Im April 2008, und somit in der 30. Ausgabe von phantastisch!, erschien das Interview mit Stephan R. Bellem.
»Es lebe die freie Welt.«
Interview mit Stephan R. Bellem von Nicole Rensmann
Seine Karriere als Schriftsteller begann Stephan Bellem parallel mit zwei Fantasy-Trilogien. Die phantastische Literatur entdeckte er durch »Das schwarze Auge« oder Romane von R.A. Salvatore. Mit 13 Jahren begann Stephan Bellem zu schreiben, vornehmlich Kurzgeschichten oder Skripts für Rollenspiele. Und Letzteres brachte ihn auch dazu, selbst Welten zu erfinden – ein Erfolgsrezept vieler erfolgreicher Fantasy-Autoren.
Doch seiner Kreativität machte er schon mit vier Jahren Platz, und so diktierte er seiner Mutter eine Geschichte über ein Eichhörnchen.
2007 erschien mit »Tharador« der erste Band seiner Trilogie »Chroniken des Paladins« im Otherworld Verlag. Im Juni 2008 folgte der zweite Band »Das Amulett«. Die Fortsetzung »Das Buch Karand« heißen. Die neue Trilogie »Lichtweber« ist bereits in Arbeit. Mehr dazu wird uns Stephan Bellem, der 1981 in Heidelberg geboren und in Sandberg aufgewachsen ist, später selbst erzählen.
Nachdem er sein VWL Studium an der Uni Heidelberg nach nur einem Semester abgebrochen hatte, absolvierte er eine Ausbildung bei der Sparkasse und kehrte dann an die Uni zurück, wo er Soziologie studierte. Er sammelt DVDs, spielt gerne am PC, kocht mit Begeisterung und lässt sich musikalisch von Rock und Metal inspirieren.
Du erzählst auf deiner Website, dass du gerne am PC spielst: »Warhammer« oder »World of Warcraft«. Inspirieren dich diese Welten?
Ja und Nein. Ja in der Weise, dass mich jeder Sinneseindruck inspiriert. Jede Geschichte hinterlässt ihre Spuren in mir. Das geht leider gar nicht anders. Aber dass ich diese Welten bewusst kopieren würde, kann man nicht sagen. Mich faszinieren gute Geschichten und Fantasy im Besonderen. Da bleibt es nicht aus, dass man auf Dinge trifft, die einem unterbewusst so gut gefallen, dass sie ihren Weg in die eigenen Geschichten finden. Aber ich denke das ist ganz normal.
Verfolgst du in diesem Zusammenhang auch die einschlägigen Diskussionen über Gewaltbereitschaft, die durch PC-Spiele geschürt werden soll? Was hältst du von dieser These? Ist es ein hilfloser Schrei derer, die sich verantwortlich fühlen oder steckt Wahrheit in der Behauptung?
Die erhöhte Gewaltbereitschaft – wenn es sie denn überhaupt gibt – wird seit einiger Zeit sehr medienwirksam ausgebeutet. Deshalb auch der zaghafte Zweifel meinerseits daran. Ich kenne keine Statistiken zu dem Thema und ich möchte mich politisch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Ich denke jedoch, dass es keine allgemeingültige Aussage geben kann. Jeder Mensch ist ein eigenständiges Individuum. Es gibt auf Filmen und Spielen Alterseinstufungen, die man befolgen sollte. Macht ein gewalttätiges Spiel aus einem friedfertigen Menschen einen Mörder? – Ich bezweifle das. Senkt es in manchen Fällen die Hemmschwelle? – Sehr gut möglich. Aber das können dann die Nachrichten des Tages auch, da sieht man mittlerweile fast mehr Blut als in Hollywood-Streifen. Ich habe das Gefühl, dass die ganze Gesellschaft allmählich abstumpft. Früher zeigte man nach einem Verkehrsunfall höchstens abgedeckte Opfer. Heute wird voll draufgehalten – zumindest empfinde ich das so. Und diese Entwicklung ist bedenklich.
Ich möchte zu der aktuellen Debatte um Jugendkriminalität nicht viel sagen, aber ein Kommentar sei mir gegönnt: Ein Land, das über so wenige Bodenschätze verfügt, wie unseres (zumindest nach der kostengünstigen Förderbarkeit) sollte nicht an der Bildung sparen, denn es ist letztlich das einzige Exportgut. Gebildete, aufgeklärte Menschen braucht unser Land, die frei von Vorurteilen und Ängsten leben können.
Zumindest ist das meine unwesentliche Meinung zu einem Thema, das man problemlos abendfüllend diskutieren könnte.
Als Rollenspieler und Fantasyautor kennst du sicherlich die Vorurteile, nicht mit beiden Beinen auf dem Teppich zu stehen oder in einer Traumwelt zu leben. Wurdest du mit solchen Vorwürfen schon einmal konfrontiert? Wie gehst du damit um?
