Interview Markus Heitz – 2006

phantastisch! 23, Juli 2006 - Interview mit Markus Heitz

phantastisch! 23
Interview mit Markus Heitz

Die Reihe »Interviews in phantastisch!« führen wir heute mit Markus Heitz fort. Das Gespräch erschien in Nummer 23 (2/2006).

Wahre Größe

 

Ein Interview mit Markus Heitz von Nicole Rensmann


Er ist eine von den Großen, nicht nur was seine Körpergröße betrifft – 1,89 Meter Länge und mit leichtem Übergewicht, so beschreibt er sich selbst
– sondern auch bezüglich seines Erfolgs in der deutschen Fantasy. Geboren wurde Markus Heitz am 10. Oktober 1971 in Homburg. Da er immer schon viel las, wollte er selbst seine Ideen zur Papier bringen und so schrieb er mit 14 Jahren seine ersten Geschichten.

Nach dem Abitur absolvierte er den Wehrdienst und studierte anschließend Germanistik und Geschichte an der Universität im Saarland. Er arbeitete zehn Jahre lang bei der Saarbrücker Zeitung, hing den Beruf jedoch dann an den Nagel um sich nur noch der Schriftstellerei zu widmen. Mehr als 350.000 verkaufte Exemplare seiner Romane feierte der Piper Verlag letztes Jahr. Er gewann den Alien-Contact-Award, mehrfach wurde er für den Deutschen Phantastik Preis in verschiedenen Kategorien nominiert. 2003 und 2005 gewann er den DPP für den besten Roman Debüt national bzw. für den besten Roman. Mehrere Romane der Serie SHADOWRUN stammen aus seiner Feder.

Seine ULLDART-Saga umfasst inzwischen acht Bände. Der letzte Band »Brennende Kontinente – Ulldart – Zeit des Neuen 2« erschien am
29. Juni 2006.

»Die Zwerge«, die ursprünglich aus Tolkiens-Saga »Herr der Ringe« auswanderten um von Markus Heitz in ein neues Abenteuer geschickt zu werden, waren zunächst als Einzelband vorgesehen. Doch der große Erfolg verlangte nach einer Fortsetzung. »Der Krieg der Zwerge« und »Die Rache der Zwerge« erschienen 2005 bei Piper. »Die Rache der Zwerge« tummelte sich im letzten Jahr auf der Bestsellerliste zwischen
Weltbekannten Namen wie J.K.Rowling, Cornelia Funke, Christopher Paolini und Dan Brown. Im April diesen Jahres publizierte der Knaur – Verlag
»Ritus«, ein 512 Seiten starker Horrorroman zum Thema Werwolf, bei dem Markus Heitz eine Historie aufgreift, Legende, Fakten und Phantasie miteinander vermischt.

Mit »Sanctum« erscheint, ebenfalls bei Knaur, ein weiterer Horrorroman, der für Oktober 2006 angekündigt ist. Trotz all dieser regelmäßigen Veröffentlichungen und seinen Erfolgen gibt sich Markus Heitz eher bescheiden.

 

Du wirkst auf Außenstehende humorvoll, vielseitig, weltoffen und stets freundlich. Doch wie würdest du dich selbst beschreiben, wenn du dich als Charakter in einem Buch wieder finden müsstest?

Humorvoll, vielseitig, weltoffen und stets freundlich – ich nehme das mal als was Positives.

Durchaus, so war es gemeint.

Das „doch“ in der nächsten Frage deutet an, dass von mir jetzt ein Gegensatz zu meiner Außenwirkung erwartet wird?

Nein, im Großen und Ganzen wäre die Figur genauso. Als eine Romanfigur bekäme der Leser außer dem bekannten auch mal das ernstere Gesicht zu sehen, mit dem sich die Romanfigur gerne mal Platz verschafft, wenn sie von A nach B möchte, beispielsweise auf
belebten Bahnhöfen. Hat was von Rausschmeißer. Die Romanfigur käme ansonsten sehr ruhig und nüchtern rüber, ein Planer, der sich gerne gegen Eventualitäten absichert oder zumindest darauf vorbereitet ist. Man sollte immer einen Plan B in der Tasche haben. So heißt übrigens auch meine zweite Kneipe.

