»Elfen haben doofe Ohren« oder »Troll im Wachstum«
Ein Interview mit Friedel Wahren von Nicole Rensmann
Nicht viele kennen sich besser im Fantasy-Genre aus als die am 23. März 1941 in Offenbach geborene Friedel Wahren. Sie wuchs im Odenwald auf und studierte Germanistik, Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Volkskunde. Später arbeitete sie als Lexikon-Redakteurin bei der Großen Brockhaus-Enzyklopädie und war Chefredakteurin bei der Comicserie »Fix und Foxi«. Von 1976 an betreute sie – zusammen mit Wolfgang Jeschke – die Fantasy- und Science-Fiction-Reihe des Wilhelm-Heyne-Verlages. Zusammen mit Erik Simon gab sie beim Heyne-Verlag mehrere Anthologien heraus, darunter »Retter der Ewigkeit«, »Tolkiens Erbe« oder »Schöne Bescherungen«. Jahrelang fungierte sie ebenfalls als Herausgeberin für Isaac Asimov´s SF Magazin.
Anfang 2001 wechselte sie den Verlag und ging zu Piper Fantasy. Fünf Jahre lang – bis zu ihrer Pensionierung – arbeitete sie dort im Lektorat.
Seit 1968 lebt sie in München, sie ist geschieden und kinderlos.
Bald dreißig Jahre sind Sie als Lektorin und Herausgeberin tätig. Stellt dieser Beruf Ihre Erfüllung dar?
Ursprünglich wollte ich ja Kustodin in einem Kunstmuseum werden oder (mindestens) Direktorin einer Staatsbibliothek. Auf jeden Fall wollte ich etwas mit Kunst und Büchern zu tun haben. Dann brachte mich der Zufall – oder das Schicksal – mit phantastischer Literatur in Berührung, und seitdem trauere ich meiner Karriere als höherer Beamtin eigentlich nicht mehr nach. Die Beschäftigung mit Büchern ist mir ja geblieben, und das weite Feld der Fantasy nimmt es locker mit den Depots und Magazinen sämtlicher Museen und Bibliotheken der Welt auf, was Kunstfertigkeit, Farbenreichtum und Vielbändigkeit betrifft.
Haben Sie schon einmal den Wunsch gehegt, selbst ein Buch zu schreiben und die Bestsellerlisten zu stürmen?
Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mindestens zwei unaufgefordert eingesandte Manuskripte auf dem Schreibtisch landen: Der soundsovielte Aufguss des »Herrn der Ringe«, die hundertste Variante der »Nebel von Avalon«, die Abenteuer eines kleinen Bruders von »Harry Potter« – alles mit Herzblut geschrieben von mehr oder weniger begabten Nachwuchsautoren, die sich den großen Durchbruch erhoffen. 99% aller dieser Einsendungen wandern umgehend in die Ablehnungskiste. Ein Prozent davon ist brauchbar oder manchmal sogar richtig gut, und diese Texte gehen dann auch ihren Weg in die Veröffentlichung. Nun, nach all diesen Erfahrungen bin ich vielleicht so desillusioniert, dass ich nie den Wunsch verspürt habe, mich an einem Fantasy-Text zu versuchen. Ich weiß, dass fast jeder, der mit Fantasy zu tun hat, schon etwas zu Papier gebracht hat, sei es eine Story, einen DSA-Roman oder ein richtiges Opus magnum. Manchmal schlummern diese Werke in der Schublade, und man erfährt davon ganz im Vertrauen nach dem fünften Bier. Dann wird man schon mal verschämt gefragt, ob man nicht einen Weg sähe … bei Piper … man wisse schon. Manchmal werden aus Lektoren auch bekannte Autoren – siehe Wolfgang Jeschke. In meinem Fall aber – kurz gesagt: Nein, den Wunsch, selbst zu schreiben, habe ich noch nie gehegt und überlasse das Schreiben anderen, denen ich dann um so lieber den Weg zu Bestsellerehren ebne.
