeichentrickserie. Carsten persönlich habe ich dort noch nicht kennengelernt, aber seine Arbeiten, die er für dieses Studio gemacht hat und die mich sehr beeindruckt haben. Persönlich begegnet bin ich ihm erst später, bei der Produktion einer anderen Serie, »Hurra Deutschland«, der deutschen Version der Puppenshow »Spitting Image«. Carsten hat dort Puppen gebaut und ich sollte ein paar Sketche schreiben. Leider gibt es momentan kein Serien- oder Filmprojekt, an dem wir gemeinsam arbeiten – wir würden das sicher gerne wieder machen.

Seit mehr als dreißig Jahren seid ihr befreundet. Nicht nur eure gemeinsame Begeisterung für Stop-Motion-Filme und Puppenanimationen hält eure Freundschaft aufrecht, ihr arbeitet auch zusammen. Carsten formt deine geistigen Ideen in 3D. Hein Blöd, Käpt´n Blaubär, Hildegunst von Mythenmetz, das kleine Arschloch, die Buchlinge oder zuletzt das begehrte Hildegunst-Booknook. Wie läuft das Brainstorming ab? Und gibt es eine Lieblingsfigur, die du besonders magst?

Carsten ist der beste Puppen- und Modellbauer, den wir in Deutschland haben. Das sage ich nicht, weil er so viele von meinen Figuren umgesetzt hat, sondern weil er mit seinen Fähigkeiten auf diesen Gebieten hier absolut konkurrenzlos ist. Jeder, der ein bisschen Ahnung von dieser Branche hat, wird das bestätigen.

Wenn ich Carsten eine Figur zur dreidimensionalen Umsetzung überlasse, brauche ich danach nichts mehr tun. Ich gebe ihm eine mehr oder weniger ausgearbeitete Skizze – da kann schon eine Bleistiftzeichnung reichen – und er formt daraus eine plastische Figur, die als Puppe, Skulptur, Merchandisingartikel oder Animationsgrundlage genutzt werden kann. Mein bisheriges Lieblingsprojekt mit ihm ist das Mythenmetz-Booknook, mit dem er sich selber wieder mal übertroffen hat.

Einige Autor*innen haben Hunde, mit denen sie zum Ausgleich spazieren gehen. Andere entspannen mit ihren Katzen, dann gibt es noch welche, die gerne Sport zum Ausgleich der Schreibtischarbeit treiben. Was machst du?

Ich gehe schon seit vielen Jahren regelmäßig ins Fitness-Studio, arbeite auch zu Hause mit Gewichten und mache Cardiotraining. Seit einem halben Jahr Yoga. Trotzdem würde ich mich nicht als sportlich bezeichnen, es kostet mich jedes Mal wieder Überwindung.

»Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär« wurden als Musical aufgeführt. Wunderbar umgesetzt, tolle Musik, großartige Kostüme (ja, ich habe es in Köln gesehen). Einige deiner Comics wurden auch verfilmt. Könntest du dir »Ensel und Krete« als Stop-Motion-Film vorstellen?

Das kann ich mir sogar sehr gut vorstellen. Hayo Freitag, der Regisseur des Blaubär-Films, hatte schon mal vor, das als 2D-Animation umzusetzen. In Stop-Motion fände ich es sogar viel besser.

Nun warten alle auf den dritten und letzten Teil der Buchhaim-Trilogie. Irgendwo habe ich gelesen, du wüsstest nicht, wie es weitergeht. Können die Leser*innen vielleicht helfen?

Das habe ich tatsächlich gesagt?

Möglicherweise eine Lügengeschichte, die im Netz gesponnen wurde.

Nein, das ist nicht das Problem. Die Story und große Teile des Textes und viele Illustrationen stehen schon seit geraumer Zeit. Es haben sich lediglich immer wieder andere Bücher vorgedrängelt. Siehe Thema »Verzettelung«.

Und wie sehen deine weiteren Pläne aus?

Dieses Jahr erscheint auf jeden Fall »Die Insel der Tausend Leuchttürme«, soviel steht fest.

Ich danke dir für das Interview, und deiner Frau Elvira herzlich für die Unterstützung!

