Weiter geht es mit dem Archiv-Pool, aus dem ich heute ein Interview mit Boris Koch fische, das ebenfalls in der 14. Ausgabe von phantastisch! erschien.
»Ich brauche ein wenig Abwechslung…«
Ein Interview mit Boris Koch von Nicole Rensmann
Der sympathische und gesellige wahlheimatliche Berliner wurde am 29. Januar 1973 geboren. Er wuchs mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder im bayrischen Schwabenland auf und soll, nach seiner eigenen Aussage, schon in Kinderjahren seine Zeitgenossen tyrannisiert haben. Sein Vater arbeitete als Lehrer und seine Mutter als Sozialarbeiterin. Boris Koch studierte drei Semester Alte Geschichte, anschließend sieben Semester neuere deutsche Literatur, dazu im Nebenfach wenige Monate Vor- und Frühgeschichte, Geschichte der Naturwissenschaften, Geschichtliche Hilfswissenschaften und Theaterwissenschaft. Doch sein vielfältiges Interesse, sein enthusiastischer Charakter und der nach wie vor bestehende Wunsch zum Schreiben brachten ihn nie dazu, ein Studium zu beenden. Viel lieber widmete er sich den schillernden Facetten des Literaturbetriebs. Bereits als Kind, so erzählte er Jörg Bartscher-Kleudgen in einem Interview, schrieb er eine Geschichte über einen Papageien. Mit zehn Jahren dann folgte ein handgeschriebenes Fußballmagazin. Fünf Jahre später verfasste er seine erste Fantasy-Geschichte für ein Rollenspielfanzine. Während der Pubertät schrieb er Gedichte, die er aber niemals an die Öffentlichkeit geben würde. Ab 1988 arbeitete er bei dem Rollenspielfanzine »Exkalibur«. Als Redakteur des Magazins »Mephisto« ist er für die Sparten Buch, Comic und Film verantwortlich.
Seine spärliche Freizeit verbringt er damit, für die Dadapopformation AKW (Angerhuber – Koch – Wagner) Texte zu schreiben und zu singen. Eine CD gibt es zwar noch nicht, aber einige wenige Songs können auf der Website angehört werden.
In seinem Phantastikverlag »Medusenblut«, der seit 1997 besteht, hat er zahlreiche Eigen– und Fremdpublikationen herausgebracht. Mehrere seiner Kurzgeschichten wurden bereits nominiert. Ferner schrieb er mehrfach Texte zu Comis u.a zwei Cartoons für »Magic Attack«, Carlsen-Comics. Demnächst erscheint im Festa Verlag das 256 Seiten starke Taschenbuch mit 100 Urban Legends unter dem Titel »Der Mann ohne Gesicht«. Es wird ab Mai 2004 für 9,90 Euro erhältlich sein.
Mit »Dionysos tanzt« legte er seinen letzten Kurzgeschichtenband vor, in dem er auf ironische und gleichzeitig schockierende, teilweise tragische und brutale Weise das Thema Triebe, Lust und Sex, Einsamkeit und Freundschaft beleuchtet. Sein Schreibstil ist fesselnd, flüssig und umfasst ein umfangreiches Wortgerüst, das Lust auf mehr macht und nicht langweilig wird.
In der ersten Geschichte »Ich war dabei« erzählt er von einem jungen, gegen die Gesellschaft rebellierenden Menschen, der auf seinem Weg zu sich selbst, in einer gefährlichen Sackgasse – dem Cthulhu Clan – landet.
In der nur knapp 1 ½ Seiten kurzen Story »Monoleben« wird ein Mann wegen seines Monolebens verurteilt, was beim Leser einen etwas bitteren Geschmack auf der einen Zunge zurücklässt.
Damit »Lesen bildet«, sollte zum richtigen Buch gegriffen werden, leider verwirren manche Geschichten den Verstand auf eine Weise, die fatale, ungeahnte Folgen haben kann.
Für die Erfüllung der »Manneskraft« muss ein Pakt mit dem Teufel her, aber – wie Leser der Phantastischen Literatur wissen – ist da meist ein Harken dran, in diesem Fall ein ziemlich harter.