Auf deiner Webseite bietest du ältere Storys zum Lesen an, allerdings mit dem Hinweis, sie mit vorsichtig zu genießen, da sie die Anfänge deines schriftstellerischen Könnens darstellen. Hast du dich weitergebildet? Wie feilst du an deinen Texten, wie spürst du deine eigenen Fehler auf?

Man lernt beim Schreiben und durch die Rückmeldung der Lektoren. Außerdem ändert sich der Stil, die Eigenheiten des Autors kommen mehr durch, ähnlich wie bei Malern, nehme ich an. Vielleicht gibt es auch verschiedene Schaffensphasen bei Autoren.
Schreiben ist kein Stillstand, sondern ein kreativer Prozess. Und dabei tun sich immer neue Facetten auf. Sich dem zu verschließen, wäre schon ein bisschen töricht von mir.

Mit Frau Wahren – damals noch für den Heyne Verlag tätig – hast du den ersten Band, der heutigen wergen-Trilogie auf der Buchmesse besprochen und per Handschlag besiegelt. Kein unbedingt gängiger Geschäftsabschluss. Oder doch?

Um es genau zu machen:
Das war im Jahr 2000, und es war der erste Ulldart-Band; an die Zwerge dachte damals noch keiner. Was den Geschäftsabschluss angeht – mh. Keine Ahnung. Aber es war auch ziemlich egal. Auch ein mündlicher Vertrag ist ein Vertrag, und dann auch noch bei Heyne! Ich war damals eingeladen, um am Stand etwas zu besprechen. Ralf Reiter, der erste Ulldart-Lektor, saß damals mit am Tisch, und Friedel eröffnete mir, dass man Ulldart gerne haben möchte, und zwar mehr als nur einen Band. Ob ich wollte? Tja, da konnte ich ja nicht anders als die Hand dazu reichen. Als No-Name ohne Veröffentlichung (abgesehen von etlichen Zeitungsartikeln) direkt bei einem guten Verlag – wer würde da nein sagen?

In deiner Magisterarbeit hast du dich mit Vampiren aus dem 17. Jahrhundert beschäftigt und gingst zu der Entstehung des eigentlichen Vampirglaubens zurück. Eine Romanidee zu diesem Thema hast du bereits den Verlagen angeboten, doch diese lehnten bis dato ab, wollten stattdessen lieber einen Werwolf-Roman. Brennt das Thema Vampire so heftig unter den Nägeln, dass du nebenbei daran schreibst?
Oder wartest du bis dein Agent das Exposee erfolgreich vermitteln konnte?

Die Zeit der Vampire kommt noch. Das Thema läuft mir nicht davon, und ein Exposee habe ich auch erarbeitet. Aber mein Schreibkalender ist mit anderen Projekten wieder gefüllt bis Mitte 2008, ich habe ordentlich zu tun. Nichtsdestotrotz freue ich mich, wenn ich mich eines Tages um meine „Lieblinge“ kümmern darf. Oder eines Nachts? :o)

Mit deinem Roman »Ritus« bewegst du dich weg von der Fantasy und behandelst das Thema Werwolf. Klischees, so würde ich vermuten, sind dir eigentlich zuwider. So hast du in einem Interview mit »Magic Attack« vor deiner Veröffentlichung von »Die Zwerge« gesagt, dass du zwar Zwerge, Orks und Elfen magst, aber wenn du dir schon die Mühe machst einen eigenen neuen Kontinent (ULLDART) ins Leben zu rufen, dann sollte alles Phantastische, was auf ihm herumläuft, ebenso neu sein. Nun sind »Die Zwerge« auf Verlagswunsch quasi aus Tolkiens »Herr der Ringe« „entwendet“ worden. Vermutlich ein normaler Reifungsprozess eines Autors. Oder hattest du kurzzeitig Zweifel?

Es ging mir bei den Zwergen nicht darum, Tolkiens Zwerge in ein Quasi-Mittelerde zu entführen, sondern Zwerge erstens als eigenständige Helden und zweitens in meiner eigenen Welt zu zeigen. Auch wenn es auf den ersten Blick eine klassische High-Fantasy-Welt zu sein scheint, erhalten die Zwerge neue Facetten, neue Aufgaben, haben eine ganz andere Kultur, streiten sich, haben Meinungsverschiedenheiten, was Traditionen und Gesellschaftsstrukturen angeht, und vieles mehr, als es beispielsweise im Herr der Ringe vorkommt. Auch die Elben sind nicht die leuchtenden Vorbilder und politisch Korrekten.

