Die Lesung fand anlässlich des Projektes und der Anthologie »Gedanken im Sturm« statt. Musikalische Begleitung dank der Remscheider Pianistin Lisa Schulz, Moderation durch Elmar Gunsch.
Folgende Autoren nahmen teil: Steve Comes, Achim Friker, Emar Gunsch, Thomas Hundhausen, Nicole Rensmann, Betty Schmidt, Matthias von Schramm, Angela Wagner, Nina Winkler und berichteten später:
Betty Schmidt, 04.09.2002: Für mich war es ein Riesenspaß und ein super spannender Abend. Ich bin sehr froh, dass ich dabei war! Ein ganz großes Kompliment an Dich und auch an die anderen, die daran beteiligt waren!! Für mich als „Greenhorn“ war es eine Ehre mit einem Mann wie Elmar Gunsch an einem Tisch zu sitzen und über Poesie „verbunden zu sein“.
Achim Friker, 31.08.2002: Ich war beeindruckt von der Organisation, von der Moderation durch Herrn Gunsch und natürlich von der Musik. Ich glaube, das Pogramm ist gut beim Publikum angekommen. Es hatte durch die – dem Buch entnommene – Reihenfolge der Lese-Vorträge einen angemessenen inhaltlichen Bogen und durch die musikalischen Intermezzi die Zeit, das Gehörte zu verdauen. Die Zuhörer waren über die komplette Dauer konzentriert bei der Sache. Einige haben sich nachher geäußert, und zwar ausschließlich positiv. (Abgesehen davon, dass einer Dame missfiel, wie wenig ich mich für Sternzeichen interessiere; immerhin weiß ich jetzt, dass mein Desinteresse astrologisch begründet ist.) Besonders froh bin ich – was heißt hier froh!?; mir ist ein ganzer Steinbruch vom Herzen gefallen -, dass sogar mein – im ernsten Rahmen des Programms sicherlich heikler – satirischer Beitrag beim Publikum derart gut angekommen ist. So kribbelig ich vorher war, so high bin ich anschließend gewesen. (Ganz weg ist es bis jetzt nicht.) Ich halte den Abend für eine rundum gelungene Veranstaltung.
Ausschnitte aus dem Reisetagebuch Viersen – Remscheid, Matthias von Schramm
[…] Dann werde ich sinnieren, ein wenig über die Freiheit an sich und die Großzügigkeit des Menschenschlages erzählen, mir an den Magen fassen und Abends mit Schorsch, der mir als Chauffeur dient nach Remscheid fahren, allein um dort die großartige Nicole Rensmann, Angela Wagner, Steve Comes und den Märchenerzählerfreund den berühmten Elmar Gunsch kennen zu lernen, der uns „Gedanken im Sturm – Erprobte“ moderieren wird. Die Nacht legt sich aalend über Bremen, zügig wolkig, rumplig und ich ziehe im Zug weiter.
Bekannt aus Funk und Fernsehen sagt mensch im Allgemeinen. Da aber ja das Buch einem guten Zwecke dient, dient es hoffentlich der Sache den freundlichen Promi Gunsch voran zu stellen. In RP Online ist das geschehen und meine alte Freundin Barbara – hachja wir kennen uns nächsten Sommer nun auch schon zwanzig Jahre – will auch kommen. Aus Köln. Jetzt nehme ich mich hier mal ganz im Ganzen vor meinem Notebook und diesem Dummbatz und sage – nun bin ich also Autor. Autor sein heißt ja nicht nur zu Veröffentlichen, sonst viel mehr noch nach Außen hin diesen Eindruck zu vermitteln. Wenn ich ganz tief in mich hinein horch ist es ein Glückskeksgefühl. So ein Gefühl gibt es natürlich nicht, denn es ist eine Erfindung des Autoren Matthias von Schramm – aber das macht es ja auch aus glaube ich. Übrings habe ich mir vor der Reise den Bart gestutzt. Das ist nicht wegen dem öffentlichen Auftritt – und dies sage ich mit besonderem Hinweis zu den Frauen im vier w Forum, denen ich Texte widme – sondern damit ich vor mir selbst so dastehe, dass ich sagen kann, ich habe was getan. Also ist es letztlich doch wegen diesem öffentlichen Auftritt ihr Schnuten. […]
29.08.2002 21:17:18
[…] Muss beiläufig sagen, die selbstgebastelte Regionalbahn von Duisburg nach Viersen hat sich sehr entwickelt, denn nun ist zu lesen, wo sich der Zug befindet. Das wurde vor zwei Jahren noch nicht für nötig gehalten, zu einer Zeit, als ich das letzte Mal Viersen bereiste. Schorsch war rasiert, jedoch mit Hund und aus einem VW Polo Jahrgang 1981 war einer Jahrgang 1988 geworden. Menschen wachsen halt, auch wenn sie ihre Bärte schneiden.
