Auf Musical-Tour: »Wicked« und »Jekyll & Hyde«

Schon das Theater in Oberhausen ist sehenswert. Freundliche Türsteher in schicker Uniform öffnen den Besuchern die Türen. Die gesamte Eingangshalle und die Treppen sind mit rotem Teppich ausgelegt. Rot setzt sich auch im Theater fort: Die Sitze sind mit rotem Samt bezogen.  Vorfreude stellt sich ein und dieses Gefühl, hier geschieht gleich etwas Besonderes. Und wie immer bei solchen Events spüre ich Tränen in den Augen.

»Wicked – Die Hexen von Oz« erzählt L. Frank Baums Geschichte »Der Zauberer von Oz«, bevor die kleine Dorothy von einem Sturm samt Haus ins Land Oz getragen wird und bei ihrer Landung die böse Hexe tötet.

Die Idee an sich ist klasse.

Zu Beginn erinnert »Wicked« jedoch an ein modernes Highschool-Märchen, eine Mischung aus Harry Potter und den unzähligen Teenagerfilmen, in denen sich Außenseiter plötzlich in den weißen, geliebten Schwan verwandeln, bevor sie dann doch bösartig werden (z.B. »Carrie«), den besten männlichen Part erobern oder alles zusammen.

»Wicked« ist somit nicht nur ein Musical mit magischen Elementen, tollen Stimmen und eingängiger Musik. »Wicked« vermittelt auch eine politische Botschaft. Mobbing, Rassismus, Verleumdung und dummer Ehrgeiz lassen das Land Oz kritisch und modern aussehen, als zu »Der Zauberer von Oz«-Zeiten, in dem es vielmehr um Mut, Freundschaft und den richtigen Weg geht.

Wunderschöne Kostüme, tolle Musik, nette Tanzeinlagen und Schauspieler mit nicht selten lustigen Dialogen, verzaubern das Publikum und lassen »Wicked« unvergessen werden.

Mir hat »Wicked« sehr gut gefallen, es hat aber nicht diese nachhaltige Begeisterung ausgelöst, wie z.B. das »Blaubär-Musical«.

Das Remscheider Theater ist rein von der Ausstattung nicht annähernd mit Oberhausen zu vergleichen. Auch dies ist sicherlich ein Grund, warum die Vorfreude auf diesen abendlichen Event geringer war, denn die Atmosphäre fehlte. Dafür sind die Karten aber auch bedeutend günstiger.

»Jekyll & Hyde« basiert auf der fast gleichnamigen Geschichte von Robert L. Stevenson, die mich schon vor vielen Jahren begeistert hat. Das Spiel zwischen Gut und Böse, vereint in einer Person, ist ein Dauerbrenner in der Literatur – und, wie die Medien immer wieder berichten – im realen Leben. Aktueller kann eine Geschichte fast gar nicht mehr sein. Tiefpsychologisch, verwirrend. Das Musical knüpft eng an der Literaturvorlage an.

Das Ensemble spielt jeden Abend in einer anderen Stadt, so wurde »Jekyll & Hyde« in Remscheid nur an einem Abend aufgeführt. Die Wanderbühne, die bewegliche Kulisse sieht natürlich nicht so fundamental aus, wie bei einer fest stehenden Szenarie, aber die Lösung, dass die Schauspieler die einzelnen Teile bedienen, wurde sehr gut umgesetzt und in die Handlung mit eingebaut. Die Atmosphäre war, trotz einer möglicherweise etwas reduziert verwendeten Nebelanlage, düster und dem alten London gleich. Der erste Akt bereitete die Zuschauer vielleicht ein bisschen zu lange auf die anschließende Verwandlung von Jekyll in Hyde vor. Doch nach der Pause nahm das Musical mächtig an Fahrt auf und wurde spannend, brutal und am Ende sogar melodramatisch.

Es wurde getanzt, gesungen, gemordet, gespielt. Der Jekyll-Darsteller schwächelte leider ein bisschen in Wort und Gesang, und wie so oft im Leben, waren es die beiden Hauptdarstellerinnen Lucy und Lisa, die das Stück trugen, gesanglich hervortraten und die Show regierten. Vor allem Lucy, als Prostituierte und spätere Geliebte Hydes/Jekylls zeigte eine starke Präsenz auf der Bühne.

Ein Wermutstropfen blieb: Wie auch schon bei »Wicked«, spielte die Musik teilweise viel zu laut und der Gesang ging wortwörtlich in Pauken und Trompeten unter.

Trotzdem ein tolles Stück!

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