Mit »Schattennacht« präsentiert Dean Koontz den dritten Band über und von seinem Lieblingscharakter Odd Thomas.
Odd, der als Ich-Erzähler agiert und seine Erlebnisse aufschreibt, um sie zu verarbeiten, wie er selbst erklärt, stellt sich und seine Fähigkeit Tote zu sehen, seinen Lesern noch einmal vor. Somit müssen die beiden Odd Thomas-Bände »Die Anbetung« und »Seelenlos« nicht unbedingt gelesen werden.
Odd hat sich in ein Kloster zurückgezogen, um zur Ruhe zu kommen. Dort leben noch weitere Besucher, u.a. ein russischer Bibliothekar, dem Odd misstraut. Dafür bewundert Odd den zurück gezogenen Bruder John, ein ehemaliger Wissenschaftler, der das Kloster finanziell unterstützt und sich eine eigene Kaste tief unter der Erde für wissenschaftliche Zwecke eingerichtet hat.
Überhaupt weisen die im Kloster lebenden Nonnen und Mönche sehr bewegte Vergangenheiten auf, was sie zu authentischen Persönlichkeiten macht. Odd genießt die Ruhe dort. Zumindest sieben Monate lang. Dann unterbricht das Schicksal, das ihn mit einer seltenen Gabe ausgestattet hat, die geistliche Besonnenheit:
Odd entdeckt einen Bodach – eine Art toter Schatten, der immer dann auftaucht, wenn Menschen sterben. Weitere folgen. Dann wird Odd niedergeschlagen, anschließend von einem seltsamen Gebilde verfolgt, ein Mönch wird ermordet, ein weiterer verschwindet. Und klar wird: Die Kinder, die mit starken oder schwächeren Behinderungen liebevoll von den Nonnen umsorgt werden, sind in Gefahr!
Doch wer und vor allem was steckt dahinter? Odd macht sich auf die Suche, ihm zur Seite stehen ein Dutzend Mönchen, zahlreiche Nonnen, Jacob – ein begabter, behinderter Junge, ein paar stumme Tote und der Mann, dem Odd am stärksten misstraut.
Odd erzählt, denkt, schwafelt in so manchen brenzligen Situationen, dass die Handlung nebensächlich wird.
Er führt neue Personen seitenweise ein, sodass einem die betreffende Person und somit spätere oder aktuelle Handlungen erklärt werden, die eigentliche Geschichte aber an Bedeutung und Spannung verliert. Auch die über fast 400 Seiten begleiteten Sarkasmen, die jede Unterhaltung und Odds Erzählung tränken, sind für meinen Geschmack zu viel des Guten. Lediglich positiv in Erinnerung bleibt mir das Gespräch, das Odd mit Jacob führt, sensible, voller Verständnis, Ehrlichkeit und Offenheit.
Davon hätte ich gerne mehr gehabt.
Dean Koontz liebt diesen Charakter, das hat er oft genug betont. Durch diese starke Zuneigung hat er einen emotionalen, sensiblen, sehr weisen, und vom Schicksal gebeutelten jungen Mann erschaffen. Doch diese intensive Bindung, die der Autor mit seinem Charakter eingegangen ist, schadet in diesem speziellen Fall anscheinend mehr, als dass sie fördert.
Ein Fazit fällt mir schwer, denn Odd ist auf seine Art sympathisch, und einen Roman ohne spannende, schicksalhafte Nebenhandlung, nur mit seinem ironischen Witz würde ich begrüßen. Aber die Mischung zwischen Thriller und stetiger Ironie hält mich nicht gefangen. Sein Schicksal ist traurig, doch – in Anbetracht all der Menschen, die er trifft und von denen er ausufernd berichtet – bedeutungslos.
Erster Satz: »Umgeben von Gemäuer und in Schweigen gehüllt, saß ich an meinem hohen Fenster, während der dritte Tag der Woche in den vierten überging.«
Dean Koontz
Schattennacht
(Originaltitel: »Brother Odd«)
Übersetzung: Bernhard Kleinschmidt
Hardcover mit Schutzumschlag
Heyne Verlag
400 Seiten
ISBN 9783453265844
19,90 €
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