Jüngst erhielt er den Deutschen Phantastik Preis 2005 für sein Romandebüt »Judas Schrein«, das beim Festa Verlag in der Lovecraft Reihe erschien. 2003 interviewte ich Andreas Gruber für die phantastsich! Ausgabe 13 (1/2004).
Wie üblich, fehlen auch hier Fotos, Cover und bibliografische Daten.
»Ich selbst kann mich als glücklichen Menschen bezeichnen.«
Ein Interview mit Andres Gruber von Nicole Rensmann
Über dreißig Kurzgeschichten in Anthologien und Magazinen, sowie drei eigenständige Storybände und zahlreiche Sekundärartikel zum Thema Schreiben verbucht der österreichische Autor Andreas Gruber auf seiner derzeitigen, jedoch stetig steigenden, Publikationsskala. Zahlreiche seiner Werke wurden mit Preisen und Bestplatzierungen ausgezeichnet. Sein erster Roman »Judas Schrein« erscheint im Juni 2004 beim Festa-Verlag.
Der am 28. August 1968 in Wien geborene Andreas Gruber studierte Betriebswirtschaftslehre an der Uni Wien und arbeitet zur Zeit halbtags im Büro eines mittelständischen Betriebs. Er ist zum zweiten Mal verheiratet und lebt mit seiner Frau Heidi in dem kleinen Dorf Grillenberg, südlich von Wien.
Im Alter von acht Jahren begann er auf einer Olympia Schreibmaschine im Zwei-Finger-Such-System, die ersten Geschichten zu tippen. Nach einer langen Pause verfolgte er erst 1996 die Schreiberei intensiver und zählte 1999 mit der Geschichte »Das Planspiel« zu den Preisträgern des Literaturwettbewerbs des NÖ Donaufestivals. Um das Schriftstellerische Handwerk zu vertiefen besuchte er Schreibkurse – heute gibt er selbst welche.
Wenn es seine Zeit zulässt, spielt er Schlagzeug, malt Aquarelle, singt Karaoke oder entspannt bei einer Partie Schach. Er liebt japanisches Essen und gönnt sich zusammen mit seiner Frau auch Besuche im Kino, Theater und Kabarett. Jedes zweite Wochenende verbringt er mit seinem, in diesem Monat elf Jahre gewordenen, Sohn aus erster Ehe.
Seine Vorliebe für Jüdische Witze und Louis de Funes in der Rolle des Rabbi Jakob beeinflusste ihn bei der Arbeit zu seinem Novellenband mit sechs Erzählungen über »Jakob Rubinstein«, der letztes Jahr im Basilisk-Verlag erschien.
Die Faszination zu Raumschiffen, Genetik, Neurochips und Biocomputern spiegelt sich in vielen seiner Stories wieder, in denen er oftmals Science-Fiction mit Horror mixt. In seiner Jugend las er Mark Brandis’ Weltraumpartisanen-Serie oder Kurzgeschichten von Stephen King, Edgar Alan Poe, die Gespensterkrimis oder John Sinclair, und natürlich fehlten auch Fernsehserien wie Raumschiff Enterprise nicht, die er ohne Erlaubnis der Eltern schaute.
Auf seiner Website findet der Fan zahlreiche weitere Informationen zu den Interessengebieten von Andreas Gruber, darunter die besten Kurzgeschichten, Romane und Filme und natürlich eine ausführliche Bibliographie.
Welche Wünsche und Ziele er hat, was ihn neben Büchern noch interessiert und worum es in seinem ersten und aktuellen Roman geht, verrät er hier:
Der Name Andreas Gruber ist fest in der deutschsprachigen phantastischen Szene verankert. Wie schätzt du das Fandom ein?
Das Fandom und die Cons sind eine hervorragende Gelegenheit, in die Welt der Kleinverlage zu schnuppern, die ersten Erfahrungen in puncto Schreiben und Veröffentlichen zu sammeln und die Profis kennen zu lernen. Kai Meyer, Klaus Frick, Ronald M. Hahn, Uwe Anton und Andreas Eschbach, um nur einige zu nennen, sind in der Fandom-Szene stets präsent und bilden die Brücke von den Profis zum Nachwuchs. Doch diese Hängebrücke ist ziemlich dünn und wahnsinnig lang, und der Sprung von einem Fanzine wie Solar-X zu einem Verlag wie Heyne ist verdammt weit. Dazwischen liegen nicht viele Verschnaufpausen, und so bleiben leider viele gute Autoren im Fandom stecken.
