Letzte Aktualisierung: 20.08.2017
Innerhalb von wenigen Tagen stieß ich gleich mehrmals auf das Wort Tastevin.
Das erste Mal in »Wein, die 100 wertvollsten Weine der Welt von Michel-Jack Chasseuil«.
Das zweite Mal, als ich ein Weingut in einer älteren Ausgabe (1998) »Der grosse Johnson« nachschlug und im Kapitel „Vom rechten Weingenuss“ hängen blieb. Und wie das manchmal mit Zufällen ist, entdeckte ich auf eBay ein Tastevin, als ich etwas völlig anderes suchte. Ich schlug die Kapitelstellen in den o.g. Büchern noch einmal nach. Der Preis in der Auktion erschien mir günstig. Das Tastevin, das nicht unter diesem Namen angeboten wurde, war stark angelaufen. Egal. Sofort-Kauf. Ohne 1-2-3 – Trotzdem meins.
Eine neue Sammelleidenschaft beginnt!
Tastevin – was bedeutet das?
Die Bezeichnung stammt aus dem Französischen. Taste vin oder Taste de vin bedeutet wörtlich übersetzt „Teste Wein“.
Das Tastevin ist eine Weinprobierschale, die mindestens ab dem 14. Jahrhundert in den Weinkellern zu Probierzwecken benutzt wurde.
Wie sieht ein Tastevin aus?
Traditionell ist ein in Frankreich hergestelltes Tastevin eine kleine Schale, mit einer daumengroßen Halterung an der Seite und einem Ring, der als Griff für den Zeigefinger (und zusätzlich als Öse) Verwendung findet.
Durch den Ring kann eine Kette oder ein Band gezogen werden, denn das Tastevin wurde gerne – besonders in Burgund – um den Hals getragen. Allerdings verfügen nicht alle Tastevins über eine Öse. Dafür haben manche zwei Henkel.
Andere Länder, andere Tastevins
Aber es gibt auch anderen Tastevin-Ausführungen. Auf dem Antiquitäten-Markt finden sich zahlreiche kreativ gestaltete Taste de Vins von verschiedenem Manufakturen aus unterschiedlichen Ländern.
Viele Tastevins sind kunstvoll mit Weinblättern, Weinranken, Schlangen oder Reliefen verziert. Und dazu häufig mit Gravuren versehen – oftmals mit dem Namen des Besitzers oder des Weingutes. Auch Geldmünzen aus Gold oder Kupfer kleben auf dem Boden oder stellen den Boden der Weinprobierschalen dar.
Tastevins dienen noch heute als Ehrengeschenke für besondere Auszeichnungen, nicht nur in der Sommelier-Branche. Gravuren des Namens oder eines Datums sind häufig auf Tastevins zu finden.
Die Schmuckbranche verkauft Mini-Tastevins mit Halskette, die symbolischen Charakter besitzen, aber keinen Nutzen haben. Für Sommeliers, Weinfreunde und Weinsammler aber eine schmückende Idee.
Tastevin – wie funktioniert das denn?
Die aus Frankreich stammenden Tastevins verfügen über unterschiedlich geformte Einkerbungen, die einen speziellen Zweck erfüllen:
Verkostet wurde in von Kerzenlicht und Fackeln beleuchteten dunklen Weinkellern. Das Kerzenlicht brach sich in den Rillen und Einbuchtungen des Tastevins. Die Schattierungen und die Farbe des Weins konnte exakt bestimmt, Trübungen entdeckt werden.
Aus welchem Material besteht ein Tastevin?
Tastevins wurden meistens aus Silber gefertigt. Die Farbe des Rotweins lässt sich auf dem silberfarbenen Untergrund deutlich bestimmen. Nur eine kleine Pfütze Rotwein ist ausreichend, um Farbe und Trübungen zu erkennen.
Silber hat übrigens auch eine antiseptische Wirkung.
Weinprobierschalen gibt es also in Silber oder Messing versilbert. Doch auch Zinn zählt zu den Metallen, aus denen die Schmiede Tastevins fertigten. Auch vergoldete Tastevins sind auf dem Sammlermarkt erhältlich, stellen aber wohl eher den Reichtum seines Besitzers dar und sind weniger zweckmäßig, um die Farbe des Rotweins zu analysieren.
Außerdem finden sich auf dem Markt Tastevins aus Glas, Porzellan, Emaille oder Keramik, gern bunt bemalt. Doch hier ist die Ursprungsidee nicht umsetzbar. In manchen Ländern diente die Weinprobierschale jedoch auch nicht zum Bestimmen der Weinfarbe, sondern nur zum Probieren.
Wo kommt das Tastevin her?
Der Name verrät: Frankreich hat sich diese kleine Weinprobierschale ausgedacht. In »Der grosse Johnson«, Kapitel „Vom rechten Weingenuss“(1998, S. 669) heißt es:
Zitat: Das Gefäß […] ist zum Abzeichen für feierlich-fröhliche Weinproben in Burgund geworden. Eine schlichtere Version wurde für Chateau Lafite-Rothschild kreiert.
Wikipedia meint, große Trinkschalen (ab 1500 v. Chr.), seien die Vorläufer des Tastevins, mit denen der Wein aus den Amphoren geschöpft wurden.
Weiter heißt es:
Zitat: Im 15. Jahrhundert wurde in Burgund eine kleine Tasse mit glatten oder bossierten Wänden als taste vin bezeichnet. Im Languedoc hieß das Gerät tasson, tassot, tassette und tasse à vin. In England wurden die ersten Probierschalen dieser Art im 14. Jahrhundert erwähnt. Der Höhepunkt des Tastevin war im 18. Jahrhundert, als Goldschmiede die reliefverzierten, getriebenen und ziselierten Probierschalen kunstvoll fertigten.
Michel-Jack Chasseuil hegt und pflegt in seinem Weinkeller nicht nur mehr als 35.000 Weinschätze, sondern auch historische Wein-Accessoires. Darunter eine baltische Probiertassse aus der Vorkriegszeit.
Probiert wurde mit allem, was Flüssigkeit bei sich behielt. Doch die Farbe des Rotweins konnte nur in einem Silberschälchen bestimmt werden – dem Tastevin.
Da liegt wohl der Unterschied zwischen den Weinprobierschalen und dem ursprünglichen Tastevin.
Schön sind fast alle – antike Handwerkskunst, die häufig für dreistellige Summen gehandelt werden.
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Galerie – Weinprobierschalen
Quellen / Webtipps
- Lexikoneintrag: Tastevin, wikipedia
- Lexikoneintrag: Tastevin, Wein-plus.eu
- »Wein, die 100 wertvollsten Weine der Welt von Michel-Jack Chasseuil«
- »Der grosse Johnson«, Kapitel „Vom rechten Weingenuss“ (1998, S. 669)
- Tastevin – Angebot bei ebay
- Blogbeitrag (englisch) The Wine Guy: Tastevin
Letzte Aktualisierung: 20.08.2017