Interview auf clickfish, 2010

Interview in Fortsetzung für die Stephen King guidearea bei clickfish
durchgeführt von Regina Cuno

Ich stellte mich…

 am 02.10.2000   King Readers Association Germany (KRAG)
 am 09.10.2000   Der Wandel Stephen Kings / Buch-Raritäten in Deutschland
… am 16.10.2000   Meine King-Leidenschaft / S.K. und seine Bücher / F 13 /
… am 23.10.2000   Zu meiner Tätigkeit als Autorin
… am 06.11.2000   Autorin, 2.Teil: Meine Traumwelten

Nicole Rensmann über den deutschen Stephen King Fanclub KRAG – King Readers Association Germany

Frage: Bekanntlich bestand der deutsche S.K.-Fanclub KRAG (King Readers Association Germany) von 1990 bis 1997 aus zahlreichen Mitgliedern verschiedener deutschsprachiger Länder Europas. Weshalb kam es zur Auflösung – vor allem ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an demKommunikationsmöglichkeiten wie das Internet die Verständigung vereinfacht und erweitert hätten? 

Nicole Rensmann: Zunächst möchte ich sagen, dass das Internet eine wirklich gute Quelle ist, für Kontakte und Informationen. Doch nicht jeder verfügt über einen entsprechenden Anschluss, heute noch nicht und vor drei Jahren schon gar nicht. Es wäre also sehr unfair gewesen, den Club nur noch übers Internet zu führen. Abgesehen davon, dass die Arbeit, die uns langsam und stetig über den Kopf wuchs, dadurch nicht weniger geworden wäre. Lediglich das Problem „Wo drucken wir günstigst die nächste Ausgabe der Horror-News?“ wäre damit erledigt gewesen. Bei der Auflösung der KRAG spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen war da der Zeitfaktor. Die Arbeit wurde immer umfangreicher, unsere private Zeit aber aufgrund Job, Familie und anderweitiger Interessen knapper. Ein weiteres Problem waren die hohen Ansprüche der Mitglieder.  Sie verdrängten einfach den Fakt, dass wir diese Arbeit ehrenamtlich – also kostenlos – und in unserer Freizeit machten, dass wir auch noch ein anderes Leben neben der KRAG hatten und nicht rund um die Uhr Artikel schreiben und Informationen sammeln konnten, und vor allem nicht frei verfügbar waren. Wir haben bewusst zu dem Zeitpunkt aufgehört, als die KRAG so richtig gut lief. Wir wollten nicht warten, bis unsere KRAG-Lust auf dem Nullpunkt angekommen war und unsere Begeisterung für die Arbeit des Fanclubs in Pflicht umschlug. Es war keine leichte Entscheidung. Für mich selbst kann ich sagen, dass mir die Wochen danach unheimlich leer vorgekommen sind. Die KRAG, das war eine wunderbare, wichtige, teils auch beängstigende Erfahrung, aber ein Stückchen meines Lebens.

Frage: Wer rief die KRAG ins Leben, wie finanzierte und entwickelte sie sich, erreichte Interessenten usw.? 

Nicole Rensmann: Die KRAG wurde 1990 von Peter Schmitz ins Leben gerufen. Zusammen mit Christian Meißner brachte er die Horror-News zu Beginn in unregelmäßigen Abständen heraus. Nach vier Jahren haben sich die Beiden dann zurückgezogen. Das sogenannte KRAG-Team bestand zum Schluss aus Angelika Philippen, Dirk Rensmann und meiner Wenigkeit. Finanziert haben wir den Club,  den Stammtisch und das Magazin durch die Mitgliedsbeiträge: DM 35,- bei Anmeldung im ersten Jahr, danach DM 30, –  Jahr. Als ich 1993 dazu stieß, habe ich die Werbung in die Hand genommen, weil bis dato weder Peter noch Christian sich darum kümmern konnten. Ich habe nur Werbung verbreitet, die nichts kostete. Also einfach Schwarz/Weiß-Flyer verteilt, bei drei Radiosendern vorgesprochen, die mich dann auch interviewt haben, Zeitungsartikel, Anzeigen in mehreren kostenlosen Blättchen und Magazinen, Plakate.

Dadurch wurde auch der WDR auf uns aufmerksam und baute die KRAG in eine Dokumentation über S.K. ein. Und auch einmal in eine Reihe über „Das Gruseln“.

Frage: Wie kamen Sie selbst zur KRAG? 