Wagst du eine These, von wem die Leser auch in einigen Jahren noch etwas zu lesen und zu hören bekommen werden?
Von Boris Koch, Christian von Aster und Markus K. Korb weiß ich, dass sie stark im Kommen sind, und von den weniger bekannten Autoren könnte ich mir vorstellen, dass Tobias Bachmann und der Österreicher Bernhard Brunner ihren Weg zu den größeren Verlagen finden werden.
Du hast eine besondere Vorliebe für Kurzgeschichten, schreibst selbst unzählige davon, aber du liest sie auch gern von anderen Autoren. Diese Begeisterung teilst du u.a. mit Alan Dean Foster, der Kurzgeschichten als das Sahnehäubchen der Literatur bezeichnet. Welche Vorteile siehst du in Kurzgeschichten gegenüber einem Roman?
Als Leser liebe ich gut gemachte Kurzgeschichten vor allem deshalb, weil sie so unterhaltsam und spannend wie Romane sind und man sich nicht monatelang durch siebenhundert Seiten quälen muss. „Jenseits der Cadillac-Wüste“ von Joe R. Lansdale ist für mich der Inbegriff der perfekten Shortstory. Aus der Sicht des Schreibers liegt der Vorteil von Kurzgeschichten einfach darin, dass sie eine gute Übung sind, sich in den verschiedensten Genres und Stilformen zu versuchen. Selten, dass ein Autor einen Bestseller-Debütroman vorlegt, ohne dass er zuvor Lehrgeld bei Kurzgeschichten gezahlt hat.
Kannst du dir vorstellen, ein Romanprojekt mit einem anderen Autor in Angriff zu nehmen? Wenn ja, mit wem?
Es mag jetzt egoistisch klingen, doch am liebsten arbeite ich mit mir selbst zusammen. Wenn ich den Plot umstoße, Szenen umschreibe, Charaktere ändere, Dialoge kürze und ganze Buchseiten aus dem Manuskript lösche, muss ich auf keinen Co-Autor Rücksicht nehmen. Es bleibt mein Werk, und da habe ich von Beginn an die Kontrolle darüber. Ausnahmen sind natürlich die Kommentare der Testleser und der Einfluss der Lektoren, die eine wichtige Rolle einnehmen. Allerdings würde ich gern mal bei einer Kurzgeschichte als Co-Autor fungieren. Mit wem ich da wohl gern zusammenschreiben würde? Darf ich das überhaupt verraten, obwohl die betroffenen Autoren davon gar nichts wissen? Egal! Mit Christian von Aster oder Markus K. Korb, deren Arbeit ich sehr schätze, könnte ich mir eine gemeinsame Story vorstellen.
Du hältst selbst Schreibkurse. Welche Fähigkeiten benötigt ein Autor, um Schreibkurse zu leiten?
Wenn ich als Teilnehmer ein Schreibseminar besuche, wünsche ich mir einen Vortragenden, der keine Scheu hat, auf Menschen zuzugehen. Das ist glaube ich, das Wichtigste überhaupt. Es gibt nichts Schlimmeres, als einen Vortragenden, der – obwohl er vielleicht ein brillanter Schreiber ist – nur selten aus seinem stillen und zurückgezogenen Kämmerchen rauskommt und es mit seiner zittrigen Stimme nicht schafft, die Botschaft rüberzubringen. Ein Schreibkursleiter braucht Charme, Witz und Elan. Er muss die Teilnehmer motivieren und mitreißen können, und er braucht auch genügend Übungsbeispiele in seinem Repertoire, damit er dem Nachwuchs die Schreibtipps, Ratschläge und handwerklichen Kniffe beibringen kann. Eschbach und Frick sind zweifellos von dieser Sorte.
Was rätst du den jungen Autoren, die in deine Kurse kommen?
