Dies ist ein Apfel. Also eher ein Äpfelchen, er möchte noch ein Apfel werden. Ein großer Apfel, der beim Reinbeißen knackt und so saftig ist, dass der Saft am Kinn runter läuft. Vermutlich wird er klein bleiben und nicht annähernd so saftig sein, aber dass es ihn überhaupt gibt, ist ein kleines Wunder. Denn er hängt an einem schmalen beinahe schlaksigen Apfelbaum, der viele Jahre keine Früchte trug.
Es ist der Baum!
»Ein Mann muss drei Dinge im Leben tun: Ein Haus bauen, einen Sohn zeugen und einen Baum pflanzen.«
Okay, ich bin kein Mann, ein Haus habe ich noch nicht gebaut, das werde ich auch vermeiden, einen Sohn habe ich bekommen und diesen Baum gepflanzt. Und aus der Sicht meines Mannes, der ja irgendwie an allem mitbeteiligt war, passt das Sprichwort fast wieder. Wie auch immer: Dieser Baum ist ein kleines Familien-Symbol. Auch wenn der Garten, in dem er steht, ein Gemeinschaftsgärtchen ist. Wir haben dort alles angepflanzt, pflegen und hegen jeden Strauch. Dieser Apfelbaum blühte im ersten Jahr und trug Obst … Öbstchen. Kleine rote Knack-Äpfel. Das war das einzige Mal. Im Jahr darauf blühte der Apfelbaum, Äpfel blieben aus.
Und so richtig gedeihen wollte das Bäumchen auch nicht. Nach einigen Jahren presste der Baum drei, vier Blüten raus und richtig wachsen wollte er auch nicht. Ich pflanzte unser Apfelbäumchen aus und trug es an eine andere Stelle im Garten. Es fühlte sich besser an, dort, im Schutz der Hecke, Sonne fast den gesamten Tag lang. Doch nun schien alles verloren, die Wurzel zu schwach um sich festzuhalten, pustete ein Sturm das schmale Bäumchen windschief. Ich stützte ihn mit Steinen. Natürlich bekam der Apfelbaum auch in dem Jahr keine Äpfel. Viel schlimmer. Er blühte nicht einmal. Im Winter verlor er alle Blätter – das war normal. Und weil der Apfelbaum wieder einmal im Herbst obstlos geblieben war, ich ihn aber nicht aufgeben wollte, schmückte ich ihn mit Meisenknödeln. Die Vögel liebten den schmalen, wackeligen Baum – sie besuchten ihn, ob Meise, Rotkehlchen, Amsel oder sogar Eichelhäher. Das gesamte Jahr über kamen sie, rieben ihre Schnäbel an den Ästen des Apfelbaumes, versteckten sich unter den neu gewachsenen Blättern und schimpften, wenn der Meisenknödel im Sommer nicht schnell genug ausgewechselt wurde. Ein weiteres Jahr folgte und ich hatte mich bereits damit abgefunden, dass der Apfelbaum ein Vogelbaum werden würde.
In diesem Jahr das kleine Wunder. Das Apfelbäumchen, immer noch schlaksig von der Statur her, blühte zaghaft. Es waren nicht viele Blüten, aber sie sahen wunderschön aus. Daran, dass aus den Blüten Äpfel werden würden, wollte ich jedoch nicht glauben. Aber der Baum überraschte mich. Und das ist nicht das einzige Äpfelchen, das zu einem Apfel werden will. Rundherum hängen weitere grüne Apfelbabys – zwei Hände voll vielleicht. Das müssen genauso viele sein, wie Blüten im Frühjahr geblüht haben. Und ich finde: Das ist ein Wunder – ein wunderbares.
Fortsetzung folgt!