In den letzten Tagen stolpere ich über zu viele Nachrufe, die für Menschen geschrieben wurden, die zu früh aus der Mitte der Familie gerissen oder nach einem langen, erfüllten Leben verstorben sind. Freunde, Familie, Kollegen, Fans und Bewunderer finden wunderschöne Worte, die mich zu Tränen rühren, auch wenn ich die Person gar nicht – oder nur flüchtig – kannte. Texte voller Liebe über Wesen und Charakter, voller Bewunderung für Arbeit, den beschrittenen Weg, den Kampf für und gegen. Worte voller Stolz, diesen Menschen gekannt und ihn über ein kurzes oder langes Stück im Leben begleitet zu haben. Da wird von großem Verlust geschrieben, von Betroffenheit und einem Loch, das er oder sie reißt und das nicht mehr ausgefüllt werden kann. Wahre Worte, die mit dem Herzen geschrieben wurden. Die Wertschätzung der Arbeit, der Ideenreichtum und die Offenheit oder Liebenswürdigkeit dieses Menschen werden hervorgehoben. Plötzlich sind sich alle sehr nah und nur die guten Seiten der Verstorbenen sind nun noch wichtig. Das finde ich schön.
Doch: Wusste er, wusste sie das?
Auch ich habe schon Nachworte verfasst und mich dabei gefragt, warum ich meine Freude über diesen Menschen, meine Begeisterung über seine Arbeit oder seinen Lebensweg nicht zu Lebzeiten mitgeteilt habe. Sicher, einem Prominenten seine persönliche Bewunderung mitzuteilen ist möglich, aber sie hat für diese Person vermutlich nicht die Bedeutung, wie es die gleichen Worte hätten, wenn ich sie an einen Freund, ein Familienmitglied oder einen Kollegen richten würde.
Ohne dich geht’s nicht
Damit meine ich nicht die berühmten drei Worte, die seinem Partner öfters gesagt werden sollten, ohne routiniert zu klingen. Vielmehr meine ich, den Grund dafür in Worte zu kleiden – für die Freude, die Liebe, die Freundschaft, die wir für Partner, Freunde, Familie, Kollegen hegen, oder den Stolz über eine Leistung, über eine bestimmte Charaktereigenschaft, die Begeisterung über die Fähigkeiten oder den Mut.
Du bist toll. Ich bewundere dich für dein Leben, deinen Ehrgeiz, deine Energie, deine Empathie. Ich mag dich, weil du zu jedem nett sein kannst oder weil es ohne dich nicht ginge. Ich danke dir, lieber Kollege, weil du mir geholfen hast, weil du so ruhig bleibst, obwohl ich ausrasten könnte. Ich finde es bewundernswert, wie du mit diesem Blödmann umgehst. Toll, dass du so organisiert bist. Deine Freundlichkeit anderern gegenüber, deine Fähigkeit auf Menschen einzugehen und sich in sie hineinzuversetzen, deinen Mut diesen Schritt zu gehen – das finde ich toll an dir. Deine Stärke, dein Charisma, deine Fähigkeiten suchen seinesgleichen. Ohne dich wäre manches unvorstellbar schwer.
Sag doch öfters: Du bist toll!
Wann hast du das letzte Mal einer eher unbekannten Person gesagt, dass du sie oder ihre Arbeit schätzt? Wann hast du deinem Kind gesagt, dass du stolz auf seine Leistung bist und seinen Charakter toll findest? Wie lange ist es her, dass du deinem Partner ins Ohr geflüstert hast, wie froh du bist, dass er oder sie da ist, weil du den holprigen Weg ohne seine Hand nicht gehen könntest? Hast du deiner besten Freundin schon mal gesagt, wie wichtig sie dir ist, und auch warum? Weiß dein Kollege, dein Mitarbeiter, dass du seine Arbeit schätzt?
Zu Lebzeiten kann ein Mensch damit sicherlich mehr anfangen als nach dem Tod. Darum plädiere ich auf einen Vorruf, das ist schwieriger und im alltäglichen Stress gar nicht so leicht zu bewerkstelligen, aber es könnte das Leben bereichern. Außerdem wären die Zweifel nach dem Ende ausgeräumt, ob er oder sie gewusst hat, dass ich ihn oder sie toll fand.
In diesem Sinne: Ich freue mich, dass du meine Gedanken gelesen hast und meinen Blog besuchst. Das gibt mir Auftrieb. Danke dafür! Du bist toll!