Der Piepmatz

Piepmatz

Der Piepmatz

Im letzten Jahr hat die Elster den Nachwuchs „unserers“ Amselpärchens geholt. In diesem Jahr nicht. Das erfreut uns. Allerdings hatten wir nicht geahnt, dass unser kleiner Garten nur noch dem Piepmatz gehören würde. Und zwar solange, bis der endlich fliegen kann.

Piepmatz ist ein Ästling. Nicht, dass ich dieses Wort vorher kannte. Nein, ich dachte, es sei ein Jungvogel, zu früh aus dem Neste gefallen. Internetrecherche und ein Gespräch mit einer Fachfrau (Danke Betty!) machten uns klar: Das ist zwar ein Jungvogel, aber kein Nestling. Er braucht also nicht mehr ins Nest zurück und auch nicht unsere Hilfe. Vielmehr ist dieser Ästling schon ein Teenager, der auf dem Boden lernen soll, mit den Gefahren zu leben. Nun zieht er seine Schulung bei uns im Garten durch. Gefragt hat uns vorher keiner.

Vermutlich hätte ich begeistert »Ja, sicher«, gesagt. Ich hatte ja keine Ahnung, von nichts.

Er piepst den ganzen Tag. Piep. Piep. Manchmal bekommt er Antworten von seinen Eltern. Oft schimpfen sie mit ihm, wenn er zu viel piept. Kein Wunder. Dieser Piepmatz macht seinem Namen alle Ehre, deswegen habe ich ihn auch Piepmatz getauft.

Am Abend wird gefüttert – noch immer. Der Papa kommt und bringt dem Piepmatz seine Ration. Soweit, so gut.

Wenn da nicht die Hunde wären. Die von diesem zutraulichen Federvieh nicht begeistert sind. Yule – der kleine Hund – hört sofort, wenn ich sie rufe. Der Terrier-Teil in ihr wird unterdrückt, der Labrador folgt. Auch wenn ich „Sei lieb!“ sage, klappt das in dem Fall. Ich bin beeindruckt, wenigstens bei ihr. Denn der große Hund dreht durch. Lola – die gemächliche Golden-Retriever-Dame stürzt sich auf Piepmatz. Der piepst wie von Sinnen. Am ersten Tag hat er sich noch versteckt, doch längst scheint er uns Menschen zu vertrauen und weiß, wir zerren das Zotteltier von ihm weg, koste es, was es wolle. Er setzt sich auf den Weg, legt sich auf die warmen Steine. Schaut zum Haus. Wartet. Piepst. Wartet. Reißt den Schnabel auf. Piepst.

Ich lasse die Hunde nicht mehr in den Garten – allein.

Jeder Schritt muss kontrolliert werden, denn Piepmatz könnte dort sitzen.

Die Familie wurde angewiesen, beim Gehen vorsichtig zu sein. Rennen ist verboten!

Füttern ja? Füttern nein? Eine Handvoll Piepmatz wirft unseren kompletten Tagesablauf durcheinander. Was machen wir nur mit ihm? Ich hoffe, er kommt durch und erfreut uns dann mit seinem Gesang, aber bitte irgendwo in einem Baum, nicht auf dem Boden.

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.