Ich hatte es fast vergessen, doch welt.de erinnerte mich daran. Und wie selten kommt es vor, dass meine Heimatstadt Remscheid in der Presse ist.
Vor zwanzig Jahren stürzte ein US-Kampfjet in eine Wohnstraße. Grund genug für die Medien das Drama von damals noch einmal Revue passieren zu lassen, denn noch heute sind Fragen dazu offen.
Ich war damals 18 Jahre und hatte meine Ausbildung im Sommer begonnen. Meine beiden Kolleginnen, bei denen ich im Büro saß, waren an diesem Tag nicht da. Ich erinnere mich noch, dass es sehr ruhig war, bis zu dem Moment als ein Flugzeug über das Gebäude flog – viel zu tief und viel zu laut. Dann gab es einen Knall. Scheiße, abgestürzt, dachte ich. Eine innere Unruhe ergriff mich. Die Polizei, die ihren Sitz direkt gegenüber dem damaligen Büro hatte, rückte aus. Sirenen durchbrachen unentwegt die Stille. Es schien, als seien alle Polizei- und Feuerwehrwagen aus Remscheid und der Umgebung unterwegs. Ich bekam Angst und konnte mich nicht mehr konzentrieren. Jemand stürzte ins Büro. Ein Hubschrauber wäre abgestürzt. Doch ich dachte noch, das war kein Hubschrauber, das muss ein Flugzeug gewesen sein. Ich rief meine Eltern an, sie meldeten sich nicht. Die Telefonleitung schien tot. Ich machte mir Sorgen, hatte furchtbare Angst. Viel zu früh verließ ich an diesem Tag meinen Arbeitsplatz. Raus aus dem Gebäude, wenigstens wissen wo es passiert war, jemanden fragen, vielleicht helfen. Und so stand ich dort, zwischen meinem Büro und der Polizei. Dort war niemand mehr. Die Straßen waren alle abgesperrt, keiner kam mehr rein oder raus. Wie sollte ich nach Hause kommen? Und so blieb ich einfach stehen. Ich wusste, mein damaliger Freund wollte mich abholen. Ich wartete. Die Sirenen beantworteten meine Fragen nicht, sondern schürten meine Unruhe. Als ich mit dem Wagen abgeholt wurde, musste ich vorbei an Straßensperren, Uniformierten – Polizei, Ärzte, Männer in amerikanischen Uniformen.
Das war mehr als nur ein Flugzeug abgestürzt. Das ahnte ich.
Im Laufe des Abends sollte das Ausmaß klar werden. Das Fernsehen zeigte Bilder von unserer Stadt, Bilder mit zerstörten Häusern – wie im Krieg. Paralysiert haben wir vor dem Fernsehen gesessen. Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk – alle waren sie dort und mussten Leichenteile wegräumen. Das stand nirgends, aber an die Erzählungen eines Verwandten, der am Ort des Geschehen helfen musste, erinnere mich noch gut zurück. Und mir wurde auch klar, das Flugzeug hätte in das Gebäude stürzen können, in dem ich gesessen hatte, denn die Stockder Straße war nur eine Straße entfernt – mit dem Auto keine Minute, mit einem Flugzeug … Sekunden.
Es gab viele Gerüchte von verseuchtem Material, das der Kampfjet bei sich gehabt haben soll. Gerüchte, vom Militär, das die deutschen Behörden ausgrenzten. Gerüchte, wovon sich einige bewahrheiteten.
Damals hieß es, Tiefflüge von Kampfjets würden verboten werden. Auch das war leider nur ein Gerücht. Ja, sie haben damals eine Weile Ruhe gegeben, aber ich weiß noch, wie oft wir darüber geschimpft haben, die Kampfjets sollten eigentlich nicht mehr tief fliegen, immer dann, nachdem ein Jet so tief über unsere Köpfe flog, dass wir glaubten, ihn berühren zu können.
Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, fallen mir Gespräche ein, Bilder, Gefühle und Gedanken. Ich bin aufgewühlt. Nie bin ich in die Stockder Straße gefahren, um mir die Trümmer anzusehen. Niemals. Ich habe den Ort gemieden, als könnte nur allein die Luft mich infizieren – mit etwas, das wir nicht kennen oder nur mit den Empfinden der Menschen, die dort ihren Tod gefunden oder einen lieben Menschen verloren haben.