Mit »Jo« stellt uns Boris Koch seine Form des Vampirismus vor.
Auch bei »Die Knochenfrau« wälzt sich der männliche Protagonist in sexuellen Träumen, und auch hier nehmen seine Triebe ein nahezu klischeehaftes Ende, das gleichzeitig schockierend und ironisch wirkt.
Wer nach den Geschichten »Spiegel« und »Spiegel II« in den Selbigen schaut, wird sich vorher genauer überlegen, was er für ein Gesicht zieht.
Die letzte Geschichte in dem Erzählband »Martina«, basiert auf seiner ersten Kurzgeschichtenpublikation »Martin«, die 1993 in der Anthologie »Der Alp« von Jörg Kleudgen herausgegeben wurde. »Martina« erzählt von der platonischen Freundschaft zwischen Mann und Frau und scheint, trotz des Endes, nicht annähernd so fiktiv zu sein, wie es bei den anderen Geschichten der Fall sein muss.
In vielen seiner Geschichten rebellieren die Protagonisten gegen die Gesellschaft oder werden zu einem phantastischen skurrilen Werkzeug simpler Klischees und müssen manchmal auf brutale und grausame Weise damit weiterleben … oder auch nicht. Ein Happy End präsentiert Boris Koch seinen Lesern nicht, dafür aber spannende, schockierende und teils ironische Unterhaltung.
In deinem Erzählband »Dionysos tanzt«, der im Juni letzten Jahres bei Medusenblut erschien, schreibst du über Voyeurismus, Vampirismus, Triebe, Sex und relativ wenig Liebe. Dabei fällt auf, dass du dich hier männlichen Klischees bedienst, diese zur phantastischen Perversion ausreizt und bewusst oder möglicherweise unterbewusst das einsame Leben, die Gier nach Sex, die Rebellion gegen die Welt dem Leser auf sehr brutale Art vor Augen hältst.
Wie stark sind deine Geschichten in deinem Ich verwurzelt? Was willst du mit deinen Erzählungen mitteilen?
Hmh, die erste ist eine Fangfrage… wenn ich „stark“ sage, hält mich jeder für einen einsamen, brutalen, sexbesessenen, liebesunfähigen Rebellen… Aber da muss ich dann wohl durch (lacht). Nicht, dass die Geschichten autobiographisch wären, aber in ihnen steckt viel meiner Wut, doch genauso viel Ironie, manchmal auch nur Freude am literarischen Spiel und ein Schuss Spaß an der Provokation. So gesehen sind sie wirklich stark in meinem Ich verwurzelt – distanziert schreiben will ich auch gar nicht -, aber die Figuren sind es natürlich nicht immer, die denken, fühlen und handeln oft anders, als ich das in der Situation täte.
Was ich mit ihnen mitteilen will, ist schwer allgemein zu sagen, mir liegen verschiedene Figuren und Themen am Herzen. Es gibt keine „allgemeine Botschaft“ oder Ideologie dahinter, jede Geschichte hat ihre eigenen „Mitteilungen“. Wichtig ist mir das Beobachten und Ansprechen mancher Situation, seltsame Verknüpfungen zu erstellen und Klischees zu durchbrechen. Geschichten erzählen, menschliche Regungen wie Schuld, Wut, Trauer, Angst darstellen, aber auch Freundschaft, Liebe und Freude. Und dabei auch Position beziehen, ob gegen den „großen Lauschangriff“, Verlogenheit, Verdummung durch das Fernsehprogramm oder was auch immer.
In »Dionysos tanzt« erzählst du in deinem Vorwort von einer sehr merkwürdigen Begegnung im Wald. Nur eine Geschichte oder Wahrheit? Was verbindet dich mit der griechischen Mythologie?