Derzeit setzen die Verlage auf deutsche Fantasy. Monika Felten – die Sie auch betreuen –, »Gezeitenwelten« mit vier herausragenden Autoren, Markolf Hoffmann, Cornelia Funke oder Markus Heitz, um nur wenige zu nennen. Wie erklären Sie sich diesen Trend? Ist Harry Potter womöglich der Auslöser dieser neuen Fantasy-Welle?
Es gibt ja deutliche Wellenbewegungen in der Beliebtheitsskala der Genreliteraturen – Western ist out, Krimi wieder stark in, Science Fiction verharrt in einer Talsohle, wird aber sicher bald zu neuer Größe auferstehen … Ja, und Fantasy boomt nach einer gewissen Flaute in den neunziger Jahren gewaltiger denn je. Das beruht zum einen auf der »natürlichen« Wellenbewegung des Trends, zum anderen natürlich auf den Erfolgen von »Harry Potter« und der Verfilmung des »Herrn der Ringe«. Und ein Quäntchen Unberechenbarkeit enthält bekanntlich jeder große Erfolg, sonst wäre er ja kalkulierbar. Um so mehr freuen wir uns über diese großartige Entwicklung.
Und warum greifen die Verlage jetzt vermehrt auf heimatliche Autoren zurück?
Jahrzehntelang galt es in der Fantasy als Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Buchs, dass der Autor einen angloamerikanisch klingenden Namen hatte. Bücher mit deutsch klingenden Autorennamen floppten von vornherein gnadenlos – das ist die Wahrheit! Deutsche Autorinnen und Autoren nahmen Zuflucht zu Pseudonymen, um auf dem Markt wahrgenommen zu werden, so zum Beispiel Susanne Gerdom mit ihrem ersten Roman »Ellorans Traum«, auf dessen Cover der Name Frances G. Hill prangte. Heute publiziert sie längst stolz unter eigenem Namen. Ja, zum Glück gab es da einen Geschmacks- und Gesinnungswechsel bei den Lesern, die plötzlich merkten, dass auch deutsche Autoren wie Markus Heitz, Harald Evers, Kai Meyer oder Barbara Büchner faszinierende Anderwelten zu schaffen verstanden und großartige Plots schreiben konnten.
Im Herbst 2004 begann das crossmediale Projekt von Ingeborg Ahrenkiel: Monika Felten schreibt die Trilogie »Das Erbe der Runen«. Anna Kristina singt, Illustrationen und Puzzlemotive kommen von Alexander Jung. Auch »Die Gezeitenwelt« gehört zu den besonderen Fantasy-Epen.
Glauben Sie, dass diese Art der Veröffentlichung und der Präsentation die Zukunft der Bücher hier in Deutschland sein wird, Romane mit Musik-CD, Merchandising? Brauchen die Leser mehr als nur ein spannendes und stilistisch ausgereiftes Buch?
Monika Felten pflegte ihre Lesungen bisher immer in Kerzenlicht zu tauchen und mit Filmmusik aus dem »Herrn der Ringe« zu untermalen – mit großem Erfolg. Diesem Bedürfnis nach einer phantastisch-romantischen Stimmung wird nun mit dem Projekt »Das Erbe der Runen« Rechnung getragen, einer Trilogie, bei der Monika Felten die literarische Seite abdeckt und die junge Sängerin Anna Kristina romantisch-balladeske Songs liefert, das heißt, dem Roman »Die Nebelsängerin« liegt eine CD bei, deren Musik die ideale Ergänzung für den Text darstellt. Diese Kombination von Text und Musik wurde schon mehrfach erfolgreich auch in der Belletristik im Hause Piper erprobt – zum Beispiel bei Maarten t’Harts Roman »Bach und ich« oder Andrea de Carlos Roman »Die ganz große Nummer«, der mit einer CD ausgeliefert wird, auf der der Autor Lieder zur Gitarre singt und so Buch und Musik zu einer Einheit gestaltet.
Zu der Planung für »Das Erbe der Runen« gehörte auch die Möglichkeit, weitere Autoren einzubinden. Ist schon geklärt, welche Schriftsteller dafür gewonnen werden und wie die Zusammenarbeit dann vonstatten geht? Sind doch mehr Zyklen geplant, als die Presseseite bis dato bekannt gibt?