Bisher zum Glück noch nicht. Ich selbst wünsche mich auch nicht in Fantasywelten. Um Himmels Willen, da gab es kein fließend Wasser! Man romantisiert die Zeit gerne, aber vergisst, dass ein schief gewachsener Zahn bereits den Tod bedeuten konnte. Oder eine einfache Erkältung. Darüber zu schreiben ist mir definitiv lieber.
Und wie fest bist du wirklich mit dem wahren Leben außerhalb von Rollenspielen und Buchdeckeln verwurzelt?
So fest oder lose wie jeder andere auch, denke ich. Ich habe eine Partnerin, die mir lieb und teuer ist, eine Familie, die mir sehr wichtig ist und viele Freunde. Mein Studium, den Beruf als Schriftsteller und einige Hobbys. Jetzt im April öffnet das beheizte Freibad wieder, da freue ich mich schon drauf. Dann liebe ich Filme und seit Weihnachten haben wir einen deutlich größeren Fernseher, da macht der gemütliche Filmabend gleich noch mehr Spaß. Dann lese ich natürlich sehr gerne, wenn es die Zeit erlaubt. Wer mein Bücherregal kennt, weiß zwar, dass ich nicht einmal über hundert Bücher besitze, aber ich lese dennoch sehr gerne.
Also alles ganz normal.
Aber du könntest dir schon vorstellen einer deiner Protagonisten zu sein? Auf wen würde dann deine Wahl fallen?
Keinen bestimmten. In jedem von ihnen steckt wohl ein wenig von mir. Ich denke, Ul’goth wäre meine Wahl. Er versucht sich nur in einer Welt zurechtzufinden, die ihm nicht immer freundlich gegenübertritt. So geht es wohl vielen Menschen. Man versucht nach bestem Wissen und Gewissen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ob das gelingt, weiß man allerdings erst viel später.
War »Tharador« deine erste Veröffentlichung? Oder gab es vorher schon Kurzgeschichten, die du in Magazinen oder Anthologien unterbringen konntest – vielleicht sogar unter Pseudonym?
Tharador war mein erste Veröffentlichung und auch das erste Buch, das ich geschrieben habe. Aber es wird definitiv nicht die letzte bleiben.
Darf ich fragen wofür das „R.“ in deinem Namen steht?
Rüdiger. Mein zweiter Vorname. Initialen sind momentan ja so unglaublich schick, deshalb musste das natürlich sein.
Allerdings hat dieser Name Familientradition, denn so hieß auch mein Opa väterlicherseits, der allerdings im zweiten Weltkrieg ums Leben kam, kurz vor der Geburt meines Vaters. Dieser Rüdiger nun wäre eigentlich gerne Zeichner gewesen und hatte auch einiges Talent. Die damalige Zeit ließ das nicht zu. Es erinnert mich daran, dass man seine Träume nicht immer verwirklichen kann, es aber stets versuchen sollte.
Soeben ist der 2. Teil deiner Trilogie »Chroniken des Paladins« erschienen. Was erwartet den Leser?
Im Gegensatz zum ersten Band schaltet das Amulett einen kleinen Gang zurück. Es geht also etwas ruhiger zu, dafür sind die unausweichlichen Gefechte umso heftiger. Im Amulett wird endlich geklärt, was das Buch Karand nun genau ist, denn der Name ist hier nicht Programm. Es wird einen waschechten Kanduri zu sehen geben. Natürlich mischen auch Crezik und seine Goblins wieder mit.
Und Xandors Tod hat eine Lücke hinterlassen, die nun gerne viele füllen würden. Darunter auch Dergeron, der in der Grafschaft Totenfels seinen eigenen Plänen nachgeht. Es wird neue Gesichter zu sehen geben und andere werden ihre Augen zum letzten Mal schließen. Obwohl es ein Mittelband ist, denke ich fühlt er sich nicht wie einer an. Und am Ende wird alles für den Abschluss bereitgelegt. Wobei gerade das Ende des zweiten Bandes mit so mancher Überraschung aufwartet.
»Du hast in kurzer Zeit viel erreicht. Die Trilogie »Chroniken des Paladins« konntest du als erster deutscher Autor beim Otherworld Verlag unterbringen, dann stehst du unter Vertrag bei einer Agentur und außerdem erscheint demnächst eine weitere Fantasytrilogie unter dem Oberbegriff »Lichtweber«.
Kannst du unseren Lesern schon mehr über dieses Projekt erzählen?
Nun, da Lichtweber nur ein im Entstehen begriffenes Projekt ist, kann ich dazu leider noch nichts sagen. Jedes Wort könnte schon zu viel verraten. Eines ist aber sicher: Wer die Chroniken mochte, der wird um Lichtweber nicht herumkommen.
Könntest du dir auch vorstellen, mit einem anderen Autor ein gemeinschaftliches Projekt zu erarbeiten? Wer käme zum jetzigen Zeitpunkt dafür in Frage?