Nicole Rensmann: Ich habe in George Beahms „Die Welt des Stephen King“ über den Fanclub gelesen und einfach hingeschrieben. So wurde ich 1993 Mitglied und relativ schnell Mitarbeiterin.

Frage: Worin bestanden Ihre hauptsächlichen Aufgaben als Leiterin des Fanclubs, und wie lange übten Sie diese Funktion aus? 

Nicole Rensmann: Nachdem ich die „Werbeabteilung“ ins Leben gerufen hatte, kamen mit der Zeit immer mehr Aufgaben dazu, z.B. Kontakte mit den Mitgliedern pflegen. Da Email noch längst nicht jeder hatte, hieß das Briefe schreiben, Faxen oder telefonieren. Außerdem habe ich mich um Anfragen und Anmeldungen gekümmert, Fragen zu S.K. und der KRAG beantwortet, Kontakte zu Verlagen hergestellt und gepflegt, Rechnungen für die Mitgliedsbeiträge geschrieben, die wiederum verschickt werden mussten, die Finanzen geregelt, Rechnungen bezahlt für Bürobedarf (Umschläge, Druckkosten, Porto etc.), diverse Artikel für das Magazin ausgearbeitet und geschrieben und die jährlichen Stammtische organisiert. Diese Funktionen habe ich vier Jahre lang, bis zum bitteren Ende, ausgeübt.

Frage: Für ihre Mitglieder gab die KRAG die „Horror News“ heraus. Wie oft erschien das Fanmagazin? Wie hoch war die Auflage? Wer verfasste die Artikel? 

Nicole Rensmann: Insgesamt gab es 13 Ausgaben in sieben Jahren. In den letzten beiden Jahren haben wir je drei Hefte plus ein Sonderheft und eine Anthologie mit Kurzgeschichten der Mitglieder) herausgebracht. Davor kamen die Hefte mehr oder weniger sporadisch heraus, weil sich zu Beginn des Clubs erst einmal alles einspielen und festigen musste und später dann, weil die Zusammenarbeit zwischen den „Franken“ Christian und Peter und den NRW´s  Angelika, Dirk und mir nicht mehr funktionierte. Peter und Christian haben sich dann mit Heft Nr. 7 verabschiedet, weil sich beide da schon mehr zu anderen Interessen hingezogen fühlten.  Die Auflagenhöhe umfasste zum Schluss 250 Stück. Die Artikel kamen von uns, aber auch von vielen aktiven Mitgliedern. Auch Uwe Anton, ein „alter Hase im Literatur-Geschäft“ und Autor von „Wer hat Angst vor Stephen King“ , Übersetzer von Dean Koontz, Journalist und emsiger Perry Rhodan-Schreiber, hat seine wertvollen Beiträge beigesteuert.  Frage: Woher bezog die KRAG ihre Informationen über Stephen King? Von wem erhielt sie – evtl. auch finanzielle – Unterstützung? Gab es Verbindungen zu S.K.-Fanclubs in anderen Ländern?  Nicole Rensmann: Wir haben leider überhaupt keine finanzielle Unterstützung erhalten. Und S.K. selbst wollte von der KRAG natürlich gar nichts wissen. Wir haben alles aus den Mitgliedsbeiträgen finanziert und einen großen Teil selbst beigesteuert.  Die Informationen erhielten wir von den Verlagen, Autoren wie Joachim Körber und Uwe Anton, aus Zeitungsartikeln, Kontakten nach Amerika und zu anderen Fanmagazinen aus Frankreich („Steve´s Rag“), Italien („Cleaver“) und Kanada („Fenêtre Secréte sur Stephen King“) und aus dem, was uns Mitglieder schickten.

Frage: Stehen frühere Mitglieder der KRAG noch heute in Kontakt miteinander? 

Nicole Rensmann: Nun, ich sollte vielleicht sagen, dass ich damals noch Fischer hieß. Dirk und ich haben in der Zwischenzeit geheiratet. Angelika ist die Patentante unserer Kinder und meine beste Freundin. Wir telefonieren, zur Freude der Telekom, mehrmals am Tag. Genauso möchte ich die gute Freundschaft zu Anita Gulde nicht mehr missen, die uns auch in den letzten Monaten der KRAG arbeitstechnisch sehr zur Seite stand. Soweit ich weiß, hat auch Anita noch Kontakt mit mehreren ehemaligen Mitgliedern. Wir haben uns alle erst in der KRAG kennen gelernt. King verbindet eben, könnte man sagen. ;-)  In den letzten Wochen allerdings lebte der Kontakt mit vielen anderen Ex-Mitgliedern noch einmal auf, da wir für nächstes Jahr einen Stammtisch der Ex-KRAGler planen und per Rundbriefen vorgetastet haben, wer überhaupt Interesse hat. Von fast 200 Briefen sind 30 mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ zurückgekehrt, aber ebenso viele haben sich bei mir gemeldet, dass sie gerne kommen würden. Wir sind gespannt.  Frage: Können die Fans darauf hoffen, dass die KRAG eines Tages wiederaufleben wird?  Nicole Rensmann: Darauf kann ich nur ein klares „NEIN“ antworten. Sorry!  Die Mail(K)ing-List, ein unregelmäßig erscheinender Email-Newsletter muss ausreichen.