Walter Moers – Eine Chronologie seiner Veröffentlichungen

Artikel von Nicole Rensmann

In den Anfangsjahren heftete Walter Moers seine Comics selbst zusammen und verschickte sie an Verlage. Zunächst ohne Erfolg, bis Vito von Eichborn vom gleichnamigen Verlag und Heike Anacker, die Redakteurin des Magazins PLOP auf ihn aufmerksam wurden.

Seine erste Publikation »Eines Morgens auf meinem Schreibtisch« erschien in der Oktoberausgabe 1984 des PLOP Magazins Ausgabe 14. Darin erzählt er von einem Außerirdischen, der sich an seiner Schreibfeder verletzt.

1985 brachte der Eichborn Verlag das von Walter Moers illustrierte Buch »Umsonst« heraus, außerdem seinen ersten Comic »Aha«.

Weitere eigene Veröffentlichungen und Beiträge u.a. in TITANIC, rAd ab!, U-Comix, und KOWALSKI folgten. Er führte Regie bei Trick-Animationen, schrieb u.a. Gutenachtgeschichten für »Das Sandmännchen« und publizierte in der Kinderzeitschrift Bunter Hund seine Geschichten um Professor Schimauski, die 1988 für »Das Sandmännchen« verfilmt wurden und Jahre später – 2002 – auch als Hörbuch erschienen.

1986/87 arbeitete er in einem kleinen Trickfilmstudio, wo er Regie fürs Fernsehen führte.

Mit »Das kleine Arschloch« gelang ihm 1990 der Durchbruch in der Comicwelt. Noch im gleichen Jahr arbeitete er zusammen mit Ralf König an einer Satire, sein Part erschien in Ralf Königs »Zitronenröllchen«.

Er wagte es, sich mit »Adolf die Nazisau« über Hitler lustig zu machen und mit dem lauten Ausruf »Maria, es ist ein Arschloch!« die Weihnachtsgeschichte zu ruinieren. Für Letzteres erhielt Walter Moers 1993 den Max-und-Moritz-Preis in den Kategorien Beste deutschsprachige Comic-Publikation und Bester deutschsprachiger Comic-Künstler. Seine Fans liebten ihn für die frechen, provokativen Zeichnungen, doch auch Kritiker blieben nicht aus.

1988 erfand er Käpt’n Blaubär, der mit Hein Blöd und den drei Enkeln bis heute im Fernsehen als Puppenanimation zu sehen ist und mehrfach Preise erhielt, u.a. den Grimme Preis (1994). Ende der 1980er Jahre verkaufte er die Rechte an der Figur, war aber nicht glücklich mit der Weiterentwicklung des Käpt’n Blaubär. 1999 kam »Käpt‘n Blaubär – Der Film« ins Kino, für den Walter Moers das Drehbuch schrieb. Über 1,3 Millionen Besucher folgten den Blaubär Geschichten auf der Leinwand. Der Film wurde mit dem Deutschen Filmpreis für den besten Kinder- und Jugendfilm ausgezeichnet.

Parallel dazu erschien im gleichen Jahr mit »Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär« seine eigene Version vom Blaubär. Die 700 Seiten starke phantastische Lügengeschichte enthält zahlreiche Illustrationen von Walter Moers selbst. Erstmalig tauchte der Kontinent Zamonien auf. Über 30 Wochen hielt sich der Blaubär auf der Spiegel Bestsellerliste. Der Eichborn-Verlag brachte eine auf 1999 Exemplare limitierte Version auf den Markt: »Blaubär-Kiste mit einer in Seidenmoire gebundenen Luxusausgabe des Romans. Mit farbigen, vom Künstler nummerierten und signierten Frontispiz und farbiger Landkarte Zamoniens«.

Eine Flut von Merchandising überschwemmte den Markt. Anspitzer, Spardosen, Puzzles, Spiele, Tassen, Krawatten, Briefpapier mit dem kleinen Arschloch, Anstecknadeln, Filmfolien, Poster oder Wandkalender.

2006/07 tanzte und sang der Blaubär mit Tratschwellen und Berghutze auf der Musicalbühne Erstmalig lernten wir Zamonien kennen. Inzwischen ist er 35 Jahre alt und genießt weiterhin seinen Ru(h)m – der Käpt’n Blaubär.