Konkret ist noch nichts geplant. Monika Felten wird erst einmal die Trilogie »Das Erbe der Runen« zu Ende schreiben. Der erste Roman erschien im Herbst 2004, und dann kommt jedes Jahr ein weiterer Band hinzu. Die Trilogie wird also im Herbst 2006 abgeschlossen sein. Wir sind gespannt, welche Resonanz das Konzept bei den Lesern haben wird. Bisher sind aber noch keine Überlegungen angestellt worden, ob wir die Trilogie zu einem Zyklus erweitern und Frau Felten weiterschreibt bzw. neue Autoren zum Team stoßen. Aber ich bin sicher: »Das Erbe der Runen« wird ein großer Wurf und ein echter Erfolg.
Ist Ihnen in den fünfundzwanzig Jahren schon einmal ein Manuskript durch die Lappen gegangen, das später bei einem anderen Verlag große Erfolge gefeiert hat? Oder wurden Sie von Autoren, die Sie eigentlich schon abgeschrieben hatten, positiv überrascht?
Im Kampf um die dicksten Brocken bei internationalen Titeln geht es zum Teil hoch her – hoch auch im Hinblick auf astronomisch hohe Honorarerwartungen und auf das Überbieten des Konkurrenten mit einer weiteren fünfstelligen Dollarzugabe. Da gibt der Klügere nach und steigt bei diesen irrwitzigen Auktionen aus. Aus diesem Grund erschien Flavia Bujors Roman »Das Orakel von Oonagh« auch nicht bei Piper, sondern bei einem anderen Verlag. Ebenso wenig beteiligen wir uns an den berüchtigten Buchmessen-Auktionen, bei denen über Nacht für mehr oder weniger bekannte Autoren – und noch völlig unbekannte, weil ungeschriebene Romane – horrende Vorauszahlungen ausgehandelt werden. Oft stranden diese Titel dann irgendwo im Taschenbuch oder werden lustlos von einem Programm ins nächste verschoben.
Richtig durch die Lappen gegangen ist mir ein Manuskript ehrlich gesagt noch nicht. Meist konnten wir junge deutsche oder ausländische Autoren, die ihre Texte eingeschickt hatten und die einen verheißungsvollen Eindruck machten, auch für uns gewinnen, ob es nun Autoren sind wie Harald Evers, Magus Magellan (hinter dem sich bekanntlich vier Autoren verbergen, die gemeinsam den Gezeitenwelt-Zyklus schreiben), Monika Felten, die junge Freya Gräfin von Korff (ihr Roman »Jenseits der Zauberweiden« erschien im Herbst 04 bei Piper) oder aber Markus Heitz, dessen Ulldart-Zyklus ich auf der Buchmesse 2000 per Handschlag erwarb.
Habe ich drei Wünsche frei? Dann sollen ab sofort alle neuen Scheibenwelt-Romane bei Piper erscheinen (nicht nur die neun bisher bei Heyne erschienenen). Und die Erwachsenen-Romane von Kai Meyer. Und wenn ich schon so richtig hinlangen darf – natürlich auch eine gewisse Joanne K. Rowling (danke, gute Fee!) …
Im Mai 2003 wünschten Sie sich im Gespräch mit Hans Peter Röntgen für das Magazin »tempest« einen deutschen J.R.R. Tolkien. Haben Sie ihn zwischenzeitlich getroffen?
Schön wär’s gewesen! Aber nur ein grenzenloser Optimist oder ein naiver Anfänger kann hoffen, einen deutschen Tolkien zu finden. Aber so hoch wollen wir ja gar nicht hinaus! Wir sind schon glücklich, dass es wieder hochtalentierte junge Autorinnen und Autoren gibt, die zu fördern sich lohnt. Autoren wie Markus Heitz, Monika Felten, Oliver Meißner, Markolf Hoffmann und Magus Magellan haben das Zeug dazu, sich zu echten Megasellern zu entwickeln.