Nur eine Geschichte, sage ich mal. Aber es ist interessant, wie viele Leute mich fragen, ob das tatsächlich geschehen ist. Freut mich, weil es heißt zum einen, dass ich halbwegs überzeugend war, und zum anderen trauen mir die Leute eine ziemlich schräge Kindheit zu (lacht)
Die griechische Mythologie fasziniert mich seit ich zehn oder elf war und ich Kinderfassungen von der Ilias und der Odyssee gelesen habe. Die Arena-Bücher von Auguste Lechner. In Griechenland hatte ich einen meiner schönsten Urlaube, zwischen all den Ruinen, dann habe ich ein paar Semester Alte Geschichte studiert, und es kam eine allgemeine Faszination für Polytheismus dazu, den ich – obwohl Atheist – in seiner Symbolik manchmal besser verstehe als Monotheismus. Doch interessieren mich beide Arten von Religion. Was bringt den Menschen dazu, zu glauben? Und welche Ausprägungen erfährt dieser religiöse Hang in den unterschiedlichsten Menschen?
Einige deiner Kurzgeschichten, ich spreche gezielt von denen in dem Sammelband »BALD», wirken auf den Leser zynisch, teilweise bösartig und bissig, jedoch genauso humorvoll. Stellst du bewusst die Gesellschaft und ihre Entwicklung in Frage? Was hältst du von unserer Gesellschaft, unserer Zeit?
Zum ersten Teil ein klares „Ja“. Fragen aufwerfen ist etwas wesentliches im Leben, finde ich, auch wenn man keine Antwort geben kann. Zuerst braucht man überhaupt eine Frage, dann kann man sich Antworten suchen. Nichts sollte einfach akzeptiert werden, nur weil es besteht oder „schon immer so war“, sondern alles hinterfragt werden. Auch wenn man dann zum Schluss kommt, dass das Bestehende die beste Lösung ist…
Was ich von unserer Gesellschaft halte, ist im Rahmen des Interviews nicht zu beantworten. Gesellschaft besteht aus so vielen Strömungen, Institutionen und Einzelpersonen, da gibt es keine allgemeine Einschätzung, das würde plakativ ausfallen. Ich versuche einfach möglichst viele Abläufe in ihr zu kapieren, viel zu beobachten, um das dann zu verarbeiten: In einer Geschichte, oder einfach nur für mich.
In dem Buch »Der Mann ohne Gesicht« hast du 100 Urban Legends zusammengetragen. Was erwartete den Leser genau?
Genau das, 100 moderne Sagen, dazu ein etwa fünfzehnseitiges Vorwort, in dem definiert wird, was eine moderne Sage ist und wie sie „funktioniert“. Anders als Professor Brednich, dessen Bücher über moderne Sagen recht bekannt sind, will das Buch nicht wissenschaftlich und auf den deutschen Sprachraum beschränkt arbeiten, sondern erzählerisch und international. Und entsprechend sind die Sagen ausgewählt, die eher „Extremeren“ mit hohem Unterhaltungswert. Böse Pointen, Tod und Sex, alles, was es auf die BILD-Titelseite bringen würde (lacht)
Wie kam es zum Kontakt mit Frank Festa?
Ächz, das weiß ich jetzt nicht mehr. Ist schon acht Jahre oder so her. Die Szene ist so klein, da läuft man sich irgendwann automatisch über den Weg… Aber wie es dazu kam, weiß ich jetzt wirklich nicht mehr. Ich glaube, intensiver wurde der Kontakt nach dem BuchmesseCon 1996, wo wir uns das erste Mal persönlich getroffen haben. Frank mich wegen Der Mann ohne Gesicht von sich aus angesprochen, ob ich ihm nicht so ein Buch zusammen stellen will, weil er wusste, dass ich so Recherchearbeiten gerne mache, und eben auch journalistisch arbeite.
Du hast bereits mit Jörg Kleudgen und wiederholt mit Christan von Aster zusammengearbeitet. Überhaupt ist es auffällig, dass du viele deiner Projekte mit einem Kollegen verwirklichst. Gibt es jemanden mit dem du gern einmal zusammen arbeiten möchtest? Und wenn ja, mit wem?
Viele. Abgesehen von den Leuten, mit denen ich bereits zusammen gearbeitet habe oder es gerade tu oder plane, fallen mir spontan Michael Marrak für einen Roman, David Fincher für einen Film, Marko Djurdjevic für einen Comic oder ein andere Text-Bild-Kombination und Peter Murphy und Grant Hart für eine Musik-CD ein.
Wann hast du das Phantastische für dich entdeckt?
