Interview Herbert W. Franke – 2005

In der 17. phantastisch!-Ausgabe erschien, neben den bereits erwähnten Interviews, das Gespräch mit Herbert W. Franke. Eine ausführliche Bibliographie liegt als pdf.-Datei vor. Den Link dazu steht am Ende des nachfolgenden Eintrags:

»Es geht allein um den Menschen …«

Ein Interview mit Herbert W. Franke von Nicole Rensmann

Jemand der Höhlen auf Hawaii erforscht und sich zum Mars träumt, der nicht nur ein großes Wissen besitzt, sondern stets nach Informationen sucht, müsste ein junger, belesener Spund sein. Doch Herbert W(erner) Franke wurde am 14.05.1927 in Wien geboren. Er studierte Physik, Mathematik, Chemie, Psychologie und Philosophie und promovierte 1950 zum Dr. phil. Nach einem Forschungsauftrag an der Technischen Hochschule in Wien arbeitete er in der Werbe- und Presseabteilung der Firma Siemens. 1956 wurde er freiberuflicher Publizist. Er ist Mitglied u. a. in der Grazer Autorenversammlung und im deutschen PEN-Club. Seine umfangreiche Website ist für alle akribischen Sammler und Wissensdurstigen einen Pflichtbesuch wert. Mit seiner Frau lebt er in dem kleinen Ort Puppling bei München.
Mit zwölf Jahren las er einen Marsroman in einer astronomischen
Zeitschrift, die sein Vater abonniert hatte. Später folgte u. a. »Sun Koh« von P.A. Müller. Seine erste Story »Kalziumaktivierung« veröffentlichte er 1953 in der Wiener Kulturzeitschrift Neue Wege. 1958 publizierte er eine Geschichte im redaktionellen Anhang des Utopie Großbandes 68, in der er die traurige Geschichte einer Frau erzählte, die in einer Atmosphäre mit 98-prozentigem Sauerstoffanteil leben musste, in der ihr Freund jedoch verbrennen würde. Weitere Kurzgeschichten erschienen daraufhin in dem Fanzine SOL (nicht zu verwechseln mit der SOL zum Perry Rhodan Universum). Ab 1960 gab er die Zukunftsreihe des Goldmann Verlags heraus, wobei er weniger Einfluss auf die Auswahl hatte, sondern die Manuskripte eher auf wissenschaftliche Korrektheit prüfte.

Unter den acht Bänden der Reihe befand sich auch seine Kurzgeschichtensammlung »Der grüne Planet« mit 64 Science Fiction-Vignetten. Mit den Romanen »Das Gedankennetz« und »Der Orchideenkäfig«, die 1961 erschienen, sowie ein Jahr darauf »Die Glasfalle« und »Die Stahlwüste« verschaffte er sich einen Platz als bekanntester deutschsprachiger Science Fiction-Autor nach dem Krieg. 1963 folgte »Planet der Verlorenen« unter dem Pseudonym Sergius Both und zwei Jahre später »Der Elfenbeinturm«.

Nachdem die Goldmann Hardcoverreihe eingestellt wurde, hoffte H.W. Franke auf Lizenzvergaben nach Amerika. Doch leider blieben diese zunächst erfolglos. 1970 publizierte er »Zone Null«. Drei Jahre darauf wurden »Der Orchideenkäfig«, »Das Gedankennetz« und »Zone Null« endlich auch in den USA veröffentlicht.

An der Seite von Wolfgang Jeschke arbeitete er ab 1974 als Mitherausgeber der Science Fiction Taschenbuchreihe und des Science Fiction Story Readers des Heyne Verlages. Ab 01. Juli1979 wechselte H.W. Franke zurück zu Goldmann, wo weitere Publikationen folgten.
Herbert W. Franke schrieb neben Hörspielen auch Drehbücher.

1979 wurde von ars electronica »Astropoeticon« auf, das auf 16 Gedichte zum Thema Kosmos basiert. Noch im gleichen Jahr erschien dazu ein Bildband des Malers Andreas Nottebohm.