Zunächst einmal haben fast alle Teilnehmer am ersten Abend die blauäugige Wunschvorstellung, auf Anhieb den Bestseller für Heyne schreiben zu wollen. Erst wenn sie sehen, dass man bei einem Roman nicht einfach drauf lostippt, sondern sich erst eine Handlung überlegen und Charaktere entwickeln muss, merken sie, dass Schreiben Handwerk bedeutet. Und was guten Stil betrifft, der sollte flüssig, knapp und abwechslungsreich, aber auch bildhaft und spannend sein. Das ist dann der Zeitpunkt, wo die große Frustration einsetzt und man für die Teilnehmer einen guten Ratschlag parat haben sollte. Ich versuche dann immer wieder zu erklären, wie wichtig es ist, geeignete Schreibbücher zu lesen, wie „Stilkunst“ von Ludwig Reiners und „Deutsch fürs Leben“ von Wolf Schneider, die eigenen Texte immer wieder zu überarbeiten, sie nicht der Mizzi-Tante oder dem Peppi-Onkel zu geben, sondern kritischen Testlesern, auf deren Meinung man hören sollte. Autorengruppen zu besuchen motiviert garantiert mehr, ein paar Seiten zu schreiben, als darauf zu warten, bis einem die Muse küsst. Ich meine, es ist auch noch wichtig, die Finger von Druckkostenzuschuss-Verlagen zu lassen, die Manuskripte stattdessen immer wieder Magazinen oder Kleinverlagen anzubieten, sich bloß nicht das Leben zu nehmen, wenn man eine Absage erhält und um Himmels willen keine Diskussion mit Rezensenten anzufangen. Wer den Traum von der Schriftstellerei hat, sollte nicht aufgeben und immer daran denken, dass auch der Buchhandlungsgehilfe Hermann Hesse mit einer Kleinauflage von 54 Exemplaren begonnen hat.
In einem im Juni 2002 geführten Interview mit Carsten Kuhr für phantastik.de hast du erklärt, dass du nach einem ausgeklügelten Exposé arbeitest. Selbst wenn dabei neue Ideen aus dem Unterbewusstsein auftauchen sollten, passen diese genau in die Handlung. Ist es dir tatsächlich noch nie passiert, dass Charaktere aus dem Schema ausbrachen und die Handlung einen anderen Verlauf nahm als ursprünglich vorgesehen war? Oder du aufgrund eines Blitzeinfalls das Exposé umschreiben musstest?
Natürlich, das passiert dauernd. Ein Exposé ist nichts anderes als ein Leitfaden, damit sich der Autor auf dem Weg zum Epilog nirgends verirrt, er am Schluss alle Nebenhandlungen zu einem plausiblen Ende vereinen kann und der Leser nicht mit verwirrtem Gesichtsausdruck á la „Hä? Was soll das denn jetzt?“ zurückbleibt. Wie detailliert ein Exposé auszusehen hat, hängt vom jeweiligen Arbeitsstil des Autors ab. Meine Exposés sind ziemlich ausgearbeitet, da ich versuche alle Recherchen vorab zu erledigen, damit ich nicht am Ende der Geschichte draufkommen muss, dass ich sie so nicht enden lassen kann. Und obwohl ich versuche, alle Eckpunkte und Plotwendungen der Handlung vorher auszufeilen, ändert sich während des Schreibens einiges, wenn mir plötzlich neue, bessere Ideen kommen oder ich Einfälle von Freunden übernehme, die der Story mehr Sinn, Spannung und Drive geben. Doch am Ende ergibt sich immer wieder dieser unerklärliche, mystische Effekt, dass sich die Handlung wie ein nahtloses Puzzle zusammenfügt.
Die Kritiken zu »Jakob Rubinstein«, einem Novellenband, der letztes Jahr beim Basilisk Verlag erschien, waren durchweg positiv. Viele der Leser wünschten sich den jüdischen Helden als Romanfigur. Gibt es diesbezüglich eine Chance für die Leser und konkrete Gespräche mit Verlagen?
Fakt ist, dass „Jakob Rubinstein“ zwar hervorragende Kritiken erhalten hat, aber nicht dieses große Lob einheimsen konnte, dass ich im Jahr davor für die SF-Kollektion „Die letzte Fahrt der Enora Time“ erhalten habe. Wie es weitergeht hängt nun sehr davon ab, wie „Der Judas-Schrein“ bei den Lesern ankommt. Wenn der Roman den Lesern gefällt, möchte ich in diese Richtung weiterarbeiten, d.h. neue Horror-Thriller schreiben. Da Jakob Rubinstein nicht in diese Kerbe schlägt, habe ich bis auf ein Romanexposé vorerst keine weiteren Pläne mit dem jüdischen Detektiv.
Gibt es einen Protagonisten in einer deiner Erzählungen, der auf der Person Andreas Gruber basiert?