Nicole Rensmann beantwortet Fan-Fragen Der Wandel des Stephen King

Frage von Luigi Volta: Wie kann man den großen Wandel von Stephen King in den letzten Jahre erklären?  Kann er mit Geistern, Gespenstern usw. nicht mehr spielen? „The girl who loved Gordon“ ist ein Beispiel dieser Umwandlung: keine Story mehr, ein endloser Gedankenfluss, ausführlicheBeschreibungen der Natur usw. Etwas ähnlich „Antiphantastisches“ gab es zum Beispiel auch in „Gerald´s Game“. Das phantastische Element ist offensichtlich zweitrangig geworden. War es vielleicht immer zweitrangig? Oder sind heute andere Elemente so wichtig geworden, dass sie das Phantastische verdrängen?  

Nicole Rensmann: Natürlich hat sich Stephen Kings Schreibstil enorm verändert, er ist als Mensch und als Autor gewachsen, gereift, ausführlicher geworden. Dennoch hat King immer schon den „normalen“ Schrecken beschrieben.  „Carrie“, als sein erster Roman, ist somit auch das erste Beispiel: Ein Mädchen wächstohne Vater auf  – traurig, aber in unserer Gesellschaft beinahe schon alltäglich.  Die Mutter, vollkommen durchgeknallt und fanatisch gläubig, sperrt das Mädchen bei Ungehorsam in eine dunkle Kammer. Nicht alltäglich, dennoch ist auch das durchaus real.  Wer die Medien verfolgt, kann dem leider nur zustimmen. Dann bekommt das Mädchen ihre erste Periode. Ohne Aufklärung ist die Vorstellung einer plötzlichen Blutung  vollkommen grausam – realer Horror. Dass Kinder sich in ihrer Pubertät verändern,  ist uns vermutlich allen selber bewusst. Dass, wie Carrie, ein Teenie an Telekinese „leidet“ ist  sicherlich selten, aber durchaus möglich. Eigentlich erzählt das ganze Buch, wenn man es intensiv betrachtet, den echten, normalen Wahnsinn.  „Brennen muss Salem“ – die Vorstellung eine Stadt wird von Vampiren heimgesucht ist gar nicht so abwegig. Wir könnten es ja auch von einer anderen Seite aus sehen sehen…  Eine Stadt wird von Rassisten aufgemischt, die die „normalen“ Bürger vertreiben. Sicherlich ist das ein wenig übertrieben dargestellt, aber das ist es doch, was Kings Romane ausmacht.  Im Grunde schreibt King die Wahrheit, er knüpft eben nur ein bisschen Phantasie, ein bisschen Übernatürliches und ein bisschen mehr, als die Normalität mit ein. Nur selten, so finde ich, schreibt King von wirklichen Geistern, meist sind es  Hirngespinste, die sich als lebendig erweisen.  Auch bei „The Stand – Das letzte Gefecht“ sind es doch nicht wirklich phantastische Wesen,  die durch die Welt spuken. Eine einfache Erkältung, „Mr. Tripps“ genannt, tötet die  Menschheit. Das könnte, wenn man es auch hier wieder übertrieben betrachtet, durchaus passieren. Dass sich die Überlebenden in Gut und Böse teilen, klingt für mich absolut realistisch. Mutter Abagail – als Gesandte Gottes, Flagg – als die Verkörperung des Teufels. „Das Mädchen“ ist ein weiteres Beispiel. Versetzen Sie sich nur einmal in die Lage des  Kindes: Ich empfinde es als Horror, durch einen Wald zu irren und die einzige Hoffnung, die ich habe, ist die Erinnerung an einen Baseballspieler. Sicherlich kommen hier keine „Geister“ vor, aber dennoch Phantasien, die das Kind aufgrund ihres Durstes, ihrer Verzweiflung selbst hervorruft. Bei „Shining“ ist es ähnlich. Torrance sieht die Geister doch nur, weil er die verschmierte Brille der Alkoholdünste aufgesetzt hat. King hat immer den realen Horror beschrieben, er hat sich früher mehr des Paranormalen bedient als heute, das stimmt. Dies lässt sich aber auch erklären. So erzählt er in seinem neuesten Roman „Das Leben und das Schreiben“ über seine Alkohol- und Drogensucht. Mir sind die Veränderungen in seinen Büchern wohl aufgefallen, doch durch Kings „Beichte“ erst richtig bewusst geworden. So zieht sich Kings eigenes Leben wie ein Faden durch die Bücher; dessen bedient sich vermutlich jeder Autor … (ein bisschen aus seinem Leben zu offenbaren, ohne dass es der Leser bemerkt, was aber absolut realistisch wirkt, weil es eben echt ist!).  King selbst erklärt in seinem Buch, warum er sich früher mehr dem Paranormalen hingegeben hat als heute. Und ich denke er ist es auch, der dazu weit aus mehr sagen kann, als ich.Schließlich sind es seine Geschichten. Und ich bin lediglich ein Leser, ein Fan seiner schriftstellerischen Kunst.