Zusammen mit Karl Heinz Willschrei schrieb H.W. Franke das Drehbuch für den 1985 in der ARD ausgestrahlten Fernsehfilm »Das Gespinst«, bei dem Heiner Lauterbach die Hauptrolle spielte.

Außerdem war er drei Jahre Vertragsautor der Münchener Bavaria-Film-und-Fernsehgesellschaft und schrieb unter anderem die Exposés sowie ein halbes Dutzend Drehbücher für eine 13-teilige Science-Fiction-Serie, die erst angenommen, dann aber nicht produziert wurde.

Und, erzählt Herbert W. Franke selbst: »Es gibt eine Menge Ausarbeitungen für solche Fernsehspiele, teils utopischer Art, auch eine neuere Serie, die mehr ins Phantastische geht. Eines der Drehbücher, die in meiner Zeit der Zusammenarbeit mit der Bavaria entstanden, nämlich ‚Schule für Übermenschen‘, habe ich als Basis des späteren gleichnamigen Romans verwendet. Alles andere ist ungenutzt.«

Jedoch ist Herbert W. Franke nicht nur im Science Fiction-Sektor bekannt, seine vielschichtigen Interessen brachten ihm diverse Auszeichnungen ein und so schrieb er Sach- und Fachbücher zum Thema Höhlenforschung, Technik, Computer, etc.

Seine Werke wurden in bis zu 16 Sprachen übersetzt. Über 50 Romane, Sachbücher und Kunstbände erschienen bisher. Zahlreiche Kurzgeschichten finden sich in Anthologien verstreut.

In den sechziger Jahren erhielt er mehrfach den Ernst –H. Richter – Gedenkpreis. Viele seiner Romane und Kurzgeschichten wurden u. a. mit dem Kurd-Laßwitz Preis, dem Deutschen Science Fiction Preis oder dem Deutschen Hugo Award gekürt. 1989 gewann er den Phantastik Preis Wetzlar mit »Hiobs Stern«.

Eine weitere Auszeichnung dürfte der ihm von Franz Rottensteiner gewidmete Science Fiction Almanach gewesen sein; erschienen in den Suhrkamp Reihe Polaris 6.
2004 erschien sein bislang letzter Roman »Sphinx_2« bei dtv. Im nächsten Jahr folgt der Roman »Cyber City Süd«. Weitere Werke sind – in jährlichem Abstand – geplant. Außerdem sollen die älteren Romane und Storybände in neuer Auflage bei dtv herauskommen.
Mit einem dezenten, aber charmanten Wiener Schmäh erzählte Herbert W. Franke per Telefon von den Anfängen der utopischen Literatur, über Projekte und seine Leidenschaften.

Erinnern Sie sich noch an Ihre Anfänge im Science Fiction Genre zurück?

Ja, natürlich. Das war in meiner Studentenzeit. Ich kannte utopische Literatur, der Ausdruck Science Fiction war damals nicht bekannt. Es muss so um 48 rum gewesen sein – ich kam auf die Idee, auch ein paar utopische Skizzen zu schreiben, habe aber nie daran gedacht, diese zu publizieren. Ich dachte, es wäre eine kleine Fingerübung für mich. Aus diesem Grund sind diese Geschichten auch sehr kurz geraten. Einige wenige habe ich auch veröffentlicht, aber die meisten sind liegen geblieben. Mindestens zehn Jahre später, als der Ausdruck Science Fiction bekannt wurde und ich beim Goldmann Verlag schon ein Buch publiziert hatte, kam Herr Goldmann mit der Idee zu mir, eine Science Fiction-Serie herauszubringen. Er hätte diese Literatur in Amerika kennen gelernt und meinte, es könnte auch in Deutschland ein Erfolg werden. Er wollte mit acht Bänden beginnen. Er fragte mich, ob ich beraten und als Herausgeber fungieren könnte. Das war damals noch nicht so genau definiert. Dem habe ich gern zugestimmt. Er hat versucht, mit acht amerikanischen Autoren Verträge abzuschließen. Bei einem kam der Vertrag nicht zustande. Es hat sich ewig verzögert, und relativ kurz vor dem Erscheinungstermin hatten wir nur sieben Bände. Der alte Herr Goldmann sagte zu mir: »Sie haben mir doch erzählt, Sie hätten da irgendwas geschrieben. Warum bringen wird das nicht raus?« Ich sagte: »Das wäre zu wenig vom Volumen her.« Doch er meinte: »Das macht doch nichts. Setzen Sie sich hin und schreiben Sie was.«

