Der Wein schmeckt firn… glaube ich, oder: Ich habe noch nie eine Banane gegessen!

... supergutes Wetter und überall Wein.

… supergutes Wetter und überall Wein.

»Firnis« (2007) – so heißt der Titel eines meiner Romane. Zehn Jahre alt ist der historisch-phantastische Roman, der eine Vielzahl an Lesern begeisterte. Damals.  
Firnis sprühe ich über meine Gemälde, damit sie vor Sonne und Umwelteinflüsse geschützt sind und in der Familie weitervererbt werden können. 

Das erste Mal ist bei mir noch gar nicht so lange her. Es war im Sommer 2016, als ich auf „Firn“ in einem anderen Zusammenhang stieß. Ein Wort, das in einer E-Mail an mich auf das Aroma eines Weines hinwies. Ich dachte an „alt“. Der Duden bestätigt, dass ich mit dieser Annahme nicht falsch lag. 

firn (fachspr. für alt, abgelagert [von Wein]); ein firner Wein  

Ich stand kurz davor meinen ersten „alten“, vierzig Jahre alten Wein zu verkosten. Machte aber – aus Unerfahrenheit – einen Rückzieher. Danach wurde ich mutiger. 

Was ist firn? Oder: Wie schmeckt eine Banane? 

Die Weinszenisten werfen mit Wörtern um sich, doch was nützt mir ein Wort in der Praxis? Nichts. Und das sage ich, die sich mit Wörtern ihre nächste Flasche Wein verdient. 

Wie schmeckt firn?
Wie soll ich wissen, wie etwas riecht und schmeckt, wenn mir niemand sagt, wie firn schmeckt oder riecht? 

Wenn ich noch nie eine Banane gegessen habe, weiß ich auch nicht wie eine Banane schmeckt. 

Pinot Noir Bourgogne 1996 - offen

Pinot Noir Bourgogne 1996 – offen

Nun. Ich verkostete meine nächste Flasche alten Wein aus dem Keller meiner Eltern – ein zwanzig Jahre alter Pinot Noir aus der Bourgogne. Überraschung!

Dann einen Weißwein, Sauvignon blanc von 2001 – kein schönes Erlebnis.
Ich trank einen Riesling von 2011 vom Weingut Künstler – DAS war ein Erlebnis. Die Flasche – leer – steht noch immer in meiner Küche, als Erinnerung. 

Vor Kurzem trank ich einen 2103-er Riesling vom CHÂTEAU SAINTE MICHELLE (USA). Ziemlich schlapp, und nicht nur das. Diesen Riesling, des gleichen Jahrgangs, hatte ich schon ein Jahr vorher getrunken. Damals: mineralische Noten, Grapefruit, Ingwer, Zitrus. Anscheinend ein Wein ohne Lagerungspotenzial.
 
Vor ein paar Tagen wählte ich in einem Restaurant zu einem Salat mit Pilzen einen Moselriesling feinherb vom Weingut Lenz Dahm. Sehen. Riechen. Schwenken. Riechen. Schmecken. 
Ich schätzte den Moselriesling auf das Jahr 2014 – kein Wein mit Lagerungspotenzial, nahm ich an – und ließ mir vom Kellner die Flasche bringen (ja, ich werde langsam volldreist). Ich hatte Recht. Das überraschte und erfreute mich gleichermaßen. Ich bilde mir ein, es war kein Zufall.  ;-)

Im Restaurant getrunken: Moselriesling und einen Spätburgunder vom Kaiserstuhl

Im Restaurant getrunken: Moselriesling und einen Spätburgunder vom Kaiserstuhl

Alle diese Weine hatten diesen einen Geruch (und teilweise Geschmack) in unterschiedlicher Intensität. Firn?! Vielleicht. Bei den Rieslingen Edelfirn? – in jedem Fall schmeckten beide, wobei der Künstler deutlich mehr Aromen zeigte. Der Moselriesling, mit deutlich mehr Restsüße, machte etwas schlapp, nachdem er wärmer wurde. Das ging zu schnell, denn er hätte kühler sein dürfen.  

So schmeckt reifer Wein?!

Autodidakt zu sein ist schwierig. Du suchst nach den richtigen Antworten in Büchern, auf Videos, in Magazinen und Zeitungen, im Internet. Manchmal traust du dich, eine Frage zu stellen, und fühlst dich blöd dabei. 
Als ich mit dem Schreiben von Romanen und Kurzgeschichten begann, fühlte ich mich ähnlich: Unerfahren, neu. Doch damals war ich vom Alter her noch jung. Jetzt bin ich älter, viel älter und fühle mich wieder unerfahren und neu. 
Aber wie schmeckt denn nun ein Wein, wenn er alt, älter oder gereift ist? 

In der Folge 55 der Webweinschule erklären Anja Schröder und Felix Bodmann wie reifer Wein schmeckt, Zitat: „Dosenchampignons oder Blumenerde sind gängige Beschreibungen für diese leicht muffigen Noten“, heißt es da.
Ähnelten Geruch und Geschmack Dosenchampignons? An diesen Geruch erinnere ich mich, obwohl es mehr als zwanzig Jahre her sein muss, dass ich Champignons im Glas (nicht in der Dose) gekauft habe. In diesem, meinem letzten Konservenglas wurden nicht nur Champignons, sondern auch eine Spinne konserviert. Nein, kein Scherz. Heute koche ich sowieso nur mit frischen Zutaten, vergleichsriechen an einer Dose Champignons kann (und will) ich nicht. 
Blumenerde? Habe ich. In unterschiedlich starker Geruchskonzentration. Aber ich bin unschlüssig. 

Der Vinoblog meint (Zitat): „Ein Wein, der seinen qualitativen Höhepunkt überschritten hat, wird als firn bezeichnet. Firne äußert sich in einem muffigen Ton: Der Wein riecht und schmeckt wie ein sehr lange nicht gelüfteter Keller, herb, faulig, unangenehm. „

Im Internet finden sich weitere Geruchsnuancen zum Thema firn: Sherrynoten, vordergründe Härte, . Möglicherweise empfindet jede Nase den Geruch der Oxidation anders?

Schlusswörtchen 

Ich hoffe, eines Tages jemandem vom Fach mein Glas hinstrecken und ihn um sein Urteil bitten zu können, wenn ich denke, der Wein könnte firne Noten entwickelt haben.
Obwohl ich beinahe nur noch Sekundärliteratur lese, die  Praxis – Verkosten und Fragen – bleibt unbezahlbar.

  

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