Ha, ha, das ist das Verlockendste überhaupt, Charaktere zu wählen, die das Alter ego des Autors widerspiegeln. Ich habe das bei meinen Schreibanfängen auch probiert, weil ich dachte, es würde mir das Schreiben erleichtern … tatsächlich macht es die ganze Sache nur schwieriger, da man im Endeffekt seine Protagonisten besser kennt als sich selbst. Außerdem kann ich einen Hasenfuß wie mich in keiner meiner Stories brauchen. Ab und zu schwindeln sich jedoch autobiografische Elemente in die Dossiers meiner Charaktere, da sich natürlich jene Dinge plausibler schildern lassen, die man selbst erlebt hat. An dieser Stelle verrate ich aber nicht, welche Teile meiner Horrorstories autobiografisch sind und welche nicht – grins.
Du hast mehrere Preise für deine Geschichten gewonnen, Bestplatzierungen erreicht und wirst in den letzten Jahren bei den deutschsprachigen Genreauszeichnungen stets nominiert. Setzt du dich nach solchen Erfolgen selbst unter Druck?
Ich setzte mich selbst ein wenig unter Druck, das stimmt, doch nicht der Preise wegen. Vielmehr sind es die Buchrezensionen und das Lob der Leser, die mir die Latte hoch legen. Da ich nicht der Typ bin, der ein gutes Buch schreibt und sich dann jahrelang auf dessen Lorbeeren ausruht, möchte ich meine Leser stets mit etwas Neuem überraschen und mein nächstes Buch besser machen als das vorherige – das ist meine Motivation, und da mir die Arbeit unheimlich Spaß macht, weiß ich, dass ich nie aufhören werde zu schreiben.
Da du Aquarelle malst, läge die Möglichkeit nahe, die Cover oder Illustrationen deiner Bücher auch selbst zu gestalten. Hast du darüber schon nachgedacht oder gibt es in dieser Richtung Pläne?
Oh Gott, nein! Ich male, weil es mich entspannt. Meist male ich um die Weihnachtszeit, und ich schenke die Bilder meiner Frau. Im Fandom sollte davon nichts veröffentlicht werden. Es gibt fantastische Maler wie Mark Freier, Malte Sembten, Franz Miklis und Thomas Thiemeyer, die sensationelle Covers entwerfen. Um gute Buchillustrationen zu schaffen, gehört einfach mehr dazu, als bloß mit einem Pinsel auf einem Blatt Papier zu malen, so wie ich es tue.
Nun zu deinem Roman »Der Judas-Schrein«, der im Juni
2004 beim Festa-Verlag in der Lovecraft-Reihe erscheint. Tatsächlich ist dies dein erster Roman, den du dem Leser präsentierst. Zwei deiner Romanversuche lagern in der Schublade, wie du letztes Jahr Alfred Ohswald für buchkritik.at verraten hast. Kannst du dir vorstellen, Teilstücke aus diesen Romanen für ein neues Projekt zu verwenden? Welches Thema hast du in den Romanen behandelt?
Ohje, wo gräbst du nur diese peinlichen Fragen aus? Meinen ersten Roman habe ich 1996 geschrieben. Es ist ein Mystik-Thriller á la Akte-X auf rund 450 Buchseiten, und ich habe darin alle Fehler verbrochen, die ein junger Autor nur machen kann – es ist einfach schrecklich, die Liste ist endlos. Gustav Gaisbauer wollte das Manuskript als e-book bei Readers Planet herausgeben, doch ich habe dankend abgelehnt. Das Buch den Lesern zu präsentieren wäre ein Fehler gewesen, und es zu überarbeiten hätte mehr Zeit in Anspruch genommen, als ein komplett neues Buch zu schreiben. Außerdem habe ich den Text mittlerweile von meiner Festplatte gelöscht. Es gibt bloß noch einen einzigen Papierausdruck, und den hat meine Frau. Sie droht mir immer damit, ihn zu veröffentlichen, wenn ich nicht mache, was sie sagt, ha, ha … Der zweite Roman, den du ansprichst, ist eine rasante Space-Opera mit dem Werktitel „Der siebte Monolith“, und damit bin ich seit einem Jahr auf Verlagssuche.