Intensiv mit 11, als ich auf den Hobbit gestoßen bin, und dann zum 12. Geburtstag den Herrn der Ringe bekam. Davor hatte ich viel Karl May gelesen, Tom Sawyer, »Die Schatzinsel«, »Lederstrumpf« und solche Klassiker. Mit etwa 14 oder 15 bin ich dann bei einem Freund auf die Suhrkamp-Bände von Lovecraft gestoßen.
In deiner Vita sticht das Thema Rollenspiel heraus. Was verbindet dich damit? Spielst du selbst?
Interessant, das empfinde ich gar nicht so… Aber ja, ich habe jahrelang gespielt, teils intensiv, auch ein Fanzine mit herausgegeben. Seit ein paar Jahren komme ich aber nicht mehr zum Spielen, keine Zeit und das Interesse hat auch nachgelassen. Aber vielleicht schreibe ich noch einmal ein Abenteuer, das ist ein anderes Arbeiten als an Prosa, und ein ziemlich spannendes, weil man eine Geschichte entwickeln muss, deren Verlauf und Ausgang nicht völlig festgelegt ist.
Als Kind hast du ein handgeschriebenes Fußballmagazin entworfen. War das nur für dich oder hast du dir damit dein Taschengeld aufgebessert? Gibt es davon möglicherweise noch eine Restauflage, die eines Tages einen unvorstellbaren Wert haben wird?
Das Magazin ist nur als Kugelschreibergeschriebenes Unikat erschienen, und hat so gesehen die besten Chancen, wertvoll zu werden (lacht)…. Auch wenn der Inhalt das nicht im geringsten rechtfertigt, wer interessiert sich schon für die Ergebnisse von etwa 10-20 fiktiven Ligen, komische Interviews und die kompliziertesten Vereinswappen der Welt? Handgezeichnet mit Lineal?
In einem Interview, das Markus K. Korb mit dir im September 2002 für »Mephisto« führte, erwähntest du, dass du dir vorstellen könntest, auch Übersetzungen in deinem Verlag Medusenblut zu veröffentlichen. Tatsächlich gäbe es schon konkrete Überlegungen. Wie sieht es damit zwischenzeitlich aus?
Für 2004 ist eine Anthologie mit dem Titel Allem Fleisch ein Greuel mit unheimlichen Geschichten geplant, in der unter anderem drei übersetzte Kurzgeschichten enthalten sein werden. Von Matt Cardin, Quentin S. Crisp und John Ford.
Das Internet ist die ultimative Kommunikationsquelle, speziell für zurückgezogen lebende Autoren und Kleinverleger. Inwiefern hat es dein Leben verändert?
Die Briefe sind kürzer geworden und kommen schneller an (lacht). Außerdem erfahre ich schneller die Ergebnisse aus den ausländischen Fußballligen… Das Verschicken von Artikeln für Mephisto und so ist einfacher geworden, die Arbeit an Medusenblut. Und natürlich sind durch meine Homepages neue Kontakte entstanden und neue Leser auf mich aufmerksam geworden. Aber ich chatte nicht, bin selten in Foren und treffe Freunde einfach lieber in natura. Ich starre schon die meiste Zeit beruflich auf den Kasten, bin eigentlich froh, wenn der aus ist.
Wie sehen deine weiteren beruflichen Pläne aus?
Es wird Zeit für meinen ersten allein geschriebenen Roman… Ansätze habe ich genug, wenn das Interview erscheint, habe ich dann auch entschieden, welche Idee ich verwirkliche. Wahrscheinlich nichts aus dem Genre, ich brauche ein wenig Abwechslung, bevor ich wieder zur Phantastik zurück kehre.
Was liest du selbst zur Entspannung, zum Spaß? Welchen Autoren bewunderst du für seine Bücher, seine Karriere? Hast du einen Lesetipp?
