»Faust – Die Rockoper«: Faust rockt …

… laut und sexy.

Der Teufel gab nicht nur auf der Bühne sein bestes, er steckte auch in der Technik. Es gab Rückkopplungen, ein knirschendes Mikrofon und – nicht zu vergessen – die Ansage kurz nach Beginn der Vorstellung: »Aufgrund eines technischen Defekts, bitten wir Sie den Raum zu verlassen.«

Ich kannte diesen Satz nur zu gut (hatte ich diesen erst vor wenigen Wochen bei IKEA befolgt) und ich gebe zu, ich hatte Panik-Herzklopfen. Der Teufel auf der Bühne brummte verständnislos, was jedoch so gut zu seiner Rolle passte, dass vermutlich jeder im Publikum darüber nachgrübelte, ob diese Ansage zur Show gehörte. Die Lichter blieben aus, niemand verließ den Saal. Kurz darauf wurden die Platzanweiser aus dem Theater geholt. Erst als sich diese wieder ans Reihenende setzten, konnte ich den Teufel in der Technik vergessen und dem auf der Bühne folgen.

»Faust – Die Rockoper«

Klassische Literatur. »Faust«. Den Text von Goethe, den so mancher in der Schule als langweilig und kaum zu verstehen wusste, in rockige Rhythmen mit Heavy Metal Sound zu verpacken mag der eine als Frevel bezeichnen, ich fand es genial.

»Faust«, aus der Feder Johann Wolfgang Goethes, handelt, übrigens ähnlich wie »Jekyll & Hyde«, von der Verführung des Bösen und dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse – vor allem in uns selbst. Faust, ein alter Wissenschaftler, geht einen Pakt mit dem Teufel ein. Fortan jung und von Gebrechen befreit, verliebt er sich in Gretchen – jung und unberührt. Vom Willen beseelt sie für sich zu gewinnen, stürzt er sie – und damit sich selbst – ins Verderben.

Das Thema als Rockoper zu präsentieren, ist vorstellbar. Doch die Dialoge und Lieder sind im Originaltext belassen – eine Herausforderung, denn Goethe wurde 1749 geboren, seine Ausdrucksweise glich keineswegs der unsrigen.

Was lesend manchmal schwer zu verstehen schien, wird in »Faust – Die Rockoper« auf neuer literarischer Ebene vermittelt und mit einem mal deutlich.

Die Musik war laut und eingängig, die Stimmen hervorragend, die Kostüme passend (der Teufel sah wie ein Abbild von AC/DC oder Kiss aus), die Dialoge und Gesten nicht klassisch oder steif, sondern frech, lustig und galant.

Die drei Hauptdarsteller, der Teufel, Heinrich Faust und das blonde Gretchen, haben nicht nur sehr gut gesungen, sondern auch eine perfekte schauspielerische Leistung auf der Bühne präsentiert. Special-Effects unterstrichen mit Zischen, Knallen und Feuersbrünsten das teuflische Werk Satans (der gar nicht so genannt werden wollte).

Die vier Musiker, die Keyboard, E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug bedienten, standen nicht im Orchestergraben, sondern auf der Bühne hinter der aufgebauten Kulisse, und zwar deutlich sichtbar – es wäre sonst auch schade drum gewesen. Denn die Gitarristen bearbeiteten nicht nur die Saiten ihre E-Gitarren, sie wurden auch in die Handlung mit einbezogen, was mit Applaus belohnt wurde. Doch als die beiden gut gebauten jungen Herrn und Heinrich Faust sich von ihren Kleidern trennten, war es um die jüngeren Damen im Publikum geschehen. Ein Kreischen und Kichern, wie bei einer Popband. Welch Glück, dass niemand in Ohnmacht gefallen ist.

Auch das Publikum wurde zu Statisten, sei es um Zitate zu ergänzen wie »Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.«, oder wenn sich die Schauspieler unterhalb der Bühne an der ersten Reihe vorbeidrückten.

Nach Zugaben und Standing-Ovations dachte ich: »Schade, eigentlich würde ich das jetzt gerne noch einmal sehen.«

Einzig schwach fand ich die drei Tänzerinnen, deren Bewegungen nicht synchron und oftmals sehr unsicher wirkten.

Nach diesem Event werden sicherlich einige der jugendlichen Zuschauer anders über klassische Literatur denken.

Goethes »Faust« langweilig? Mitnichten!

Danke für den unterhaltsamen Abend.

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