Darüber habe ich mir bisher noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Ein solches Projekt wäre sicherlich verlockend. Konkrete Namen kann ich aber nicht nennen. Die deutsche Autorengemeinde, gerade im Bereich Fantasy, ist voll mit jeder Menge talentierter junger Leute. Und es wäre mir sicherlich eine Ehre mit einem von ihnen gemeinsam zu arbeiten. Es käme natürlich auf das Projekt an.
Du hörst gerne Metal und Rock. Kannst du dabei gut schreiben? Oder hörst du bei der Arbeit keine Musik?
Bei der Arbeit höre ich nur Instrumentalmusik. Alles andere lenkt mich zu sehr ab. Da sind es dann die Soundtracks bekannter Filme, wobei ich die zugunsten der fantastischen Musik von Erdenstern wieder ins Regal gestellt habe. Die Musik muss vor allem unbelastet sein, also nicht mit Filmszenen verbunden sein, sonst lenkt mich auch dieser Einfluss ab.
Ich habe auch Phasen, in denen ich gar keine Musik um mich haben kann.Im letzten Jahr hast du zahlreiche Lesungen bestritten und weitere sind bereits geplant. Bereitest du dich darauf vor? Und gäbe es einen bestimmten Ort, an dem du einmal lesen möchtest?
Ich bereite mehrere Stellen im Buch vor, die ich gerne lesen würde. Dann passe ich die tatsächlich zu lesenden Stellen an das Publikum an. Also keine übermäßigen Gewaltdarstellungen, wenn Kinder anwesend sind usw.
Es gibt noch so viele Orte, an denen ich noch keine Lesung abgehalten habe, dass mir kein konkreter einfallen wird. Wunschtraum ist natürlich ein vollbesetztes Stadion, und alle kaufen danach ein Buch. Oder auf dem nordamerikanischen Kontinent, was die Übersetzung zur Voraussetzung hätte. Ehrlich, ich habe mir da noch keine konkreten Vorstellungen gemacht. Ich lese sehr gerne und der Kontakt mit dem Leser bringt mir Spaß, also steht zahlreichen Lesungen nichts im Weg.
Welches Buch, das du im letzten Jahr gelesen hast, hat dich besonders fasziniert – und warum?
Es war ein Sachbuch. Eine Übersicht über weltliche Mythologien. Es war erstaunlich wie unterschiedlich sie sind und wie ähnlich zugleich. Und es gibt in der langen Menschheitsgeschichte wohl kaum etwas, das noch nicht verehrt oder glorifiziert wurde.
Weißt du schon, was nach »Lichtweber« kommt? Wie sehen deine beruflichen Pläne für die Zukunft aus?
Ich habe noch jede Menge Ideen im Notizbuch. Auch für neue Welten, die ich mir ausdenke. Also die berufliche Zukunft sieht ganz klar vor, dass ich noch viel mehr schreibe. Ich hoffe, dass mir dies möglich sein wird. Ich kann da natürlich noch nichts verraten, aber unter den schier unzähligen Ideen befindet sich sogar eine, die sich mit Science Fiction beschäftigt. Aber dem phantastischen Genre bleibe ich ganz sicher treu, das steht fest.
Ich möchte pro Jahr Minimum ein Buch schreiben. Ob mir das gelingt, kann ich in einigen Jahren beantworten.
Und, wenn ich mir diese Frage erlauben darf, wie sieht Stephan Bellems Privatleben aus? Was machst du, wenn du keine fremden Welten erfindest oder in der Uni bist?
Ich koche und esse sehr gerne. Noch sieht man es nicht, aber ich warte wirklich sehnsüchtig darauf, dass besagtes Freibad wieder öffnet. In meiner Freizeit gehe ich gerne meinen Hobbys nach und genieße das Zusammenleben mit meiner Partnerin.
Irgendwann möchtest du vom Schreiben leben, was aber – und dieser Frage muss sich ja leider jeder Autor stellen – wenn es damit dauerhaft nicht so funktioniert, wie du es dir vorgestellt hast? Wirst du dann – wie du in einem Interview mit Carsten Kuhr erzählt hast – einen weiteren Berufszweig ausprobieren und das Schmiedehandwerk erlernen oder als Soziologe arbeiten?
Naja, das Schmiedehandwerk wäre eher ein weiteres Hobby. Sollte es mit dem Schreiben nicht klappen – im Bezug auf den Lebensunterhalt davon zu bestreiten – würde ich natürlich die Soziologie oder meine Ausbildung im Bankbereich nutzen. Alles andere wäre ja Irrsinn. Aber bis diese Entscheidung ansteht, ist noch ein wenig Zeit.
Und gestatte mir bitte eine letzte Frage: Was ist für dich Glück?
Gesund zu sein und von Menschen umgeben, die ich liebe und die mich lieben. Frei in meinen Entscheidungen zu sein und keine Repressalien fürchten zu müssen. Es lebe die freie Welt.
Das ist ein schöner Schlusssatz. Vielen Dank für das Interview!
Webtipps:
- Stephan Bellems Website
- Stephan Bellem auf Twitter
© Text: Nicole Rensmann / phantastisch!