Da ich viel rezensiere, lese ich kaum „zur Entspannung“, aber wenn, dann alles mögliche. Wenn ich mich hier nach den diversen Stapeln umsehe, die ich demnächst lesen will, sehe ich Essays von Tolkien und Eco, Christian Meiers hochgelobtes Athen-Buch, Krimis von Michael Nava, John Crowleys Ägypten, P.K. Dick, Malorys König Artus und Joseph Campbells Die Masken Gottes. Ich bewundere diverse Autoren aus diversen Gründen. Umberto Eco für Der Name der Rose und Das Foucaultsche Pendel und Oskar Maria Graf für Wir sind Gefangene und seine Forderung 1933, seine Werke mögen bitte auch verbrannt werden. Hemingway, Kafka, B. Traven, Ramsey Campbell, T.E.D. Klein, Georg Büchner und einige andere für verschiedenes. Lesetipp, auch wenn es viele schon kennen, ist einfach Der Name der Rose. Mitsamt der ausgezeichneten Nachschrift. Viel besser kann man Genreliteratur, in dem Fall Krimi, mit Anspruch und philosophischer Tiefe nicht verbinden. Vor allem, weil die Bereiche nicht getrennt sind, sondern ineinander greifen. Einfach göttlich.
Wann ist ein Roman, eine Kurzgeschichte in deinen kritischen Augen nahezu perfekt?
Wenn sie mich so weit packt, dass ich die kleinen Schwächen, die in jedem Buch stecken, übersehe. Sei es Ecos Intelligenz oder Shirleys Wut in Eclipse oder Travens Beobachtungsgabe und Engagement in Das Totenschiff.
Wagst du eine These zur deutschen Literaturszene? Derzeit scheinen die deutschen Autoren angesagt, sowohl bei den großen, da speziell im Fantasy-Bereich, als auch bei den kleineren Verlagen. Wie erklärst du dir diesen Trend? Wird dies nur eine vorübergehende Epoche sein oder langanhaltend und u.U. somit eine Chance für Newcomer?
Ächz, wie viel Platz habe ich (lacht)? Ich beschränke mich jetzt einfach mal auf das phantastische Genre und lass Entwicklungen wie den Berlin-Roman seit dem Mauerfall oder Popliteraten und so mal außen vor. Erklären möchte ich den Trend jetzt nicht, dafür weiß ich zu wenig aus den Verlagen und müsste raten. Eine Chance für Newcomer ist es sicher, vielleicht die größte in den letzten 20 Jahren, doch wie lange dies anhält, hängt im Endeffekt von den nackten Verkaufszahlen ab. Und diese wiederum stark von den Autoren, was für Qualität sie liefern, wie originell und unverwechselbar ihre Stimme ist, bzw. wie spannend sie mit Konventionen umgehen können. Und natürlich vom Willen der Verlage, diese Autoren in Ruhe aufzubauen. Also Anzeigen schalten, sie am Messestand präsentieren, Lesungen organisieren (helfen), Interviews und Rezensionen, usw. Aber zuerst sind die Autoren am Zug, und da bin ich gespannt, was demnächst noch kommt. Und recht zuversichtlich, es gibt ja ein paar talentierte Leute.
Du bist auch einer von diesen Menschen, die Freizeit nicht kennen. Du spielst in einer Band, du schreibst, du arbeitest für ein Magazin. Bleibt da noch Platz für Privatleben?
Nicht viel… Aber die Band ist für mich „Freizeit“, zum Schreiben muss ich mich meist auch nicht zwingen und Samstags schaffe ich es meist in die Kneipe mit Fußball-Fernseher… Und wenn ich Freunde treffe, erkennen sie mich im Normalfall auch noch wieder …
Erzähl uns doch mal ein bisschen über AKW. Was ist dein Part in der Band? Wer ist noch dabei? Was macht ihr für Musik?
Den Stil nennen wir Dada-Pop. Und das ganze läuft so ab, dass Eddie Angerhuber, Thomas Wagner und ich uns absurde Texte überlegen, sie dann in fröhlicher Runde einsingen (und ich möchte hier betonen, ich singe katastrophal….) und Thomas dann am nächsten Morgen das ganze mit elektronischer Musik anreichert.
Und was verbindet dich mit der Rockband »The House of Usher«?
