Gelesen: „Marina“ von Carlos Ruiz Zafón

Cover Marina

Erster Satz: „Marina sagte einmal zu mir, wir erinnerten uns nur an das, was nie geschehen sei.“

Marina ist ein junges Mädchen, das ohne Mutter, aber bei seinem Vater aufwächst, sie ist nie zur Schule gegangen. Alles was sie an Wissen benötigt, hat ihr Vater sie gelehrt. Ihr begegnet der junge 15 Jahre alte Oscar, ein Internatsschüler, der sich in Marina verliebt. Er ist es auch, der die Geschichte aus seiner Sicht erzählt.
Eher zufällig  stolpern sie in seltsame Ereignisse hinein. Eine verschleierte Person, albtraumhafte Kreaturen, zerstümmelte Marionetten und ein Geheimnis das es zu ergründen gibt, sorgen für Spannung im Stile der alten Horrormeister wie Bram Stoker, Edgar Allan Poe und Mary Shelley. Letzter  Name findet sich als Dr. Maria Shelley sicherlich nicht zufällig im Buch wieder.

Der Roman liest sich zu Beginn wie eine zarte Liebesgeschichte, eine adjektivlastige Sprache unterstützt die Handlung und passt hier sehr gut. Doch als Marina und Oscar versuchen die Geheimnisse aufzudecken, ertappe ich mich, dass ich an Die Drei ??? denke und fühle mich eher in einem Jugendroman versetzt, was zwar zur Sprache passen mochte, aber nicht zu dem vielversprechenden Anfang und der Tatsache, dass Marina und Oscar viel älter wirken. Die Liebesgeschichte wird nicht intensiviert und nur noch oberflächlich behandelt. Erst am Ende wird darauf wieder eingegangen. Stetige Rückblicke und Erzählungen der von Marina und Oscar befragten Personen werden bis zum Ende hin schneller und lassen die Perspektive von einer ICH-Person in die nächste wechseln. An einigen Stellen stolperte ich über „Schnittfehler“, es fehlten anscheinend Sätze, die dem Lektorat oder der Übersetzung zum Opfer gefallen sein könnten oder nie dagewesen sind – so oder so, das hemmte den Lesefluss. Der Roman scheint in drei Abschnitten unterteilt. Anfang, Mitte, Ende. Zusammen hängen aber nur Anfang und Ende. Die Mitte steht für sich allein. Das letzte Drittel des Romans vergaloppiert sich in haarsträubende Geschichten, denen leider die Klasse der eben genannten Horrormeister fehlt. Zu viel Frankenstein, zu wenig Zusammenhänge. Das ist schade, denn die erste Hälfte und auch die Aussicht auf einen wunderbaren Gruselroman der alten Schule hat mir ausnehmend gut gefallen.

Ich muss mich für meine Meinung bei Carlos Ruiz Zafón entschuldigen, denn in seinem Vorwort berichtet er, dass „Marina“ sein ehrgeizigster und persönlichster Roman sei, den er 1996/97 geschrieben hat. Doch ich selbst weiß, wie es sich als Schriftsteller anfühlt, wenn der Leser nicht das Gleiche darin sieht und erkennt wie derjenige, der den Roman verfasst hat. Vergessen Sie das alles, es ist nur meine dumme, subjektive Meinung, Señor Zafón.

Noch ein letztes Wort zum Klappentext: „Marina“ ist mystisch und gruselig. Ein Horrorroman der alten Schule. Davon steht auf dem Klappentext jedoch nichts. Vielmehr wird von großen Gefühlen – negative wie positive – und über Ereignisse berichtet, die Oscars und Marinas Leben verändern werden. Wer daraus resultiert, einen spannenden Liebesroman mit Verwirrungen und Verstrickungen zu lesen, an dem am Ende alles gut wird, dürfte von „Marina“ mehr als enttäuscht sein. Hier hätte der Verlag ein bisschen mehr Informationen zur gruseligen Handlung preisgeben dürfen.

Fazit: Trotz aller Kritik habe ich „Marina“ gern gelesen.

 

Carlos Ruiz Zafón
Marina
Roman 
S. Fischer Verlag, 2011

Der Roman ist als Hardcover, Taschenbuch und eBook erhältlich.

Informationen zum Autor und den Büchern direkt beim Fischer Verlag

© Cover: S. Fischer Verlag

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.