Ich habe das als große Chance gesehen, da ich mich damals kurzfristig als freier Schriftsteller selbstständig gemacht hatte. Das Angebot mit sieben bekannten, amerikanischen Autoren in einer Serie zu erscheinen, war natürlich sehr reizvoll, und da ich sehr schnell arbeiten kann, habe ich mir die Zeit genommen und innerhalb von 14 Tagen die 64 Geschichten von »Der grüne Planet« zu Papier gebracht.

Verfolgen Sie die Entwicklung der Science Fiction Szene? Was unterscheidet die aktuelle SF-Literatur von der damaligen?

Die Qualität hat sich sehr verändert. Wir hatten damals einen unheimlichen Vorteil, den man heute nicht mehr hat. Wir waren die ersten Interessenten der Science Fiction im deutschsprachigen Raum und bekamen die Rechte sehr preiswert.

Wir hatten das Repertoire der besten amerikanischen Autoren aus den letzten zehn oder zwanzig Jahren zur Verfügung. Wir konnten uns Asimov, Bester, Clarke, Heinlein, Frederik Pohl, usw. aussuchen und konnten aus dem Vollen schöpfen. Das ist heute längst nicht mehr so, was sicherlich auch ein Grund dafür ist, dass die heutigen SF-Veröffentlichungen die Qualität von damals in Deutschland nicht erreichen.

Das war damals eine sehr angenehme und günstige Situation und kein Verdienst von Herrn Goldmann oder mir.

Lesen Sie denn Romane, die heute aktuell auf den Markt kommen?

Ich versuche es, muss aber sagen, dass ich in dem letzten Jahr keine drei Bücher ausgelesen habe.

Aus Zeitgründen?

Natürlich habe ich wenig Zeit, aber wenn mich etwas wirklich fesseln würde, dann würde ich es schon lesen. Das meiste ist unerträglich langweilig und ich bin eigentlich der Meinung, dass diese Literatur, die als trivial verschrien ist, zumindest unterhalten sollte, aber wenn diese auch noch langweilig ist, dann leide ich darunter. Ich habe früher als Herausgeber so vieles Uninteressante lesen müssen, das war eine harte Arbeit und ich möchte mir heute ersparen, Bücher, die mich nicht fesseln, zu lesen.

Gibt es denn ein Buch, dass Sie zuletzt ausgelesen haben?

Da fällt mir nichts ein. Oder doch: Ich lese natürlich immer den Story-Band, den der Kollege Jeschke jährlich herausgibt. Da hat er eine Menge junger deutscher Autoren versammelt. Darunter sind einzelne Geschichten durchaus ansprechend. Die guten Autoren gäbe es schon, aber ich weiß nicht, ob sie keine Romane schreiben oder ob sie große Schwierigkeiten haben, diese bei den Verlagen unterzubringen.

Lassen Sie uns von Ihrem Roman »Sphinx_2« sprechen, der im dtv Verlag erschienen ist: Viele Rezensenten weisen auf das Thema Klone, Organspende, Sterbehilfe und das daraus empfundene, erschreckende Szenario hin. Wie sehen Sie das als Autor?