Zum einen eine jahrelange Freundschaft mit dem Sänger Jörg Bartscher-Kleudgen (die anderen Bandmitglieder kenne ich mittlerweile auch). Zum andere schätze ich ihre Musik sehr, und es hat mich gefreut, als ich zum Video The man with the dead eyes 1997 oder so quasi „offiziell“ eine Erzählung schreiben durfte: Der Mann mit den toten Augen. Auch wenn die dann leider nicht dort erschien, wo es geplant war…. Und auf dem letzten Album Inferno – l´enfer gab es zur Musik ein halbstündiges Hörspiel von Jörg, das Christian von Aster und ich zusammen eingelesen haben. Ich hoffe, es ergibt sich noch mehr in der Richtung.
Was hörst du sonst für Musik? Hörst du Musik auch beim Schreiben?
Ja, häufig. Gerade jetzt läuft hier die Thargos-Scheibe Killfukk, heftiger Knüppelmetal mit leichtem Punk-Einschlag. Das hält einen nachts wach…. Klassik und Jazz höre ich selten, mit der meisten „Radio-Musik“ kann ich wenig anfangen. Ich schätze Bands wie Hüsker Dü, Bauhaus, New Model Army oder Element of Crime, die ersten fünf Metallica-Alben, und die letzten von (Johnny) Cash. Vieles von den Waterboys, Tom Waits, Black Sabbath und Nick Cave, manches von Pink Floyd, Elvis Costello, the Toasters und AC/DC, das meiste von Dead Kennedys und Joy Division. Das mal als grobe Orientierung …
An wen oder was glaubst du?
An mich selbst, mein Glück und ein paar andere Menschen… Keine Religion, nichts Übernatürliches und kein Leben nach dem Tod. Leider. Ich habe keine große Lust auf das endgültige Ende (lacht).
Hast du ein Haustier? Was ist dein Lieblingstier?
Kein Haustier, wäre bei dem Lieblingstier „Bär“ auch etwas problematisch. Ich meine damit die großen Bären wie den Grizzly und so….
Wenn du wiedergeboren werden würdest und dir vorher aussuchen könntest, wo und wer du sein wolltest; auf welchen Ort und welche Person fiele deine Wahl?
Mich selbst, um festzustellen, was ich anders machen würde… Ja, so spricht der wahre Egozentriker (lacht)…
Stell dir bitte vor, du wärst eine Frau mit parapsychologischen Fähigkeiten und sähest Boris Koch in einem Café sitzen. Beschreibe kurz deine Eindrücke.
Der Dünne da drüben ist ja ganz schön vertieft in seine Notizen. Schreibt der Tagebuch? Mal sehen, ich kann ja Gedanken lesen…. Also das… das kann er doch nicht erlebt haben…. Um Gottes Willen, der Arme…. Warum hilft ihm denn….? Was…? Die perverse Sau…. Andererseits, vielleicht könnte das doch ganz interessant…. Aber was hat Fußball damit zu tun? Und wer ist Mephisto? Was für ein Troll? Kann der nicht mal ruhig bei einem Gedanken bleiben, das ganze Chaos kann doch niemand überblicken, schon gar nicht verstehen…. Oh, er schaut her, schnell, ich muss lächeln, zum Wegschauen ist´s zu spät…. Er lächelt wenigstens auch. Wie kann er das, er hat doch gerade noch vom Tod seines … Oh, danke für das Kompliment… Und das auch… Aber jetzt wird´s etwas zu… zu… zu…. Ach, Männer! Sind doch alle gleich!
Wenn dir jemand einen vierwöchigen Urlaub schenken würde, Ziel: Freie Wahl. Wohin ginge die Reise? Und was / wen würdest du mitnehmen?
Immer solche Entscheidungen…. Wahrscheinlich Neuseeland oder den Wanderweg einmal quer durch die kanadischen Wälder, zweites mit dem Rad oder zu Fuß. Oder Kreta und Griechenland. Und davon hinge ab, was oder wen ich mitnehme, auf jeden Fall dabei wäre ein dickes leeres Notizbuch und Stifte, wahrscheinlich auch mindestens ein Mensch, der mir wichtig ist, vier Wochen wären mir alleine wohl zu lang.
Dann wünsche ich dir, dass dieses Geschenk nicht mehr so lange auf sich warten lässt und danke dir herzlich für das Interview.
Ich danke für die Wünsche und das Interesse.
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(c) Nicole Rensmann / Boris Koch / phantastisch!