Als ich mich damals für die Zwerge entschieden und dem Verlag vorgeschlagen habe, wusste ich, dass es eben keine Kopie eines Klassikers sein wird, sondern ein Werk, in dem ich viele Dinge neu einflechte, neu kreiere. Wie in meinem Büchern – das war zumindest
mein Anspruch- sind Zwerge und deren Kultur nicht gezeigt worden.

Ähnliche Wege bin ich bei Ritus und Sanctum gegangen. Werwolf – ja, und? ABER dann, nach der Beschäftigung mit der Materie, habe ich die Wandelwesen als Kategorie entdeckt. Und warum eigentlich nur auf Wölfe einschränken? In der internationalen Mythologie findet man die Wandelwesen überall. Es sollte nur rechtens sein, sich mit ihnen etwas näher zu beschäftigen, weil die Thematik unglaubliches Potenzial hat, wie ich finde. Nicht zu vergessen die Legende von Gévaudan, das bis heute ungeklärte Rätsel zur Mordserie in Frankreich von 1764 bis 1767.

Und ebenso neu wird das neue Projekt »Die Mächte des Feuers« sein, das zur Buchmesse erscheint.
Ich arbeite mit klassischen Gestalten aus der Sagenwelt, setze sie aber in einen neuen Kontext, in ein anderes Europa. Zu einer ganz anderen Zeit. Und diese Verzweigung und Verbindung, neudeutsch crossover, bringt unglaublichen Spaß und macht den Reiz aus. Es ist mein Job, neue Dinge zu schaffen, neue Aspekte in der Fantasy zu schaffen. Jedenfalls verstehe ich ihn so. Damit bleibt auch der Spaß am Schreiben erhalten.

Mit »Sanctum« erscheint bei Knaur ein weiterer Horrorroman, der für Oktober 2006 angekündigt ist. Wovon handelt der Roman?

Es ist die Fortsetzung von RITTUS, und führt zum einen tiefer in die Materie der Wandelwesen hinein, zum anderen habe ich mich mit einer Substanz beschäftigt, die im christlichen Glauben eine große Rolle spielt.
Und ich bin bei den Recherchen über eine Sache gestolpert, die sich erstaunlicherweise und unheimlicherweise exakt in meinen Roman einfügt. Das wird aber nur am Rande streift.

Der Piper-Verlag lud drei Bestsellerautoren zu Champagner ein darunter auch Markus Heitz, hieß es in der Presse zur Frankfurter Buchmesse im letzten Jahr. Zitat: »… Markus
Heitz schon jetzt 350.000) erhielten von ihm statt eines Goldenen Buches einen wertvollen Namensfüller, verbunden mit der Hoffnung, dass alle drei damit noch viele weitere Auflagen – Rekorde signieren…« Markus Heitz nahm das wörtlich und feuerte seinen alten Kuli spontan in den
Verlags-Papierkorb. …«

Hat dir der neue Füller bereits Glück gebracht? Oder darf darüber noch nicht geredet werden?

Glück habe ich auf alle Fälle gehabt. Ob es am Füller gelegen hat, weiß ich nicht – jedenfalls schreibt er immer noch und liegt gut in der Hand. :o) Dass »Die Rache der Zwerge« mehr als alle anderen zwei Zwerge-Bände eingeschlagen hat, dass RITUS bei Knaur einen sehr guten Erfolg erzielt, dass ich in der komfortablen Situation bin, mir Verlage aussuchen zu können, für die ich schreibe, dass ich vom Schreiben leben kann – hätte ich im Jahr 2000 niemals gedacht.

Aber ich bin mir auch bewusst, dass es morgen wieder mit dem Erfolg vorbei sein kann. Ich sage nur: Wellenbewegung. Momentan habe ich ein Hoch, aber der Knick kann jederzeit kommen.

Meine Verträge über kommende Projekte reichen bis ins Jahr 2008. Dann sehen wir, wie viel Glück der Heitz noch hat oder hatte. Ich jedenfalls bin zuversichtlich. Glück kann man immer gebrauchen, doch dem reinen Zufall überlasse ich ungern etwas.