Wie schätzen Sie die Bedeutung des Deutschen-Science-Fiction-Preises, des Deutschen-Phantastik-Preises und des Kurd-Laßwitz-Preises ein?
Diese Preise, die zum Teil nach dem Votum von Lesern und Fans, zum Teil von Fantasy-Insidern vergeben werden, können in ihrer Wirkung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Oft bedeutet eine Auszeichnung den Beginn einer großen Karriere. Zumindest ist sie immer eine besondere Aufwertung des Autors oder seines Werks. Monika Felten hat zweimal hintereinander den Deutschen-Phantastik-Preis für ihre »Saga von Thale« bekommen, und dies hatte unübersehbare Signalwirkung und verschaffte der bis dahin fast unbekannten Autorin ein hohes Ansehen innerhalb des Genres. Die vier Autoren der Gezeitenwelt, die unter dem Pseudonym Magus Magellan firmieren, wurden mit dem Deutschen-Rollenspiele-Preis ausgezeichnet, ein gewaltiger Ansporn für Bernhard Hennen, Hadmar von Wieser, Thomas Finn und Karl-Heinz Witzko, ihr anspruchsvolles Projekt weiterzuführen.
Wie informieren Sie sich über den Markt, über Autoren, über die Veränderung der Zielgruppen?
Über den angloamerikanischen Markt informiert kein Magazin besser als Charles Browns LOCUS. Die Rezensionen geben immer wieder Anregungen, aus der unüberschaubaren Masse der Veröffentlichungen das eine oder andere herauszupicken. Daneben sind Internet, die Vorschauen deutscher und internationaler Verlage – vor allem auch kleiner Verlage –, Fachzeitschriften gute Quellen für Information. Sogenannte Scouts nehmen die Interessen der Verlage im Ausland wahr – USA, England, Italien, Frankreich – und informieren über Neuerscheinungen, die interessant sein könnten. Ja, und dann hat man noch seine privaten Kontakte, »Zuträger«, Freunde des Hauses, Kollegen, mit denen man in ständigem Kontakt steht und über die man nicht nur an Buchempfehlungen kommt, sondern mit denen man auch den aktuellen Branchenklatsch austauscht.
Gibt es in der Phantastischen Szene Autoren mit denen Sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen könnten?
Da gibt es eine ganze Menge »Wunschkandidaten«: Kai Meyer, Ralf Isau, Cornelia Funke sind Autoren, deren Namen ich mir gut auf einem Piper-Buch vorstellen könnte. Dann ist da noch die junge Rebecca Hohlbein, Tochter des Großmeisters der deutschen Phantastik, die offenbar das Talent des Vaters geerbt hat und mit ersten Veröffentlichungen hervorgetreten ist. Von ihr wünsche ich mir einen schönen Roman, denn sie hat das Zeug dazu: Phantasie und Fabulierlust.
Beobachten Sie die Trends und Veröffentlichungen der Kleinverlage?
Im Hinblick auf Lizenzen deutscher Publikationen für unsere Taschenbuchreihe Serie Piper Fantasy sind mein Kollege Carsten Polzin und ich immer auf der Suche nach geeignetem Material, und wir beobachten natürlich die Kleinverlage, bei denen so mancher Schatz zu heben ist. Besonders freue ich mich über die Serie »Kai Meyers Mythenwelt«, die beim Festa Verlag im Hardcover und bei Piper im Taschenbuch erscheint. Nach einem Konzept von Kai Meyer schreibt der amerikanische Autor James A. Owen faszinierende Romane um Weltuntergang, Richard Wagner, geheime Bibliotheken und die nordische Götterwelt, ein skurriles, phantastisches Garn, das besonders unter Kennern und Liebhabern von Themen abseits der ausgetretenen Fantasy-Pfade Freunde finden wird. Ebenso fündig wurden wir bei der Büchergilde Gutenberg, wo wir den wunderbaren Roman »Die Zauberlaterne« von Wolfheinrich von der Mülbe entdeckten, ein echtes Fundstück, geschrieben 1937, voller Ironie, Phantasie und Fabulierkraft, bevölkert von Ritter Kunibert, dem Drachen Knurks und einer Fee namens Süffisande, eine unwiderstehliche Mischung aus Märchen, Satire und Parabel, der man die vielen Jahre, die das Buch auf dem Buckel hat, nicht anmerkt. Eine echte Trouvaille!