Ich finde es nicht erschreckend. Wir befinden uns in einem sehr unreifen Zustand der Technik. Es gibt sehr viel Missbrauch und Irrtümer und unangenehme Anwendungen. Wenn man diese Technik besser beherrschen würde, könnte sich einiges zum Besseren wenden. Ich glaube, dass die Menschen, die in dieser Zeit in Sphinx_2 leben, andere Dinge beklagen als das, was die Leute heute erschreckt. Ich glaube auch, dass man sich unter Klonen was Falsches vorstellt. Wenn man im Babyalter Zellen entnimmt und gewissermaßen einen gleichaltrigen Zwillingsbruder erzeugt, gibt es immer noch Unterschiede, weil nicht alles vererbt wird. Selbst bei Zwillingen ist das so. Es ist vielleicht lustig, wenn man ähnlich ausschaut, aber mehr als ein Bruder ist das auch nicht. Und die Absichten, man hätte übersinnliche Verbindungen – der eine ist der Master und der andere der Diener – ist natürlich abwegig. Wenn ein Klon mit Zellen eines Erwachsenen erzeugt wird, entsteht ein Wesen, das sich eigenständig entwickelt hat und dessen Ähnlichkeiten mit seinem Spender noch viel geringer sind. Und das wäre nicht viel anders, als ob man einen Sohn oder eine Tochter hätte.

Aber noch etwas zu »Sphinx_2«: Mein Thema ist nicht die Technik, sondern es ist ein Buch, das in relativ naher Zukunft spielt. Die Personen stehen in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Beängstigend ist eigentlich der große Unterschied zwischen arm und reich – und auf so was steuern wir ja zu. Dafür braucht man keine neue Technik, das entsteht aus anderen Gründen. Das ist viel erschreckender.

Neuartige Vergnügungen, Umgebung der Zukunft, Organisation etc. – all das ist Beiwerk.

Aber es ging mir nie darum, ein Buch über das Klonen oder die künstliche Intelligenz zu schreiben. Es geht um den Menschen, der in einer bestimmten Umgebung lebt. Die Konflikte entstehen aus dem Unterschied zwischen arm und reich.

Sie haben mehrere Jahre keinen Science Fiction Roman veröffentlicht. Haben Sie sich auf Ihre anderen Bereiche, wie Computergrafiken und Höhlenforschung, konzentriert? Oder wie kam es zu dieser langen Pause?

Das hing mit äußerlichen Umständen im Verlagswesen zusammen. In dieser Zeit habe ich ein Fachbuch geschrieben: »Animation mit Mathematica«. Ich habe zwei Jahre daran gearbeitet und musste mich mit dieser Technik auseinandersetzen. Es handelt sich um Software für Computer zur Herstellung von Grafikprogrammen, und zwar für bewegte Grafik.

»Cyber City Süd« ist der Titel Ihre neusten Werks, das 2005 ebenfalls bei dtv erscheinen wird. Dürfen Sie uns ein wenig vom Inhalt verraten?

Ich kann vielleicht sagen, dass dieses Buch in der näheren Zukunft spielt. Ich habe aufgrund des Echos von »Sphinx_2« den Eindruck erhalten, dass viele Leute, die sonst nicht zur Science Fiction greifen, mit der nahen Zukunft keine Schwierigkeiten haben und dass denen diese Bücher auch verständlicher erscheinen. So dass ich einige Bände und Erzählungen in der näheren Zukunft spielen lassen möchte.

»Cyber City Süd« spielt auch in 80 oder 100 Jahren. Ich lasse die Zeit ein wenig offen, denn ich habe ein Sachbuch zusammen mit einem Zukunfts-Forscher geschrieben, in dem wir Voraussagen gemacht haben, die sachlich durchaus in Ordnung waren. Es stellte sich aber heraus, dass wir die Zeiten schlecht beurteilen konnten, also wann die Dinge Realität werden. Das ist ein Grund, warum ich etwas vorsichtiger bin und mich auch in Science Fiction Romanen nicht festlegen möchte. Der neue Roman spielt im arabischen Raum und hat durchaus Bezüge zu dem, was im Irak vor sich geht. Zwei äußerliche Veränderungen spielen eine große Rolle: Erst mal sind die Vorräte an Erdöl erschöpft und, zweitens, die Vorräte an Wasser sind im Begriff sich aufzubrauchen. Die Erschöpfung der Erdölreserven hat die Leute dazu gezwungen, nach anderen Einnahmequellen zu suchen, und da extrapoliere ich den Trend, den man heute schon feststellt, etwa in Dubai, wo ganze Städte nur den Vergnügungen von Touristen gewidmet werden: Erholung, Vergnügen und so was. »Cyber City Süd« ist eine Stadt, die für die Unterhaltung der Touristen entstanden ist. Und zwar nicht mit den Mitteln von heute, sondern denen von morgen. So gibt es eine weitere fortschrittliche Technik: die des Cyber Space. Die Leute werden in dieser Stadt in Träume versetzt, während deren sie alle möglichen abenteuerlichen Erlebnisse haben können. So wird es dann gelingen, Touristen aus der ganzen Welt anzuziehen, die diese Möglichkeit des Cyber Space dort erleben möchten.