Stephen King-Bücher: Raritäten in Deutschland

Frage von Dr. Michael Drewniok: Schon seit längerer Zeit zerbreche ich mir den Kopf darüber, welches das erste Buch ist, das von King in Deutschland erschienen ist. Ich habe bisher kein älteres gefunden als jene „Carrie“-Ausgabe aus dem Schneekluth-Verlag, die mir Ende den 70er Jahre zufällig in die Hände geraten ist. Gibt es frühere Veröffentlichungen? 

Nicole Rensmann: Nein. Diese Hardcover Ausgabe (ISBN 3-7951-0358-4) erschien 1977 und kostete damals DM 20,-. Danach veröffentlichte Heyne im selben Jahr „Carrie“ als Taschenbuch (Nr. 5374/ ISBN 3-453-00760-3, DM 4,80).  Aber es gibt noch viele andere Raritäten, hinter denen der deutsche King-Fan her ist. Ein weiteres altes Exemplar ist sicherlich „Brennen muss Salem“, als Hardcover erschienen bei Zsolnay 1979, ISBN 3-552-03108-1, DM 38,-.  „Brennen muss Salem“ erschien 1981 dann bei dtv als Taschenbuch in der Phantastica-Reihe (Nr. 1877 ISBN 3-423-01877-1 DM 12,80), bevor es 1985, um danach zahlreiche Male neu aufgelegt zu werden, bei Heyne (Nr. 6478 ISBN 3-453-02053-7 DM 12,90) herauskam. Eine weitere Rarität ist das Heyne-Mini „Nona und die Ratten“ , erschienen 1985 (Nr. 33/2 ISBN 3-453-35318-8 DM 3,-).Das Büchlein wird auf dem Markt teilweise sogar für 100,- angeboten. Was ich persönlich für zu teuer erachte. Aber um die DM 40,- ist ein realistischer Preis.

Verschiedene „kleinere“ nennenswerte Kingausgaben wären noch „Danse Macabre“,  Heyne-Sachbuch, das lange Zeit vergriffen war und bei den Fans hoch im Kurs stand. Da Ullstein aber eine Neuauflage plant, wird es sicherlich viele Leser geben, die sich begeistert darauf stürzen. Ebenfalls nennenswert und selten wären noch „Dead Zone“, erschienen 1981 bei Moewig und 1984 ebenfalls bei Moewig als Buch zum Film.  All diese Bücher und viele andere Auflagen und Ausgaben sind längst vergriffen, was Ihre Seltenheit natürlich erst ausmacht. Ganz spezielle Raritäten für den Sammler des schönen Stephen King Buches sind die Ausgaben der Edition Phantasia, ein Verlag von Joachim Körber, langjähriger Übersetzer Stephen Kings Romane. Allen voran „ES“, die Welterstausgabe erschien 1986 in limitierter Auflage von 250 Exemplaren und kostete damals 148,-. Heute beträgt der Sammlerwert eine vierstellige Zahl.  Danach folgte „NEBEL“ (ursprünglich limitiert auf 500 Exemplare), diese Ausgabe musste auf Wunsch Stephen Kings vernichtet werden. Laut der Seite von Edition Phantasia gibt es nochrund 70 Exemplare weltweit.  Weitere Ausgaben bei der Edition Phantasia sind „ANGST“ (limitiert auf 300 Exemplare) und das Portfolio „Die Augen des Drachen“ (100 Stück) – Illustrationen von Johann Peterka zu Kings
gleichnamigem Roman. Auch diese Ausgaben sind vergriffen, werden aber nicht ganz so hoch gehandelt wie „ES“ und „NEBEL“.  Wer die Ausgaben noch sucht, kann hier sicherlich auf der Pinnwand eine Anzeige setzen. Ein kleiner Tipp ist aber auch die Seite des Verlages selbst, dort werden häufig „gebrauchte“ limitierte King-Ausgaben angeboten!