Welche Aufgabe hat ein Lektor? Die Hälfte des Buches neu zu schreiben? Den Autor aufzubauen? Ihn weiterzubilden?
Alles dies und noch viel mehr ist Aufgabe eines Lektors, von der Akquisition geeigneter Bücher über das Verhandeln mit Autoren, Verlegern, Literaturagenten, vom Händchenhalten blockierter Autoren über die Lektüre von Exposés bis zum Redigieren von Originaltexten und Übersetzungen … die Liste ist endlos. Daneben muss der Lektor aber auch so profane und zeitraubende Arbeiten erledigen wie das Texten von Vorschauen, Umschlagrückseiten, Prospekten, das Schreiben von Impressa, das Überprüfen von Textumbrüchen. Dann fallen noch Lektoratssitzungen an, intern oder im größeren Rahmen, Korrespondenz und Telefonate mit Agenturen, Autoren, Übersetzern, Graphikern und Bearbeitern… und … und … und… Und vor allem soll er ein erstklassiges, stimmiges, gutverkäufliches Programm machen.
Was muss ein Lektor mitbringen, welche Fähigkeiten sollte er haben, welche sich aneignen?
Ein Lektor sollte eine gute Allgemeinbildung und Liebe zum geschriebenen Wort mitbringen, belesen sein, sich in seinem Fachgebiet auskennen, mit Sprache umgehen können, Geduld und Gelassenheit üben können mit phantasievollen, komplexen Menschen und ihren Eigenarten, gut organisieren, Wichtig und Unwichtig trennen können, viel Humor und Nachsicht, Selbstironie und starke Nerven haben. Und in meinem Fall die Fähigkeit, sich einzulassen auf diese immer wieder überraschende, sich ständig erneuernde Materie, dieses skurrile, lebendige Genre mit seinen ebenso skurrilen wie lebendigen Protagonisten, Zuträgern, Beiträgern, Kritikern und Kritikastern, Fans und Rollenspielern, all diesen verrückten und liebenswerten Menschen, die sich auf dem Gebiet der Fantasy tummeln.
Wie würden Sie die Zielgruppe von Piper Fantasy bezeichnen? Ausschließlich Erwachsene oder durchaus auch jüngere Leser, die z.B. mit »Jenseits der Zauberweiden« von Freya Gräfin von Korff, das im Herbst 2004 erschien, angesprochen werden sollen?
Die Piper Fantasy deckt das Spektrum der Fantasy-Leserschaft in allen seinen Schattierungen ab. Während Leserinnen zu Douglass und Felten greifen, spricht der Gezeitenwelt-Zyklus vermutlich eher ein männliches Lesepublikum an, während die Romane »Meister Atami und der kleine Mönch« von Da Chen, ein phantastischer Roman aus der Welt des Kung-Fu, und »Jenseits der Zauberweiden« (die Autorin wird Ende Dezember achtzehn) – ähnlich wie die Harry-Potter-Romane – als All-Age-Buch für Leserinnen und Leser jeder Altersstufe gedacht sind. Wolfgang Hohlbein hat seine Fangemeinde und darüber hinaus eine immense »Laufkundschaft«, wie die Verkaufszahlen eindeutig beweisen.
Dürfen Sie über zukünftige Zusammenarbeiten – sowohl mit Autoren, als auch mit Verlagen – sprechen? Was plant der Piper-Verlag für das Jahr 2005 und darüber hinaus?