Haben Sie für diesen Zweck in Dubai recherchiert?

Nein, in Dubai selbst war ich nicht. Aber in Las Vegas, und dort habe ich mir Gedanken gemacht, wie sich denn diese Vergnügungsstädte weiter entwickeln könnten. Auch bei Las Vegas wird es so ähnlich sein. Aber in meinem Roman wird das Las Vegas von heute antiquiert sein und das eigentliche Neue ist dann »Cyber City Süd«. Aber was noch wichtiger war für den Roman: Ich war in Oman und Ägypten. Dort habe ich mich mit arabischen Freunden unterhalten können und eine gute Vorstellung über die Denkweise und Gepflogenheiten erhalten, die dort vorherrschen, z.B. in der Art und Weise wie man sich den Europäern – noch schlimmer den Amerikanern – gegenüber eingestellt hat . Diese Erkenntnisse werden dann im Roman auch angewandt.

Verbinden Sie diese Recherchen auch mit Ihren anderen Passionen, zum Beispiel der Höhlenforschung?

Wenn sich das automatisch ergibt, der Schauplatz einer Höhle in den Plot hineinpassen würde, dann ist es ja klar, dass ich aus meinen Erfahrungen einiges verwende, was ich selbst erlebt habe. Und Sie haben ins Volle getroffen: in »Cyber City Süd« spielen diese Erfahrungen aus der Höhlenforschung eine sehr große Rolle. Ich sagte ja, dass es um das versiegende Wasser geht. Bei meinem Besuch in der Sahara habe ich mich speziell für die früheren Verhältnisse der Wasserversorgung interessiert. Dort habe ich Tropfsteine entdeckt, die auf ein feuchtes Klima zurück gehen. Die Höhlen, die man in der Wüste betreten kann, sind die letzten Überbleibsel aus Seen und Wasserlagen, die sich später ins Unterirdische verlagert haben. So geht es in dem Buch tatsächlich um solche unterirdischen Wasserlager, die sich in Gegenden befinden, wo Spuren von früherem Wasserreichtum in Form von Höhlen noch erhalten sind. Aber auch hier ergänzend dazu: Es geht um die Menschen, die mit einer Situation umgehen lernen müssen. Die Nebenbedingungen – das Wasserversiegen, kein Geld mehr mit Öl verdienen zu können – wird eine wichtige Rolle spielen im Hinblick auf die Einflüsse auf diese Menschen. Es geht letztlich nicht um die utopischen Aspekte, sondern um die Auseinandersetzungen der Urbevölkerung und der Eindringlinge, die sich in diesen Ländern festsetzen und der arabischen Bevölkerung aufzwingen wollen, was dort eigentlich nicht hinpasst, weil sich die Kultur anderes entwickelt hat. Die Auseinandersetzungen zwischen diesen völlig verschiedenen Ansichten spielen eine große Rolle. Es geht um die einzelnen Menschen, die in den Wirkungskreis geraten und deren Schicksal ich beschreibe, alles andere sind nur die äußeren Umstände.

Sie haben ein sehr bewegtes, ein abenteuerliches Leben gehabt. In anderen Interviews sprechen Sie selbst von Ihren drei Biografien. Gibt es etwas, das Sie zukünftig gern in Angriff nehmen möchten?