In »Ensel und Krete« – einer Adaption der Grimmschen »Hänsel und Gretel«  – baute Walter Moers im Jahr 2000 Zamonien weiter aus.

Im Jahr darauf schickte er den zwölfjährigen Gustav Doré auf eine »Wilde Reise durch die Nacht«, verknüpfte dabei einundzwanzig Grafiken seines Lieblingskünstlers Doré mir einer phantastischen Geschichte, in der der junge Künstler eine Wette gewinnen muss, die er mit dem Tod abgeschlossen hat. »Wilde Reise durch die Nacht« ist mehr als ein Roman, es ist die Wertschätzung eines Künstlerlebens, eine Ehrung post mortem.

2011/2012 präsentierte die Ludwiggalerie in Schloss Oberhausen »Die 7 ½ Welten des Walter Moers«, dazu erschien das gleichnamige Buch im Kerber Verlag. 2013 griff das Deutschordensmuseum Schloss Mergentheim diese Ausstellung nochmals auf.

Seine Geschichten spielen fortan in Zamonien, einer Welt in der wir auf Bücherdrachen, Lindwürmer und Buchlinge stoßen. Sein schriftstellerisches Ego Hildegunst von Mythenmetz wird geboren, Walter Moers nimmt nun offiziell den Platz des Übersetzers aus dem Zamonischen ein. Ein Geniestreich. Seine Geschichten sind Hommagen an Literatur und Literaten. Und seine Leser danken es ihm, indem sie zamonische Kreationen in der realen Welt adaptieren. So bezeichnete Holger Frick 2010 eine neu entdeckte Spinnenart in der Schweiz als Zamonische Zwergspinne, und 2013 gab Boris Dorschel einem zum ersten Mal entdeckten unterseeischen Berg in der Antarktis den Namen Nachtigaller Shoal.

Weitere Comics wie »Adolf- Der Bonker« oder »Jesus total« folgen. Außerdem die Romane »Rumo«, »Der Schrecksenmeister«, »Die Stadt der Träumenden Bücher« und »Das Labyrinth der Träumenden Bücher«, »Weihnachten auf der Lindwurmfeste« und »Der Bücherdrache«. Mit »Zamonien« erscheint ein Lexikon zur Welt – ein Buch, das Anja Dollinger in Zusammenarbeit mit Walter Moers geschrieben hat.

»Prinzessin Insomnia« erschien 2017. Kein gewöhnlicher Roman. Diese Geschichte enthält keine Zeichnungen von Walter Moers, sondern von Lydia Rode. Lydia Rode ist – und das ist nun keine fiktive Story – eine junge Frau, die mit einer sehr selten Krankheit leben muss. Lydia stammt aus Berlin. Seit ihrem siebzehnten Lebensjahr leidet sie an dem Fatigue- oder Erschöpfungssyndrom (kurz: ME/CFS). Diese chronische Krankheit ist unheilbar und noch nicht ausreichend erforscht, erzählt Walter Moers im Nachwort. Patienten, die an ME/CFS leiden, weisen unterschiedlich starke Behinderungen auf, die einen normalen Alltag unmöglich machen. Die Romane von Walter Moers haben Lydia Rode von ihrer Krankheit abgelenkt. Dies schrieb sie ihm eines Tages. Ein Kontakt entstand, in dem Walter Moers erkannte, dass Lydia nicht nur ein Faible für Zamonien besitzt, sondern auch eigenes Talent zum Zeichnen. Eine Idee entstand. Daraus wurde ein Gemeinschaftsprojekt und eine Geschichte, die sehr viel mehr ist als ein Roman aus Zamonien. Mit »Prinzessin Insomnia« zeigt sich Walter Moers von einer verantwortlichen, seinen Fans zugewandten Seite.

  • Walter Moers – Publikations-Liste (Romane, Filme, Merchandising) als PDF herunterladen.

Web

Offzielle Zamonienseite zamonien.de
Zamonien Wiki (Fanseite)


Das Interview erschien im April 2023 in der phantastisch!! #90 (Atlantis Verlag). Das Magazin ist als Print-Ausgabe und PDF zum Download für z.B. deinen Kindle verfügbar.

Vielen Dank an den Atlantis Verlag und den Redakteur Klaus Bollhöfener.

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.