[…] Ein ausgiebiger Spaziergang ins wirklich sehr Grüne an die Niers rundet die Vorbereitungen auf den Ausflug nach Remscheid ab. Um 17 Uhr machen wir uns, der Schorsch und ich auf den Weg. Nun wäre es schön gewesen auf der Reise dorthin viel Vertraute erwarten zu können, aber das war natürlich nicht möglich. Die wohlwollende Milde in Madonnas Gesicht beispielsweise hätte mir gut getan, die Altmeisterin des Ziegenbart ziehen gibt mir einen ruhigen Stand, eine Mitte quasi. Nicht minder gern hätte ich den großen Kämpen Michael an meiner Seite gehabt, einen fürwahr engagierten Rezitator unserer Anthologie „Gedanken im Sturm“. Aus dem ehemaligen Pullover mit Haaren ist etwas erwachsen, was nur im nächsten persönlichen Gespräch verifiziert werden kann. Ich schweife ab.
Unendlich scheint das Wuppertal an das als Po Remscheid dranhängt. Das bergische Land hat Gassenenge, Gassenhauer weniger, denn es ist ruhig. Irgendwann nach abschüssigen 18% den bereits erklommenen Berg hinunter steht still und verwunschen die nach den Beschreibungen Nicole Rensmanns unverkennbare Denkerschmette. Schmette kommt von Schmiede, wie wir später erfahren.
Wir sind die ersten, es ist halb sieben, als Autor sind Getränke für mich gratis und ich lasse mich kühn zu einem großen Glas Wasser hinreißen. Der Wirt im weißen Hemd ist ein herzhafter Mann, der die Wohnzimmeratmosphäre der Lokalität vorstellt. Ein langer Biertisch an einer Fensterfront. Acht Stühle dahinter, zwei an der Seite. Später wird in der Mitte Elmar Gunsch Platz nehmen, rechts neben ihm ein gewisser Matthias von Schramm.
Nach einer Weile trifft Achim Friker mit Begleitung ein. Ein freundlicher Herr, vielleicht zehn Jahre älter als ich, seinem Antlitz nach Raumfahrt engagierter Physiker. Dieser Mann ist verfechter der alten Rechtschreibung und davor gehört teilweise der Hut gezogen. Ich bin in grün gehalten und warte ab. Dann erscheint Nicole Rensmann mit Mann und einem Berg von Prospekten und neuen Büchern. „Gedanken im Sturm“ schien vergriffen, neugedruckte Exemplare konnten ausgelegt werden. Bald lerne ich auch meine Mitherausgeber im Komplettpack kennen. Steve Comes, der junge hochaufgeschossen Bursche aus Köln kommt im Anzug, Angela Wagner hält sich dunkel und Nicole Rensmann elegant und schwarz. Wir sind auf Anhieb die Verstehen ist da, ohne die anderen je gesehen zu haben.
Bis auf Mareen Göbel finden alle angekündigten Autoren den Weg in die Denkerschmette:
Nicole Rensmann beginnt mit der Einleitung, gefolgt von Nina Winkler mit „Als Helden und Engel geboren“, jung, schüchtern aber sehr freundlich. Matthias von Schramm liest „Zwillingstürme“. Steve Comes sagt „Sie hatten alle Namen“. Achim Friker folgt mit „Tannen und Käuze“ Elmar Gunsch sagt etwas zum „Atavismus“ Lieb und engagiert ernst ist Betty Schmidt mit „Sprichwortsalat“ Thomas Hundhausen, ein ortsansässiger Steinmetz, ein Vielkünstler sozusagen spricht von: „Tod einer Materie namens Mensch“ Und Angela Wagner beschließt mit: „Ein gemütlicher Abend!“
Bis es dazu kommt nimmt der Brummbass des wetterkartenmenschenlnden Elmar Gunsch den Raum ein. Das Volumen wird gepflegt mit Rotwein, ein bis oben geschlossenes Hemd verziert den edlen Wanst. Ich versuche möglichst unauffällig beim bestellen meines zweiten Glases Wassers meine Hand dem Manne zu reichen.