Die Faszination des Stephen King – Warum wir Stephen King lesen

Frage: In der letzten Woche informierten Sie uns über verschiedene Stephen King-Bücher. Welches seiner Werke geriet Ihnen selbst als erstes in die Hände?  Und welches ist heute ihr Lieblingsbuch von S.K.? 

Nicole Rensmann: Als ich 16 war, empfahl mir ein Freund „Das letzte Gefecht“. Ich habe das Buch in wenigen Tagen verschlungen und wollte danach alle Romane und Geschichten von King lesen und besitzen. Nach und nach gelang mir dies dann auch. Bis heute allerdings ist „Das letzte Gefecht“ mein Lieblingsbuch, abgesehen von der Saga um den „Dunklen Turm“. Denn dies ist ein Projekt für sich und steht  auf meiner Liste der wunderbarsten Geschichten ganz oben.  Aber auch „ES“ gefällt mir sehr gut. Die Kinder, die Erlebnisse, die Probleme der Mitglieder des „Club der Verlierer“ erinnern mich sehr an meine eigene Jugend. Beim Lesen fühlte ich mich wie einer von ihnen. Wenn ich persönlich das Ende auch nicht für besonders originell halte. Auch „Desperation“ hat mich sehr beeindruckt; „The Green Mile“ und „Das Mädchen“, um nur ein paar der wenigen für mich besonderen Werke Kings anzugeben. Im Grunde aber gefallen mir persönlich alle seine Romane – mehr oder weniger gut, sonst wäre ich sicherlich kein Fan.

Frage: Waren Sie nach der Lektüre des Buches „Das letzte Gefecht“ gleich fasziniert? Wie wurden Sie zum Stephen King-Fan? 

Nicole Rensmann: Ja, wie ich schon sagte. Ich war nicht einfach nur fasziniert. Ich war süchtig. Und so wollte ich nicht nur die Bücher von ihm, sondern auch über ihn haben, sammelte Zeitungsausschnitte, Rezensionen, Infomaterial, Bilder. Alles, was ich in die Hände bekam.  Durch die Fusion zwischen meinem Mann und mir, der nicht weniger kingfanatisch war und ist, blicken wir auf eine ansehnliche Kingsammlung von über 300 Büchern in deutsch, englisch und vielen anderen Sprachen, wie spanisch, französisch, portugiesisch, japanisch u.a.; zehn dicke Leitz-Ordner mit deutschen und englischen Artikeln von und über King, mitvergriffenen Storys, Postern und anderen Werbematerialien. Außerdem natürlich viele Audios, Soundtracks, die Filme, Interviews aus dem Fernsehen und einige limitierte Exemplare, deutsch wie englisch.  Frage: Was genau an S.K. und/oder seinen Geschichten zieht den Leser in seinen Bann?  Nicole Rensmann: Ich denke, es ist seine Art, wie er die alltäglichen Gefahren, die um uns herumlungern, beschreibt. Wie er die Protagonisten zum Leben erweckt und sie zu einem Teil von uns werden lässt, wie er die Umgebung schafft, in der sich der Leser selbst sofort zurechtfindet.

Stephen King und seine Bücher

Frage von Julia Gabriel: Wie viele Bücher hat Stephen King inzwischen veröffentlicht? 

Nicole Rensmann: Bislang hat Stephen King 35 Romane veröffentlicht, davon schrieb er einen gemeinsam mit Peter Straub („Der Talisman“) und sechs unter dem Pseudonym