Zurück zum aktuellen Werk: Was den lovecraft´schen Horror und den Inhalt von »Der Judas-Schrein« betrifft, hast du uns bis zur Schmerzgrenze auf die Folterbank gespannt. Könntest du die Fesseln jetzt lockern und uns bei Kerzenschein ein wenig Licht ins geheimnisvolle Dunkel bringen?
Kerzenschein-Stimmung ist gut: Den Auftakt des Romans bildet der grausame Mord an einem vierzehnjährigen Mädchen in dem verschlafenen Ort Grein am Gebirge an der niederösterreichisch-burgenländischen Grenze. Es gibt eine Augenzeugin, doch die kann nicht sprechen, und es gibt eine Autopsie, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Alexander Körner und sein Kripo-Ermittlerteam müssen rasch Ergebnisse bringen, da weitere Morde passieren. Ich kann noch so viel verraten, dass es Rückblenden in die Jahre 1937 und 1864 gibt, da die Morde eng mit der unheimlichen Geschichte des Dorfes verknüpft sind. Irgendwie hängt alles mit dem Judas-Schrein zusammen, aber mehr sage ich nicht, sonst weiß jeder, wie das Buch ausgeht.
Wie gehst du mit einer Schreibblockade um?
Zum Glück hatte ich bisher noch keine ernsthafte Schreibblockade, die mich wochenlang lahm legte. An manchen Tagen geht mir das Schreiben locker von der Hand und ich tippe an die zwanzig Seiten, die ich nachher kaum überarbeiten muss, an anderen Tagen feile ich stundenlang an einer einzigen Seite herum. Wenn ich absolut keinen Spaß am Schreiben finde, lasse ich es bleiben, da es keinen Sinn hat, mich selbst zu etwas zu zwingen. Stattdessen stelle ich ein Update auf meine Webseite, beantworte E-Mails, überarbeite ältere Kurzgeschichten für Anthologien oder gebe Interviews, wie eben jetzt, was ein schöner Ausgleich ist und mir riesig Spaß macht.
Führst du ein bestimmtes Ritual durch, nachdem du ein Projekt beenden konntest?
Paul Sheldon zündet sich in Stephen Kings »Misery« nach jedem Roman eine Zigarette an und trinkt ein Glas Dom Pérignon … bei mir ist es ähnlich, bloß dass ich weder rauche noch trinke. Wenn ich etwas zu Ende gebracht habe, nehme ich mir einen Tag Auszeit, hole mir aus der Videothek ein paar gute Filme und mache es mir mit einer Riesenpackung Chips auf der Wohnzimmercouch gemütlich.
Auf deiner Website gibt es den Link »Übersetzungen«; der noch »Under Construction« läuft. Aber die Tatsache, dass er dort eingesetzt wurde, legt die Vermutung nahe, dass in dieser Hinsicht Gespräche geführt werden. Da wir ja hier quasi unter uns sind, erzähl doch bitte ein wenig über diese Pläne.
Die SF-Novelle »Die letzte Fahrt der Enora Time« ist ins Polnische übersetzt worden und erschien in dem Magazin NOWA FANTASTYKA. Für das slowakische SF-Magazin FANTAZIA sind einige Kurzgeschichten im Gespräch und für eine italienische Anthologie mit dem Werktitel »Psycho Ghosts« ist meine Horror-Novelle »Medusa« übersetzt worden, was sogar eine Erstveröffentlichung ist, da sich noch kein deutscher Verlag dafür gefunden hat.
Das sind tolle Nachrichten. Glückwunsch! Wie bist du an diese Kontakte gekommen?
Franz Rottensteiner hat mir den polnischen Kontakt verschafft, Ingo Löchel den Italienischen und Florian Breitsameter den Slowakischen – mittlerweile ist auch eine finnische Übersetzung im Gespräch. Ich selbst habe ja keine Verbindung zur internationalen SF-Szene, und ohne die Vermittlung der Kollegen wäre das nicht zu Stande gekommen.
Wer im Phantastischen Genre bekannt ist, wer Horror liest oder gar schreibt, kann sich vor Vorurteilen nur selten retten. Hattest du schon ein extrem negatives oder auch positives Erlebnis diesbezüglich?