Sie haben natürlich Recht, die drei Biografien beziehen sich auf drei Schwerpunkte meiner Interessenfelder. Eins ist natürlich die Schriftstellerei, wobei ich natürlich nicht nur auf die Science Fiction spezialisiert bin. Aber immerhin ist es eine wichtige Sache für mich, und da möchte ich auch noch einiges realisieren. Und das ist bei Büchern auch etwas, was man ins hohe Alter hinein machen kann, weil man nicht auf schwierigen Expeditionen mitmachen muss. Da kommen wir zum zweiten Thema: die Höhlenforschung. Da kann ich natürlich weiter theoretisch mitmachen. Da gibt es auch einige Ideen, aber es hat mir immer Freude gemacht, das Praktische und das Theoretische miteinander zu verbinden. Aber es ist klar, dass ich heute nicht mehr alles mitmachen kann, z.B. bei extremen Schachtexpeditionen im Hochgebirge. Die Höhlenforschung habe ich also zurückgedrängt, aber nicht ganz aufgegeben. Ich war in den letzten Monaten in einer der größten Lavahöhlen der Welt – der zweitgrößten – in Hawaii. Die ist nicht so schwierig zu begehen, dass ich hätte zögern müssen. In dem Sinn kann ich mich natürlich nach wie beteiligen. Und da muss ich halt meine Interessen auf etwas richten, was man auch weiter verfolgen kann, ohne komplizierte Hochgebirgsexpeditionen durchführen zu müssen. Aber auch das gebe ich nicht völlig auf. In einer Höhle, die mich immer sehr interessiert hat, gibt es eine Stelle, wo ich erwarte, dass man noch weiter vordringen und in große Räume gelangen kann. Kilometer weite Strecken erwarte ich da. Ich habe meinen Kollegen gesagt, wenn dort einmal der Durchbruch erzielt wird, soll man mich anrufen – und selbst wenn ich mit Krücken gehen müsste, dort möchte ich noch einmal hin.

Wo befindet sich diese Höhle?

Im österreichischen Dachstein.

Und Ihr drittes Interessengebiet?

Die Computergrafik und der Computer an sich war für mich eine große Herausforderung, weil mich die Zusammenhänge zwischen Technik, Wissenschaft, Philosophie, aber auch Literatur und Kunst interessieren. Ich habe in ersten Computergrafiksystemen gleich die Möglichkeit erkannt, die sich für spätere Entwicklungen ergeben könnten. Mich selbst haben die Entwicklungen interessiert, die zur Kunst führen; dass sich der Computer – was ich vorausgesagt habe – als ein universelles Kunstinstrument herausgestellt hat. Er kann nicht nur unbewegte Bilder hervorbringen, sondern auch bewegte Bilder, Animationen, interaktive Bilder, auch Musik, Literatur, Film usw… Es ist aufregend, und daran experimentiere ich ständig. >Was den Zusammenhang zwischen dem Computer und der Science Fiction, und damit auch den Zukunftsentwicklungen und der Philosophie betrifft, ist eine andere Seite des Computers, die mich interessiert, die künstliche Intelligenz. In »Sphinx_2« habe ich einiges ausgemalt, was auf uns zukommen könnte, aber auch die Verbindung mit der Kunst ist nicht uninteressant – ich habe ja vorhin im Zusammenhang mit »Cyber City Süd« von virtuellen Erlebnissen gesprochen, die man in dieser Stadt erleben kann, und das ist eine Anwendung des Computers, die viel mit Kunst zu tun hat: Man kann mit Hilfe des Computers eine Situation als illusionäre Wirklichkeit darbieten und zwar in so echt scheinender Weise, dass der Adressat glaubt, er befände sich in dieser neuen Welt. Beim Entwurf dieser Welt kann man durchaus von der Realität abgehen und eine phantastische Welt entwerfen. Und das ist auch das, was wir in der fiktiven Stadt »Cyber City Süd« erleben werden. Aber wir sind da schon recht weit – und im Spielesektor sind wir da sogar schon recht nahe bei brauchbaren Lösungen.

