Gelesen: »Heimat« von Tim Mälzer

Cover: Heimat von Tim Mälzer / Mosaik Verlag

Cover: Heimat von Tim Mälzer / Mosaik Verlag

In »Zukunftsmenü« erzählte Sarah Wiener von ihrer ersten Begegnung mit Tim Mälzer und dabei nimmt sie kein (Spinat)-Blatt vor den Mund. Sie war ein bisschen empört über ihren ersten gemeinsamen TV-Aufritt, in dem Tim Mälzer den Zuschauern empfahl Tüten-Kartoffelpüree zu verwenden und behauptete, der schmecke genauso gut wie selbstgemacht. In der Tat erinnerte ich mich an diesen TV-Moment, bei dem auch ich dachte: „Was ist denn das für ein Koch? Spinner. Der kann ja nix.“  Tim Mälzer war für mich erst mal vom Tisch. Sarah Wiener ist längst mit Tim Mälzer gut befreundet und auch ich habe nicht nur ein Buch von ihm im Kochbuch-Regal.

In Sarah Wieners Buch erklärt er seinen kleinen Tüten-Püree-Fehltritt: „[…]. Als ich dann im Vorfeld die Produktanforderungsliste der anderen Köche sah, habe ich mal durchgezählt. Für das ganze Essen, das wir da gekocht haben, hätte man dreiundvierzig Töpfe und Schüsseln gebraucht. Mal ganz abgesehen von der Zeit – so etwas ist für Privatleute utopisch.“
Und er gibt zu, sein einziger wirklich großer Fehler sei der gewesen, zu behaupten es gäbe keinen Unterschied zwischen selbstgemachten Kartoffelstampf und Tüten-Püree.
Und so sagt er auch über sich: „Wahrscheinlich bin ich derjenige, mit der größten Entwicklungsphase, weil ich ziemlich provokant angefangen habe. Im Inneren bin ich aber auch extrem traditionsbewusst.“

Sympathisch zu lesen, dass auch ein Profi seinen Weg finden muss, so wie wir alle – in jedem Bereich des Lebens.  Dabei hilft uns sicherlich manchmal ein bestimmter Ort – der,  an dem das Herz lebt und manchmal auch der Herd steht: In der »Heimat«.

Hier kommt die goldene Prägung besser zu Geltung.

Hier kommt die goldene Prägung besser zu Geltung.

Das Buch – Ausstattung & Inhalt

Es ist ein schönes Buch. Ein tolles Hardcover mit rotem Lesebändchen und einem sehr fein gestaltetem Buchdeckel aus Goldfolienprägung. Das gesamte Buch ist goldig, vorne und hinten. Der Rücken ist aus schwarzem Leinen mit goldener Schrift.
Die Ausstattung: Nobel. Ich bin begeistert. Doch dann hab ich den Buchdeckel aufgeklappt – ich hatte keine Mühe das goldene Buch zu öffnen. Doch das, was mich erwartete, ließ mich beinahe in Ohnmacht fallen. Heimat sieht bei Tim Mälzer nach einem vergoldeten Erdbeersahnebonbon aus. Denn hinter der goldgeprägten Fassade befinden sich rosapinke Vorsatzblätter – sowohl das fliegende, als auch das Anpappblatt – hinten und vorne – alles rosa. Leckerlieblichzuckersüß und ziemlich krass.

Die Heimat ist ein pinkrosafarbenes Bonbon, eingeschlagen in goldenem Papier.

Die Heimat ist ein pinkrosafarbenes Bonbon, eingeschlagen in goldenem Papier.