Bisher hatte ich bloß ein einziges negatives Erlebnis, und zwar als ich der Veranstalterin der Wiener Literaturbühne „Alte Schmiede“ meine drei Bücher für eine Lesung angeboten hatte: „Der fünfte Erzengel“ waren Horrorstories, die „Enora Time“ SF-Erzählungen und zuletzt „Jakob Rubinstein“ waren Phantastik-Krimis. Für derartige Literatur sei in Österreich kein Platz, wurde mir gesagt. Was hatte ich auch anderes erwartet? Das hat mir wieder einmal meine Meinung zum österreichischen Literaturbetrieb bestätigt, dass die meisten österreichischen Autoren intellektuellen Experimental-Selbstverarbeitungs-Schmus fabrizieren, mit intertextuellen Relationen und spielerisch literarischen Ausdrucksmitteln, die keine Sau versteht. Das ist die Wahrheit! Ein professioneller und handwerklich gut gemachter Horror-Roman wäre mal etwas Neues in diesem Lande.Positive Erlebnisse hingegen hatte ich beispielsweise mit dem Londoner Verlag Hodder & Stoughton, der eine meiner SF-Stories für ein Deutschlesebuch für englische Studenten aufgenommen hat. Selbe Story gewann auch einen genrefreien Hörspiel-Wettbewerb, was mir zeigt, dass die Phantastik nicht mehr den billigen Ruf hat, den sie mal hatte. Im Gegensatz zu Wolfgang Jeschke sehe ich für die deutschsprachige Phantastik eine positive Zukunft. Autoren wie Kai Meyer, Andreas Eschbach, Michael Marrak, Marcus Hammerschmitt und Myra Cakan beweisen das, aber auch Magazine wie Nova, Omen oder phantastisch!.
Wer ist dein bester, wer dein ärgster Kritiker? Warum?
Der ärgste Kritiker ist der Beste! Im Fall von „Der Judas-Schrein“ waren das Malte S. Sembten und meine Frau, denen ich beiden viel zu verdanken habe. Sie haben die Handlung ständig darauf abgeklopft, was unplausibel war, was nicht passte und was unnötiges Gefasel war. Als Autor wird man ja betriebsblind, und da ist es gut, dass man jemandem hat, auf den man vertrauen kann und der einem die Wahrheit ins Gesicht sagt, statt von der Mizzi-Tante die lobenden Worte zu hören: „Ach Junge, du kannst aber schreiben!“
Derzeit arbeitest du halbtags in einem Büro. Schreibst du nachmittags an deinen Geschichten? Wie sieht dein Schreiballtag aus? Arbeitest du daraufhin, eines Tages nur noch als Autor tätig zu sein?
Ich schreibe vom Nachmittag an bis ca. 21.00 Uhr, fünf Tage pro Woche, und das seit mehreren Jahren. Komischerweise werde ich nicht müde dabei und die Arbeit hängt mir auch nicht zum Hals heraus. Es macht mir großen Spaß, zu sehen, wie die Ideen in meinem Kopf konkrete Formen annehmen und Jahre später in Buchform vor mir liegen. Würde ich nicht schreiben, ginge mir ein wichtiger Teil meines Lebens ab. Doch mein rationaler Bürojob bereitet mir ebenso Freude, da er eine schöne Ergänzung zur kreativen Schreibarbeit ist. Ob ich eines Tages als hauptberuflicher Autor tätig sein werde, hängt von vielen, vielen Faktoren ab. Es ist noch zu früh, darüber zu reden.
Was steht als nächstes auf deinem beruflichen wie privaten Terminkalender? Welche Stationen visierst du nach dem Festa-Verlag an?
Nach dem „Judas-Schrein“ ist zunächst einmal eine Zweitauflage der Horror-Kollektion „Der fünfte Erzengel“ in der Edition Medusenblut fix geplant, mit neuem Cover, überarbeiteten Texten und einem Vorwort. Danach lasse ich mich überraschen und warte ab, was auf mich zukommt. Sollte sich ein Verlag für mich interessieren, so habe ich einige Romanexposés zu unheimlichen Thrillern in meiner Schublade griffbereit, die ich gerne schreiben würde.
Treibst du als Ausgleich zu deinen sitzenden Jobs eine Sportart oder hast du einen Hund, der dich auf Trab hält, so wie viele Autoren?
Wie viele andere Autoren bin auch ich ein Migräne-Kandidat, der sich mit Nacken- und Wirbelsäulenschmerzen herumgeplagt, weil die stundenlange Computerarbeit Gift für den Körper ist. Doch seit ich zweimal die Woche Karate trainiere, geht es mir besser. Ohne diesen Ausgleich wäre ich ein Fall für den Chiropraktiker. Sollte ich je hauptberuflich als Autor tätig sein, bin ich für einen Hund bereit, obwohl ich fürchte, dass meine Frau ausflippen und dem Bobtail ständig mit dem Staubsauger hinterher laufen würde.
