Sarah Wiener war für mich schon immer die Rebellin unter den TV-Profiköchen. Sie verfügt über ein großes Fachwissen, sagt ihre Meinung frei heraus (und sie hat eine) und gehört zu den Köchen, die nicht auf filigrane Verzierungen oder High-Tech setzen, sondern aus frischen Zutaten Gerichte zaubern, die jeder nachkochen kann.
Geboren wurde sie 1962 in Halle, wuchs in Wien auf. Die Begeisterung zum Kochen entdeckte sie erst spät, im Berliner Restaurant ihres Vaters. Als Vorbilder bezeichnet sie zwei ältere Köchinnen, Helma und Traudl, die bei ihrem Vater öfters kochten. Mit 28 Jahren gründete sie ihre eigene Cateringfirma. Heute führt sie mehrere Restaurants, wie Das Speisezimmer, Das Kaffeehaus oder den Hamburger Bahnhof – allesamt in Berlin. Dort hat sie auch die Bio-Steinofenbrot-Bäckerei Wiener-Brot eröffnet – eine Herzensangelegenheit. Überhaupt betreibt sie nicht nur Cafés oder Restaurants, seit 2013 besteht die eigene Sarah Wiener Lebensmittel-Linie. Sie setzt sich für gesunde Ernährung bei Kindern ein, ist WWF-Botschafterin und tritt auch immer wieder im Fernsehen auf, z.B. bei ihren Reisen durch ferne Länder in denen sie über die dortigen kulinarischen Trends berichtet.
Mein erstes Ketchup-Rezept stammt von Sarah Wiener. Das Rezept stellte sie vor einiger Zeit bei stern.de in einem Video vor. Ich fand es so simpel, dass ich seitdem nur noch Ketchup selbst koche, zwischenzeitlich mit eigenen Variationen (andere Kräuter, mehr Gewürze). Auch sonst habe ich von ihren Erfahrungen schon häufiger lernen können und mir Anregungen geholt.
Ihr Buch »Zukunftsmenü« ist jedoch alles andere als ein Kochbuch und für jeden, der sich mit Lebensmitteln beschäftigt, eine interessante Wissensquelle. Aber wer will ein Sachbuch als Menüvorschlag?
Ein Köchin klärt auf – Muss das sein?
Ja. Denn Profi-Köche sind es, die uns Verbraucher aufklären können. Ihr Job ist es, aus guten Lebensmitteln noch bessere Speisen zuzubereiten. Wer sonst weiß so viel über Ernährung, Zutaten und Zubereitung wie ein guter Koch oder eine gute Köchin? Sarah Wiener nimmt dabei kein (Salat)-Blatt vor den Mund, sie spricht offen über die Missstände der Ernährungsindustrie. Dabei holt sie sich Hilfe von Professoren, Umweltmedizinern, Agrarwissenschaftlern oder TV-Koch-Freunden wie Tim Mälzer.
Leider wird schnell klar, dass es kein schmackhaftes »Zukunftsmenü« geben wird, wenn zukünftig nicht bedächtig mit unserer Nahrung umgegangen wird. Allen Trends zum Trotz, ob vegan, vegetarisch oder Paleo – kein neuer Ernährungskult schafft es, der Industrie das Umdenken beizubringen, denn hier geht es nicht um gesundes Essen, sondern um Geld und Macht. Und um sehr viel Dummheit.
Als sie Kind war, so erzählt sie, litt keiner an Nahrungsmittelunverträglichkeiten litt. Und überraschenderweise muss ich dieser Aussage zustimmen. Auch als ich noch klein war, einige Jahre später – bekam keiner Bauchweh von Milch oder Allergieschocks von Nüssen. Heute hat fast jeder irgendein Problem mit der Nahrung: Nüsse, Eiweiß, Gluten, Zitrusfrüchte. Die Gründe für die Unverträglichkeiten sind vielfältig und werden anschaulich von den Experten, die Sarah Wiener zu Rate zieht, erklärt.
Ob über Bienensterben, Medikamente und Adrenalin im Fleisch, Bio-Ware, die keine ist oder warum regional essen so gesund ist – Sarah Wiener erklärt und klärt in einer offenen und herzlich warmen Art auf.
Auf Seite 84 ging mir das Herz auf und mir wurde klar, warum ich Sarah Wiener einfach nett finde. Sie war alleinerziehende Mutter – wie ich -, musste zum Sozialamt – wie ich -, hat sich geschämt, diese Unterstützung anzunehmen – so wie ich. Und sich dann wieder rausgekämpft. Wie ich. allerdings hat sie einen anderen Weg eingeschlagen und ist erfolgreicher als ich.
Auch das Kapitel über ihre Resteverwertung hat mir Freude bereitet, denn sie macht es wie ich – oder besser: Ich wie sie, ohne zu wissen, dass sie es auch so macht. Aus trockenem Kuchen oder Kuchenresten zaubert Sarah Wiener Nachtisch – wie ich. Brötchen vom Vortag werden zu Knödeln oder Semmelbröseln und auch sonst wird bei ihr fast alles verwertet, was missglückte oder übrig blieb – wie bei mir. Kann also gar nicht so verkehrt sein. Jetzt könnte der geneigte Leser denken, die Rensmann spinnt ein bisserl. Das will ich nicht abstreiten, aber wenn du oft mit so einem seltsamen Blick betrachtet wirst und dich komisch fühlst, wenn du erzählst (und es deshalb auch für dich behältst), dass du die Pfeffersauce zum Grillen selbst gekocht hast und du den abgelaufenen Joghurt zu Kuchen verarbeitest oder aus Obstresten Marmelade kochst, dann fühlt es sich richtig an, wenn eine Sarah Wiener sagt: Sie macht es so! :-)
Zu manchen Kapiteln kredenzt die Köchin feine Rezepte, die simpel nachzukochen sind.
Auch ihre Webseite ist einen Besuch wert. Dabei spielt jedoch Zeit eine nicht unwesentliche Rolle, denn auf der interaktiven Seite gibt es viel zu entdecken: Tipps zum Kochen und Backen, aber auch zahlreiche Rezepte und Informationen zu vielen Zutaten und Nahrungsmitteln. Außerdem gewährt uns Sarah Wiener einen Einblick in die Speisekarten ihrer drei Restaurants.
Fazit: Ich habe viel gelernt. Manches wusste ich schon, anderes hatte ich vergessen, vieles konnte ich neu entdecken. »Zukunftsmenü« von Sarah Wiener ist ein Aufschrei, ist ein Mut-Mach-und-Aufklärungsbuch mit überraschenden Beispielen und klaren Worten, das sich an all diejenigen richtet, die nicht nur einem neuen Essenstrend folgen, sondern sich wahrlich mit Nahrungsmitteln beschäftigen wollen. Das »Zukunftsmenü« ist wichtig und empfehlenswert!
Sarah Wiener
»Zukunftsmenü«
Riemann Verlag, April 2013
broschiert, 224 Seiten ISBN 978-3570501504
19,99 €
Das Buch ist auch als E-Book für 15,99€ erhältlich.
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- Webseite von Sarah Wiener
© Cover: Riemann Verlag