Schnell weiter blättern, dann erwarten den Leser und Hobbykoch 300 farbige Abbildungen, darunter Food-Fotos, gemalte Bilder und Fotos von heimatlichen Persönlichkeiten. Diese bunte Zusammenstellung macht das Kochbuch zu einem Erlebnisband mit Rezepten. 120 Stück gibt es davon. Und eins wird schnell klar: In der Heimat ist Fleisch die Hauptmahlzeit. Klassische Rouladen, Frikadellen oder Gulasch, aber auch gekochte Innereien oder Zunge liegen da gern auf dem Teller. Für Veganer oder Vegetarier vermutlich schwer verkraftbar. Doch für die hat Tim Mälzer ja die  »Greenbox« herausgebracht.

Ich – als Pescetarier – hätte nicht auf die Lektüre verzichten mögen, denn zu den Fleischgerichten aus der Heimat gibt es Saucen, Beilagen und Ideen, die ich – auch vegetarisch – umsetzen kann. Außerdem koche ich auch für Fleischesser, und da sind Anregungen stets willkommen.

Wer einen kleinen Einblick wünscht, der findet auf der Webseite von Tim Mälzer ein paar Rezepte aus dem Buch: Gulasch, Labskaus, Strammer Max – ein Gericht, das ich als Kind oft gegessen habe – oder Eierlikör-Käsekuchen. Alles da. Nur im Buch gibt es noch mehr.

Was habe ich daraus ausprobiert?


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Wie immer habe ich mir erst einmal den Süßkram vorgenommen. Backen brauche ich für meine Seele und wenn ich keinen Kuchen im Haus habe, fehlt mir etwas (Nein, noch sind die leckerlieblichzuckersüßen Kalorien nicht sichtbar, ich fürchte aber, das kommt noch).

Zitronen-Gugelhupf (S. 290/291) klingt natürlich sehr nach meinem Geschmack. Allerdings wünscht das Rezept Marzipan, das hatte ich nicht da, was immer so ist, denn Marzipan mag ich nicht. Ich habe es also weggelassen. Anstelle von 200 g Zucker habe ich nur 150 g genommen und mit 50 selbst gemachtem Vanillezucker aufgefüllt. So schmeckts. Der Kuchen ist locker und saftig, aber mir hätte er noch zitroniger sein dürfen (prinzipiell soll ja auch Marzipan dazu, was einen gänzlich anderen Geschmack ergeben hätte – das bin ich also selbst Schuld). Dennoch: Auf Schwarzbrot mit Butter … lecker. Das ist bei uns im Bergischen Land durchaus heimatlich.

Schokoladenpudding mit Sahne und karamellisierter Ananas.

Schokoladenpudding mit Sahne und karamellisierter Ananas.

Und weil ich immer schon nach ein Rezept für selbst gemachten Pudding gesucht habe, musste ich auch den Schokoladenpudding (S. 283) ausprobieren. Bei dem Rezept gibt es allerdings einen kleinen Fehler. Herr Mälzer weist im Fließtext Pkt. 3 darauf hin, die Vanilleschote möge entfernt werden, das ist nicht möglich, denn er hat nie gesagt, sie solle in die Milch-Schokoladen-Mischung gegeben werden. Es hieß nur: Vanilleschote längs halbieren und das Mark herausschaben. Okay, es hieß auch nicht, das Mark müsse in die Milch-Schoko-Mischung. Hab ich aber gemacht und die Schote in diesem Fall nicht mitgekocht, sondern in meinen Vanillezucker gegeben. Wie dem auch sei, das Entfernen konnte ich mir sparen und vanilliglecker war es trotzdem. Passt also.
Der Tipp mit dem Zucker über den Pudding streuen, damit sich keine Haut bildet, ist ein Ratschlag von Oma – den kannte ich schon. Eine richtige Haut bildet sich dann zwar nicht, aber die obere Schicht wird trotzdem dunkel und beim Servieren kann das unschön aussehen. Wer gar keine Haut bzw. auf die etwas dunklere Oberschicht verzichten möchte, der muss rühren bis der Pudding fast erkaltet ist. Das gibt zwar einen lahmen Arm, aber am Ende Muckis und einen sehr glatten Pudding. Hab ich aber dieses Mal nicht gemacht, wie auf dem Foto zu sehen.