Richard Bachman. Außerdem veröffentlichte er sechs Kurzgeschichten- bzw. Novellensammlungen, zwei Sachbücher, ein e-Book und die Internet-Geschichte „The Plant“.
Das e-Book (Riding the Bullet) ist in Deutschland auch als Taschenbuch unter dem Titel „Achterbahn“ erhältlich.  Alle erschienenen King-Bücher wurden ins Deutsche übersetzt. Allerdings gibt es mehr deutsche Ausgaben, gerade die Sammlungen „Four Past Midnight“ (geteilt in dt.: „Langoliers“  und „Nachts“), „Skeleton Crew“ (in dt.: „Im Morgengrauen“, „Der Gesang der Toten“, „Der Fornit“ bzw. einmal als Komplettversion „Blut“, Heyne), „Different Seasons“ („Frühling und Sommer“, „Herbst und Winter“ bzw. komplett unter dem Titel „Frühling, Sommer, Herbst und Tod“)  und „Nightmares and Dreamscapes“ (geteilt in dt.:“Alpträume“, „Abgrund“). Das sind allerdings noch nicht alle Kurzgeschichten. Die „Six Stories“ gibt es leider noch nicht alle in Deutsch und sind auch teilweise in Englisch schwer zu kriegen. Außerdem hat er meines Wissens bis jetzt zehn Drehbücher zu folgenden Verfilmungen geschrieben:“Creepshow“, „Cat´s Eye“, „Overdrive“, „Silver Bullet“ (dt.: „Werwolf von Tarker Mills“, Bastei), „Pet Sematary“, „Sleepwalkers“, „The Stand“, „Storm of the Century“ (dt. „Sturm des Jahrhunderts“, Heyne), Neuverfilmung von „The Shining“.

Frage von Julia Gabriel: Hat Stephen King unter seinen eigenen Romanen ein Lieblingsbuch? 

Nicole Rensmann: Hat er bestimmt. Aber um diese Frage aktuell zu beantworten, müssten Sie ihn vielleicht besser selber fragen.

Frage von Julia Gabriel: Können Sie mir auch Auskunft geben über Kings Lieblingsbücher von anderen Autoren? 

Nicole Rensmann: In „Danse Macabre“ erzählt er sehr viel über seine Lieblingsautoren, die ihn geprägt haben. John D. McDonald war darunter genauso wie auch Ray Bradbury und einige andere. Auch T.E.D. Klein schätzt er. Aber auch um diese Frage aktuell beantworten zu können, müssten Sie Steve selbst fragen. Solche Dinge weiß er meist am besten. ;-)

Stephen King’s F 13

Frage von Peter Schneider: Ich habe von einem Computerspiel „F 13“ von Stephen King gehört. Wo ist dieses Spiel erhältlich?  

Nicole Rensmann: F 13 ist eher ein Desktopabenteuer als ein Computerspiel von Stephen King, das bei BlueByte erschienen und dort vermutlich auch noch erhältlich ist (oder bei www.amazon.de), Preis so um die DM 50,-.  Allerdings ist tatsächlich nur die Kurzgeschichte „Alles ist riesig“ (engl.: „Everything´s Eventual“) von King selbst. Empfehlenswert sind aber auch die Bildschirmschoner und Hintergrundbilder, genauso wie die Sounds. Die Spiele selber finde ich persönlich ein bisschen platt. Mit Zombies oder Kakerlaken „klatschen“ ist das Niveau der Spiele ziemlich klein gehalten und eher etwas für zwischendurch. Aber das ist sicherlich auch Geschmackssache. Für den Kingfan kann ich das Spiel aber dennoch empfehlen, alleine schon wegen der Story, die ansonsten bisher im deutschen noch nirgends zu lesen war.

Stephen Kings Einfluss ...

Frage: Sie sind inzwischen selbst Autorin und haben diverse Horror-Geschichten verfasst, u.a. „Der Alptraum“. Kann man die Wahl dieses Genre auf Kings „Einfluss“ zurückführen? Wurden diese Geschichten je veröffentlicht? 

Nicole Rensmann: Meine ersten Horrorgeschichten, die ich geschrieben habe, stehen bestimmt unter Kings Einfluss, aber nicht nur unter dessen, denn ich habe immer schon gerne „Horror“ gelesen. „Ein Alptraum“ und „Parallelen“ wurden in dem Fanmagazin „Horror-News“ veröffentlicht. „Eine Begegnung besonderer Art“ in John Sinclair, Bastei-Verlag.  Es gibt weitere Veröffentlichungen von Kurzgeschichten, die aber mehr in den Bereich der Mystik, des Thrillers und der Fantasy gehen; nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder.

Nicole Rensmann – Beruf: Autorin

Wie alles begann…

Frage: Fast jeder, der irgendwann einen mit der Note „Eins“ bewerteten Schulaufsatz geschrieben hat, träumt sicher von einer Karriere als Schriftsteller. Wann wurde bei Ihnen der Wunsch danach so stark, dass Sie Nägel mit Köpfen machten? 