Wir werden weiterhin pro Halbjahr etwa je drei gebundene Titel und drei »Fantasy«-Broschüren (in Trade-Paperback-Format) im Hardcover-Programm bringen, während für die Taschenbuchreihe in der Serie Piper etwa 20 Neuerscheinungen pro Halbjahr geplant sind. Im Herbst 2005 starten wir etwas Neues von Sara Douglass: »Im Zeichen der Sterne«, einen ähnlich faszinierenden Zyklus wie »Unter dem Weltenbaum«. Wolfgang Hohlbein schreibt gerade eine große Trilogie um die Sonnenscheibe von Nebra – der erste Roman erschien Ende 2004. Die Serie um Orks und Zwerge wird fortgesetzt – es gibt noch einige Geschöpfe Tolkiens, die die Phantasie eines Autors anzuregen vermögen. Des weiteren haben wir die Rechte an einem französischen Zyklus erworben, »Tara Duncan« von Sophie Audouin-Mamikonian, und werden mit dem Zyklus »Il risveglio dell’ombra« (Die Rückkehr der Schatten) des Italieners Luca Trugenberger einen südländischen Farbtupfer in das Programm setzen. Und immer wieder gibt es Einzelromane, die aus der Masse der internationalen Veröffentlichungen herausragen und es wert sind, übersetzt und auf deutsch publiziert zu werden, so ein neuer Roman von Guy Gavriel Kay (meinem Lieblingsautor) oder eine erotische Tierfantasy der Amerikanerin Kij Johnson.
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit, um sich vom Lektorat zu erholen?
Da beschäftige ich mich gern mit Reisen, Wandern, Oper und Theater, ich liebe Friedhöfe, beobachte leidenschaftlich gern Menschen, bin überhaupt neugierig auf die vielfältigen Ausprägungen des Leben – was, wenn ich es genau bedenke, im Grunde ja alles Fantasy ist!
Lesen Sie auch privat Phantastische Literatur? Welche Bücher haben Sie zuletzt – nur zum Vergnügen – gelesen?
Privat lese ich zur Entspannung gern mal einen Krimi. Die letzten: »Nie sollst du vergessen« von Elizabeth George und »Tod im Palazzo« von Magdalen Nabb, angenehme Unterhaltung während meiner morgendlichen und abendlichen U-Bahnfahrten. Da sich bei einem Lektor aber Privates und Berufliches oft vermischen, lese ich auch privat phantastische Literatur, nehme mir ein Buch mit ins Wochenende, das ich bis zur Montagssitzung dann gelesen und begutachtet haben möchte. Mein Lieblingsautor gehört allerdings zur Weltliteratur: Marcel Proust, dessen vielbändige »Suche nach der verlorenen Zeit« ich immer wieder von vorn beginne – bisher habe ich es aber nie über den vierten oder fünften Band hinaus geschafft. Mein Traum war es lange Zeit, in einem Sanatorium in Davos so viel Zeit zu haben – ohne ernsthaft krank zu sein –, das Werk vom ersten bis zum letzten Band durchzulesen. Nun werde ich bis zur Pensionierung warten und die Lektüre dann in vollen Zügen genießen.
In welche Rolle der Charaktere aus den von Ihnen betreuten Fantasy-Reihen würden Sie gern einmal schlüpfen?
In die Rolle Conans des Barbaren! Endlich mal groß sein, stark, rücksichtslos und nicht PC – ja, Conan ist die ideale Figur, in die ich im Rollenspiel gern mal schlüpfen würde. Oder ein Ork sein – richtig böse, animalisch und nur den niederen Instinkten gehorchend! Oder ein geschickter Elf mit spitzen Ohren und schnellem Bogen (ein T-Shirt mit dem Aufdruck »Elfen haben doofe Ohren« habe ich mir schon auf dem NordCon in Hamburg gekauft). Auf dem FeenCon in Bad Godesberg schenkte mir Heike Hohlbein ein schwarzes T-Shirt mit grüner Schrift: »Troll im Wachstum«. Nun gut, ein Troll zu sein, wäre auch gar nicht so schlecht. Und noch ein paar Zentimeter zu wachsen, wäre von Vorteil.
(c) Text: Nicole Rensmann / phantastisch!
(c) Foto: Friedel Wahren
Dieses Interview steht auch auf folgenden Seiten:
www.montsegur.de
www.storyline-net.de
www.piper-fantasy.de