Wie sieht es mit Auslands – oder Filmrechten aus? Ist da irgendetwas im Gespräch über das du uns ein kleines bisschen erzählen magst?

Stand der Dinge ist, dass die Zwerge nach Italien, nach Tschechien, neuerdings nach Holland verkauft sind. Wir haben es auch geschafft, die Zwerge nach Großbritannien zu bringen, und DAS fand ich zuerst unglaublich. Aber es ist so: Deutsche Fantasy geht ins Mutterland der Phantastik.

Hörbuch Hamburg wird sich außerdem um ein Zwerge-Hörbuch kümmern. PIPER verhandelt gerade wegen der Filmrechte der Zwerge, und es sieht ganz gut aus. Was aber nicht automatisch bedeutet, dass es zum Abschluss kommt und es nächstes Jahr einen Zwerge-Film gibt.

Du bist mit dem Autor Christoph Marzi befreundet, könntest du dir vorstellen, mit ihm zusammen einen Romanzyklus zu schreiben?

Generell schrecke ich vor Zusammenarbeiten mit anderen Autoren zurück, egal ob ich mit ihnen befreundet bin oder nicht.

Es hätte für mich den Status eines Experiments, falls ich es jemals ausprobieren würde. Jeder Autor hat seine eigene Vorstellung von den Orten, den Personen usw., und ich bin mir nicht sicher, ob sich bei zwei oder mehreren kreativen Geistern auf Dauer ein kleinster gemeinsamer Nenner finden lassen wird. Mir ist es lieber, in dieser Beziehung ein Einzelkämpfer zu sein.

In Zweibrücken führst du einen Irish Pub. Stehst du in KILLARNEY selbst hinter den Tresen, oder doch eher an den Tresen gelehnt mit einem kühlen Killkenny oder einem dunklen Guinness?

Insgesamt sind wir drei Mann. Ich habe einmal in der Woche Dienst und bin der Theker, wie es so schön heißt. Es ist eine hervorragende Abwechslung zum Schreiben: viele Gespräche, viele unterschiedliche Menschen, die soziale Komponente ist mir sehr wichtig.

Selbst bevorzugst du Gothic, Dark Wave oder Skandinavier-Metal. Welche Rhythmen untermalen das gepflegte Gespräch bei KILLARNEY, für das ein Irish Pub stets der geeignete Platz zu sein scheint?

Keine Sorge, da läuft entweder Irish Folk in verschiedenen Varianten (von Traditionals bis Pogues) oder Rock-Klassiker und etwas in der Art; alles andere ist für ein Pub eher nicht geeignet. Es kann aber sein, dass die Musik sich dienstags gegen 22 Uhr oder 23 Uhr ändert und auch schon mal 69 Eyes oder Chamber läuft. Aber ein Grufti-Bunker ist es sicherlich nicht.

In dem Magazin MEPHISTO erzählst du Boris Koch von deinen Träumen. Dein erster Traum galt dem Schreiben, der zweite einen Pub zu eröffnen. Beide haben sich bereits verwirklicht. Der 3. Traum soll das Organisieren von Konzerten sein. Wie sieht s damit aus? Hast du den Traum bereits verwirklicht oder dir einen angemessenen Zeitrahmen dafür gesetzt? Oder soll es doch lieber die eigene Radiosendung werden?

Frecherweise hat sich jemand meinen Traum unter den Nagel gerissen. In diesem Jahr gibt es gleich zwei Gothic-Events in der Umgebung, also kann ich mir das schon mal sparen. Das kommt davon, wenn man seine Träume in Interviews schildert. :o)

Wann dürfen sich die Leser auf ein Buch mit dem Titel »Phantastisches Backen mit Heitz« freuen?

Gute Idee! Aber für ein eigenes Buch ist es noch ein bisschen früh, es sei denn, ich beziehe alle Rezepte aus allen meinen Büchern ein. Wäre ein Projekt, aber derzeit gibt es noch andere Prioritäten. Ich versorge den Leser erstmal mit Lesefutter. :o)

Ich danke für das Interview und wünsche dir weiterhin viel Erfolg!

 

Webtipps / Links zu den Webseiten des Autors:

www.ulldart.de

www.mahet.de

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© Nicole Rensmann / phantastisch!

 

 

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