Nicole Rensmann: Nun, ich habe nie eine „Eins“ für einen Schulaufsatz erhalten. Ich gehörte eher zu den Dreierkandidaten. In der zehnten Klasse teilte mir mein damaliger Deutschlehrer sogar aufbauender Weise mit, ich hätte lediglich einen Wortschatz von maximal 500 Wörtern. Ich hab auch nie davon geträumt, Karriere als Schriftstellerin zu machen, sondern so schreiben zu können, dass andere davon berührt, gefesselt, entsetzt oder/und verängstigt sind! Ende 1993 habe ich bewusst angefangen zu schreiben. Erst ein paar Artikel und Rezensionen für die „Horror-News“, das Fanmagazin des Stephen King Fanclubs (KRAG), dann die ersten Geschichten. „Ein Alptraum“ ist meine erste kurze Horrorstory, die 1996 in der Horror-News Ausgabe Nr. 8 veröffentlicht wurde. Danach folgten weitere Horrorstorys, wie „Parallelen“, abgedruckt in der Sonderausgabe der Horror-News Nr. 11 oder „Eine Begegnung besonderer Art“, zu lesen in John Sinclair, 1998, Band 549, 2. Auflage. Außerdem „Der Blarney Stone“, der 1999 den dritten Platz beim Goody Award des Bastei Verlages erreichte. Und noch ein paar weitereGruselstorys, die aber bis heute noch nirgends zu lesen sind, außer in Form von Leseproben auf meiner Homepage.  Danach habe ich mich den Kindergeschichten gewidmet, einen Krimi geschrieben, zwischendrin ein paar Gedichte verfasst, und noch mal eine Novelle eher für die Kleinen unter uns. Aber um alles aufzuzählen reicht der Platz, glaube ich, nicht. Dafür gibt’s meine Homepage, dort stehen auch weitere Informationen über Veröffentlichungen.  Es vergeht eigentlich kaum ein Tag, an dem ich nicht schreibe. Schreiben, das ist für mich wie atmen, regelmäßig und ruhig, stürmisch und erregt, stockend und nervös. Ich brauch es, in jeder Form, zum Leben.

Frage: Sicher war es von Vorteil, für die „Horror-News“ der KRAG Artikel zu verfassen und darin auch erste Kurzgeschichten zu publizieren. Zumindest  wurden Sie so in der Stephen-King- Fangemeinde bekannt. Jedoch war die Auflage des Magazins – und damit die Zielgruppe – aufeinige Hundert begrenzt. Wie setzten Sie den berühmten Fuß in die Tür, kamen an die breite Öffentlichkeit? 

Nicole Rensmann: Bei der KRAG war ich wohl eher einfach als Nicole bekannt, die das Geld eintreibt, die für Fragen da ist, die ab und zu mal ein klares Wort an die „Fangemeinde“ richtet.

Als Autorin hat mich damals, vermutlich, niemand gesehen.  Nun, ich würde auch nicht sagen, dass ich einen Fuß in der Tür habe… einen halben vielleicht.
Dafür ist der Spalt, den die größeren Verlage einem neuen deutschen Autoren öffnen, zu klein. Natürlich hoffe ich, dass sich der Türspalt nach und nach ein wenig mehr öffnet, bis ich ganz hineinpasse, nicht nur mein Fuß… Aber bis dahin ist es ein harter Weg, der danach auch nicht aufhören wird, so hoffe ich. Schließlich will ich durch die Tür hindurch und im Raum dahinter immer vorhanden sein.  An die breite Öffentlichkeit hab ich es noch nicht geschafft. Im Internet, denke ich, bin ich sicherlich allmählich bekannt. Zumindest auf den diversen Literaturseiten. Dies habe ich nur durch häufige Präsenz in Foren, auf anderen Literaturseiten und durch Gästebucheinträge geschafft, und sicherlich durch die eigene Website. In einem Monat konnte ich 500 Besucher verzeichnen. Das finde ich für den Anfang nicht schlecht.  In meiner Heimatstadt erschien vor ein paar Tagen ein Artikel in der Tageszeitung, die eine Auflagenhöhe von etwa 25.000 hat. Den Kontakt habe ich selbst hergestellt. Und so werde ich es auch weiter fortsetzen. Sich ins Gespräch bringen, ein bisschen Eigenwerbung. Dies ist zwar nicht gerade meine Sache, aber wenn ich möchte, dass einen Teil der Leser in Deutschland (und darüber hinaus?!) bei meinem Namen das Aha-Erlebnis überkommt, muss ich eben auch dafür arbeiten. Und ich mache es gerne, sofern das „Geschichten schreiben“ nicht darunter leidet.