Kennst du diese Steckbriefe aus der Schule noch, in denen alle wesentlichen und unwesentlichen Details eingetragen werden mussten? Wie sähe dein Steckbrief aus?
Augenfarbe: rauchblau
Haarfarbe: früher mal blond, mittlerweile braun
Besondere Merkmale: Brillenträger, der eine halbe Stunde Frühstück braucht, um halbwegs munter zu werden
Größe: meine Mutter wollte immer, dass ich 1,80 Meter werde, doch ich habe es nur auf 1,76 geschafft
Gewicht: 95 Kilo, ich habe aber schwere Knochen, ehrlich!
Hobbies: Schreiben, Kino, Musik
Musik: Blues, 60er Jahre Beat, Hard Rock, deutscher Punkrock
Sammelleidenschaft: Eulenskulpturen und clevere, raffinierte Filme auf DVD
Lieblingsfilm: Fight Club, dicht gefolgt von Memento
Lieblingsregisseur: David Fincher, John Carpenter, James Cameron
Lieblingsschauspieler: Mel Gibson, Johnny Depp, Dennis Quaid und Steve Martin
Lieblingsschauspielerin: Sandra Bullock, Sandra Bullock und Sandra Bullock … muss ich noch mehr sagen?
Lieblingsfernsehserie: Alf, der Außerirdische – jede Folge mindestens dreimal gesehen!
Lieblingsgericht: Hamburger Royal TS bei MacDonald´s, Shushi beim Japaner und Cordon bleu mit Pommes bei der Steyrer Herta in Grillenberg, dorthin führt der erste Weg nach jedem Urlaub
Wenn es deine Zeit zulässt, gehst du gern ins Kino oder besuchst mit deiner Frau das Theater. Verrätst du uns, was ihr als Letztes gesehen habt und wie es euch gefiel?
Nach den Fortsetzungen von Matrix, Tomb Raider und Drei Engel für Charlie, die 2003 liefen und allesamt eine herbe Enttäuschung waren, dachte ich schon, es würde keine guten Filme mehr geben, die ohne CGI-Tricks auskommen. Doch dann habe ich zum Glück Fluch der Karibik gesehen, der Film war eine Wucht und Johnny Depp in seiner Glanzrolle. Im Theater die Wiederaufführung des Musicals Grease, was meiner Frau weniger, mir aber sehr gut gefiel. Was das Kabarett betrifft, bin ich ein Fan von Alf Poier, der wohl schrägsten Figur der österreichischen Kabarettszene. Danach braucht man einen Tag Pause, um sich wieder zu beruhigen.
Wie definierst du Glück?
Für mich ist Glück, wenn man die Freiheit und Möglichkeit hat, das zu tun, was man am liebsten macht, dort zu wohnen, wo es einem am besten gefällt und mit den Menschen zusammen zu sein, die man am liebsten hat. Ich selbst kann mich als glücklichen Menschen bezeichnen.
Als Autor beschäftigst du dich mit vielen außergewöhnlichen und wissenschaftlichen Bereichen. Hast du Angst vor der Zukunft?
Einerseits würde ich mich gern einfrieren und in fünfzig Jahren wieder auftauen lassen, einfach aus Neugierde, wie die Welt im Jahre 2054 aussieht. Doch dummerweise würde ich nicht mehr zurückkönnen. Wahrscheinlich würde ich mich in der Zukunft unwohl fühlen, da ich bei der rasanten Entwicklung ein mulmiges Gefühl habe. Heutzutage lernen die Kinder in der Volksschule den Umgang mit dem PC, Webseiten zu layouten und SAP zu programmieren. Jeder hat ein Handy und ladet sich ständig irgendwelche Files irgendwohin. Diese rasante Entwicklung geht zum Teil spurlos an mir vorüber, ehrlich gesagt, kann ich da nicht mehr mithalten – ich müsste mir jede Woche ein neues Handy kaufen. Und leider wird der Fortschritt immer schneller, dabei aber um keine Spur besser. Im Jahr 2054 würden mir die Bäume, Wildbäche, die aus Ästen selbstgebastelten Staudämme, Baumhäuser, Lagerfeuer, Tarzanfilme im Fernsehen und selbstangebauten Tomaten abgehen. Fakt ist, dass das Obst und Gemüse nicht mehr so schmeckt wie 1975, sondern nach Pappe und Styropor. Der Elektrosmog bringt die Menschen um, und das Schlagwort des 21. Jahrhunderts dürfte wohl „Zivilisationskrankheit“ lauten. Am liebsten würde ich mich in eine Zeitmaschine setzen und ins Jahr 1975 reisen, wo alles noch schön gemächlich abgegangen ist und sich jeder eine gute Musik reingezogen hat.