Bleibt Ihnen bei diesen vielfältigen Beschäftigungen noch Zeit für ein Hobby?

Zeit bleibt nicht viel. Da ich mit der Höhlenforschung nicht mehr so intensiv beschäftigt bin, habe ich mich ein wenig auf das Mineralien sammeln verlegt, das ist ein neues Hobby.

Gibt es etwas, das Sie gern einmal sagen möchten, aber noch nicht die Gelegenheit dazu hatten?

Vielleicht eines, ganz kurz noch mal auf meine frühen Jahre zurückgreifend: Als ich noch Schüler war, habe ich die ersten Zukunftsromane von deutschen Autoren in die Hand gekriegt. In der Leihbibliothek, in der meine Mutter war, hat mich ein alter Herr beraten und mir neue Bücher rausgesucht. Ich hatte aber in kürzester Zeit alles ausgelesen, was man als Zukunftsliteratur bezeichnen könnte. Und da hat er mit empfohlen auch mal was Fantastisches zu lesen. Das war sehr interessant und auch ein prägendes Element meiner Jugend. Ich bin in diesen Jahren in das tausendjährige Reich hineingeraten. Und eine gewisse fantastische Literatur war zu diesem Zeitpunkt verboten. Der alte Bibliothekar hat mir die Bücher rausgesucht, die nicht mehr öffentlich verliehen werden durften. Und so habe ich Autoren kennen gelernt wie Kafka, Perutz, Meyrink, Soyka, und war sehr überrascht über eine Eigenschaft dieser Bücher, die ich bei Dominik oder den anderen deutschen Autoren nicht gefunden hatte. Nämlich eine literarische Qualität, die ich damals vielleicht noch nicht so genannt hätte, aber doch bemerkte. Das ist in einer Weise geschrieben, die viel intensiver wirkt und höheres ästhetisches Vergnügen macht als z.B. die Schilderungen von Dominik.

Ich habe einiges an dieser fantastischen Literatur gelesen und meine ersten literarischen Versuche waren, abgesehen von Gedichten – mit denen man ja meistens anfängt – fantastische Geschichten. Das was mich an der fantastischen Literatur jedoch gestört hat, war von Anfang an die Tatsache, dass bei der reinen Phantastik keine Erklärung gegeben wird, was da passiert. Und ich hätte mir – das war so meine Vision – eine fantastische Literatur gewünscht, in der der Leser letztlich eine Erklärung für das unglaubliche Geschehen bekommt. Und so glaube ich, dass in meiner Science Fiction das Phantastische stärker ausgeprägt ist als bei vielen anderen Science Fiction Autoren – weil es einfach eine ganz persönliche Note von mir ist: etwas, was ich selbst gern fördern möchte, was mir am Herzen liegt. Es ist eine Literatur wie ich sie halt selbst gern lesen würde.

Wenn man was Fantastisches lesen möchte, sollte man nicht immer bei den Fantasten suchen, sondern auch bei den Science Fiction Autoren – oder anders ausgedrückt: Die technischen Möglichkeiten unserer Welt sind noch längst nicht ausgeschöpft. Es lohnt sich, der Literatur nachzugehen, die sich dieser Entwicklungen annimmt, und sich nicht in merkwürdigen Märchenreichen verliert. Oder Dinge beschreibt, von denen jeder Wissenschaftler weiß, dass es sie nicht geben kann: Beamen zum Beispiel, oder Zeitsprünge. Die Zukunft hält genügend fantastische Dinge für uns bereit, die technisch und wissenschaftlich realisierbar und trotzdem fantastisch scheinen.

Ich danke Herbert W. Franke für das Interview und die kompetente Zusammenarbeit bei der Ergänzung der Bibliografie. Mein Dank gilt auch Horst G. Tröster für die Bereitstellung seiner informativen Recherchen zum Thema Hörspiel.

Zur Bibliographie Herbert W. Franke (pdf.-Datei)

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Quellen & Informationen:

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© Nicole Rensmann / phantastisch! / Herbert W. Franke

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