Das Apfelkompott entstand nach dem Rezept von Tim Mälzer mit Ahornsirup. Die Kürbis-Kartoffeln-Röstis sind von mir.

Das Apfelkompott entstand nach dem Rezept von Tim Mälzer mit Ahornsirup. Die Kürbis-Kartoffeln-Röstis sind von mir.

Da ich Apfelmus brauchte (es gab Kartoffel-Kürbis-Röstis, nicht nach Mälzer, sondern nach mir), habe ich auch noch das Apfelkompott-Rezept (S. 282) ausprobiert. Das stand neben dem Schokoladenpudding und ergab sich so. Anstatt Zucker – wie ich ihn sonst sparsam bei der Zubereitung von Apfelmus verwende – sollte Ahornsirup zu den vorher in Zitronensaft gewendeten Apfelstückchen. Das war sehr lecker. Merke ich mir.

Das alles (auch die Röstis) habe ich übrigens an einem Abend, innerhalb von 1,5 Stunden zubereitet. Schnell und problemlos, was vor allem mit den simplen Rezepten und den guten Erklärungen zusammenhängt, und dem Einsatz einer Küchenmaschine – die arbeitete mit dem Kuchenteig, während ich im Schokopudding rührte. Und als ich die Äpfel schälte, habe ich die zweite Küchenmaschine angeworfen, die den Namen “Ehemann” trägt, der musste Kartoffeln und Kürbis reiben.  ;-)

Last but not least: Fischfrikadellen (S. 103) habe ich schon mal zubereitet – frei Schnauze sozusagen. Doch als ich das Rezept von Tim Mälzer las, dachte ich: “Kannste eigentlich noch mal machen.” – Eine prima Inspiration, und die Zutaten waren fast identisch. Irgendwie schön. Tim Mälzer legt die Fischfrikadellen auf Erbsen-Paprika-Buttergemüse – ich lege sie daneben. Sehr fein.

Der Spitzkohl für den Krautsalat (S. 168/169), den ich sonst immer mit Weißkohl gemacht habe, liegt schon im Kühlschrank und die Salate werde ich alle nacheinander ausprobieren. „Salate, Gemüse und Beilagen“ – mein Kapitel.

Hier bedankt sich Tim Mälzer bei allen, die irgendwie am Buch beteiligt waren. Das ist ein schöne Geste, zudem ist die Seite wirklich niedlich gemacht. Ob Tim Mälzer selbst gezeichnet hat?

Hier bedankt sich Tim Mälzer bei allen, die irgendwie am Buch beteiligt waren. Das ist eine schöne Geste, zudem ist die Seite wirklich niedlich gemacht. Ob Tim Mälzer selbst gezeichnet hat?

Fazit

Optisch ein sehr schön aufgemachtes und dem Anschein nach mit Herzblut hergestelltes Kochbuch. Die Rezepte finde ich deshalb so wunderbar, weil sie bodenständig und simpel nachzukochen sind und dazu tolle Anregungen geben.
»Heimat« schmeckt und fühlt sich ein bisschen wie bei Oma und Zuhause an. Ich bedanke mich dafür (male aber kein Bildchen, das wär nix.).

 
 
 

Tim Mälzer
Heimat
Mit über 120 Rezepten, in hochwertiger Ausstattung mit Leineneinband und Goldfolienprägung
Mosaik Verlag, 13.10.2014
Gebundenes Buch, Halbleinen, 304 Seiten, 21,0 x 27,0 cm
4-farbig, ca. 300 farbige Abbildungen; Pappband veredelt, Lesebändchen
ISBN 978-3-442-39274-2
19,99 €

 
 

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© Cover: Mosaik Verlag

Vielen Dank an den Mosaik Verlag für die Zusendung des kostenlosen Rezensionsexemplars!

Letzte Aktualisierung: 04.03.2017
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