Glaubst du an Übernatürliches, an „Zwischenwelten“, Parapsychologie und vielleicht an ein Leben nach dem Tod?
So wie ich über die Kirche schreibe, dürfte es wohl niemanden schockieren, dass ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin. Andererseits finde ich den Esoterik-Boom rund um Chakren-Meditation, Pyramiden aus gerollten Bachblütenblättern und heilende Steine, die man auf der Stirn balanciert, genauso lächerlich. Dahingegen fasziniert mich die asiatische Philosophie, und ich glaube an die Reinkarnation. Laotse, Buddha, Gandhi und der Dalai-Lama geben mir mehr als Jesus. Für mich hätte niemand am Kreuz sterben müssen. Meiner Meinung nach ist in einem Universum, in dem laut einer Berechnung von Carl Sagan eine Million hoch entwickelter Zivilisationen leben könnten, kein Platz für einen Gott, der ausgerechnet den Menschen nach seinem Abbild geschaffen haben soll. Ich brauche mir bloß die Kriege anzusehen, die bereits in diesem jungen Jahrtausend getobt haben, um mir klar zu werden, dass bei dieser Schaffung etwas gründlich daneben gegangen sein muss.
Gibt es etwas, das du unbedingt mal machen möchtest, aber noch nicht den Mut oder die Zeit dazu gefunden hast?
Meine Malerstaffel, mein Angelzeug und meine Lieblingsbücher in eine Kiste packen und für drei Monate in eine Holzhütte nach Kanada auswandern.
Welchen Menschen möchtest du kennen lernen, wen hättest du gern kennen gelernt?
Normalerweise antworten die Leute auf eine solche Frage immer mit „Jesus“, doch seit Michael Moorcocks „I.N.R.I – oder die Reise mit der Zeitmaschine“ weiß man ja, wie Jesus tatsächlich gelebt hat. Ich hingegen hätte gern Ernest Hemingway kennen gelernt, und ihm bei der Gelegenheit die Knarre versteckt. Ein Gespräch mit Lee Harvey Oswald wäre auch interessant gewesen, bloß um zu erfahren, wer nun John F. Kennedy tatsächlich erschossen hat. Und zuletzt hätte ich noch gern den Alien getroffen, der 1947 in Roswell abgestürzt ist und ihn gefragt, weshalb er so dämlich war, ausgerechnet in der Wüste New Mexikos notzulanden und nicht im Garten meiner Großeltern. Mein Opa war Schlosser und hätte die Kiste garantiert reparieren können.
»Heut geb i mein letzten Cent aus.« Den Wienern wird nachgesagt, dass sie jeden Tag so leben, als wäre es der Letzte. Lebst du genauso? Oder bist du ein geiziger Mensch?
Oh ja, ich bin geizig, sonst hätte ich mein gesamtes Geld bereits den Druckkostenzuschuss-Verlagen in den Rachen geworfen. Aber im Ernst, ich bin kein Mensch, der Entscheidungen aus dem Bauch heraus fällt, sondern sich alles genau überlegt. Ich lebe zwar nicht von heute auf morgen, gönne mir aber trotzdem die Dinge, die mir taugn´, um beim Wienerischen zu bleiben.
Was wären deine letzten Worte, was deine Henkersmahlzeit?
Meine Henkersmahlzeit wäre eine Schüssel Wasabi, jenes scharfe, pastenartige, grüne Gewürz, das es beim Japaner gibt, danach wäre ich bestimmt besinnungslos und bekäme nichts mehr mit. Und meine letzten Worte wären ein Zitat von John Ray, das er 1670 getätigt hat, und was auch eines Tages auf meinem Grabstein
stehen wird:
„They who would be young
when they are old,
must be old
when they are young.“
Ich danke dir für das Interview und wünsche dir für die kommenden Projekte viel Erfolg.
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