„Gunsch!“, sagt er mit warmen Händedruck, verneigt sich kurz „Matthias von Schramm!“, sage ich. „Aha – einer der Herausgeber!“, sagt er und lächelt weinselig. Ich bestelle mein Glas Wasser und stehle mich aus dieser Situation gleich wieder, bevor sie peinlich werden könnte.
Ich begrüße meine alte Freundin Barbara. Leider fährt der letzte Bus gegen zehn, den sie wieder nehmen muss. Aber es wird reichen der Veranstaltung beizuwohnen. Schorsch hält mittlerweile unaufdringlich seine Kamera bereit, Fotos werden aber auch von Nicoles Vater gemacht. Kein Problem, denke ich. Wir nehmen für die Lesung Platz. Ich betrete den Raum, Applaus der jungen und alteingesessenen Remscheider beginnt den vollen Raum akustisch zu füllen. Dann merke ich, Elmar Gunsch folgt mir, abwiegelnd, dass er nur ein kleiner Teil des Projektes ist. Wir nehmen Platz, lächeln uns kurz an, eine überschaubare Meute von Reportern (es können zwei gewesen sein) nehmen Herrn Gunsch mit ihren Kameramonstern in Beschuss.
Die junge Pianistin Lisa Schulz übernimmt die musikalische Begleitung. Sie wird das außergewöhnlich beeindruckend tun, teilweise unterstützt von ihrem kleinen Bruder – ein echter Vierhänder dann.
Der Bass neben mir mit seinem Rotweinglas sendet zunehmend Ruhesignale. Ein Mann mit Statur. Ähnlich wie einst Omar Cajjam. Einen Verhaspler habe ich in meinem Text, danach kühlt der Körper ein wenig ab. Applaus ordentlich.
Höhepunkt gewiss aber mein Lieblingstext der Buches „Tannen und Käuze!“ Toll das ein Achim Friker kurz nach dem 11.9. zu Satire in der Lage war. Ich beneide diese Leistung schon ein wenig, da sie prinzipiell mein Genre berührt.
Die Begeisterung über einen gelungenen Abend macht sich allenthalben breit. Nicole erntet per Blumengebinde den Dank von uns anderen Herausgebern für ihre Hartnäckigkeit. Angela Wagner betont eindringlich was alle denken: „Ohne Nicole hätte es „Gedanken im Sturm“ nie gegeben.“ Im Gegenteil, es hätte unsensibel „Trotz dem Terror“ oder ähnlich geheißen und wäre kein Buch geworden. Wir geben uns gegenseitig Autogramme in die Autorenexemplare, ernten solche von Elmar Gunsch. Er muss dann los, Richtung Herford. Zum Abschied sage ich ihm, wie sehr er mir die Ruhe gegeben hat. Er setzt seine warme Pranke väterlich auf meinen Oberarm und sagt: „Sie waren nervös? Hab ich gar nicht gemerkt – machen sie es gut mein Lieber!“
Nachdem Elmar Gunsch auch Nicole Rensmann geherzt hat, löst sich der für mich grandiose Autorenabend auf. Wir benötigen eine kurze Weile für 200 Kilometer Autofahrt nach Viersen. Das sind zwar 120 Kilometer mehr als normal Du, aber das war auch das einzige Verfahrene an diesem Abend. […]
Dann eine Nacht versucht im Schlaf zu versinken, was nicht leicht war. […]
Nicole bekommt von mir die Abschluss SMS dieser Reise, zum Blumengebinde von Freitag noch einen Gruß. Der Zug hier ist voll und ich klemme mich in die Enge zweier Sitzreihen, der bedeckte Himmel verhindert, dass ich den Screen nicht sehen kann. Aber ich schreibe mir eh noch auf einer Wolke der Betäubung blind Gedanken von der Seele.
Anhand der Reaktionen auch dieser Umgebung sehe ich wie wenig ungewöhnlich ich bin. Das ist ganz gut; so tauge ich in dieser Hinsicht doch zum Autor, denn wenig ungewöhnliche Leute finden sich ja oft im Schreiben. Manchmal finden sie sich auch dort wieder. Vielleicht gelingt es mir, mich daheim wieder einzusammeln.