Frage: Sie legen sich nicht auf ein Genre fest, schreiben aus dem Leben … Kann man also Ihre Werke als autobiografisch ansehen? 

Nicole Rensmann: Alle meine Geschichten und Romane enthalten etwas, das ich oder eine mir nahe stehende Person erlebt hat und erzählen von meinen Ängsten, wenn auch versteckt. Aber sehr vieles ist frei erfunden und erdacht, was bei Phantastischen Erzählungen ja auch nahe liegend ist.

Frage: Im nächsten Jahr erscheint Ihr Roman „Philipp und Melanie“. Darin geht es um sexuellen Missbrauch, Freundschaft und Mut – soweit klar. Aber gemixt mit „Fantasy-Elementen“ – was erwartet den Leser? 

Nicole Rensmann: Es geht um Melanie, die von ihrem Vater jahrelang mit Wissen ihrer Mutter missbraucht wurde. Und um Philipp, der seinen Vater durch einen Autounfall früh verlor.

Beide gehen in dieselbe Klasse und Philipp verliebt sich in die launische Melanie. Er gewinnt ihr Vertrauen relativ schnell, was ungewöhnlich ist für ein Mädchen mit solch traumatischen Erlebnissen. Aber wir wissen selbst alle, dass manchmal die Chemie so stark miteinander harmoniert, dass ein Kennen lernen nicht stattfinden muss, weil man das Gefühl hat, man würde sich schon ewig kennen. Ich denke, das ist jedem schon passiert. Mir zumindest, und nicht nur einmal,  ich bin mit diesen Menschen noch immer sehr eng vertraut.  Als ihr Vater wieder aus dem Knast entlassen wird, sucht Melanie Hilfe bei Philipp und seiner Mutter.Gemeinsam flüchten sie in eine andere Welt, die Philipp durch Zufall entdeckt hat – in das Gedankenland, in das sie durch eine einfache blaue Decke gelangen… unter gewissen Voraussetzungen. Aber Phil´s Mom wird kein Einlass gewährt. Dort erleben sie eine schöne, gedankenreiche Zeit, die sie aber auch einige Gefahren überstehen lässt. Warum Phil´s Mutter nicht mit konnte und was sie in der „Gedankenwelt“ alles erleben, ob sie jemals zurückkehren werden und ob Melanie eine eventuelle Konfrontation mit ihrem Vater übersteht, davon müssen Sie sich selbst überzeugen, indem Sie das Buch lesen.  Warum ich Fantasy mit einem solch problematisch-tragischen Thema vermixt habe, vermag ich nicht zu sagen. Es hat in meinem Kopf einfach so stattgefunden.

Traumwelten…
Nicole Rensmann und ihre Phantasien

Frage: Neben „Philipp und Melanie“ erscheint von Ihnen im nächsten Jahr auch ein Fantasy-Buch für Kinder. Die Protagonisten – die Hobbijahns – erfand Ihre damals dreijährige Tochter… Wer oder was sind die Hobbijahns? Identifizieren Sie das Mädchen Jasmin aus der Geschichte mit Ihrer Tochter? 

Nicole Rensmann: Die Hobbijahns sind kleine Wesen mit blauen Haaren und witzigen Gesichtern. Sie sind ungefähr so groß wie die Hand eines Kindes oder auch etwas kleiner. Das hängt von dem Alter des Hobbijahns ab. Ihre Füße und Hände schimmern in verschiedenen Farben, je nach Gemütsstimmung hell oder dunkel. Es ist ein kleines, friedliches Völkchen, das irgendwo in unserer Fantasiewelt neben der der Hexen, Zauberer und Geister lebt und immer dann auftaucht, wenn ein Kind auf der Erde besonders traurig ist.  In dieser Geschichte gibt es sicherlich einige Parallelen zur Wirklichkeit, nicht nur der Name der „Heldin“ Jasmin stimmt mit dem meiner Tochter überein.  Da sie die Hobbijahns erfunden hat und ich die Geschichte daraus entwickelte, sollte sie eben auch die Hauptperson spielen. Allerdings musste ich mit dem Alter ein wenig nach vorne rücken. Damals, mit drei Jahren, hätte sie in keiner Weise eines der Abenteuer auch nur im Entferntesten überstehen können. Darum beginnt die Geschichte kurz vor ihrer Einschulung.

Frage: In vielen Ihrer Werke spielt das Phantastische eine mehr oder weniger große Rolle. Egal, welches Genres Sie sich bedienen – egal, ob es eine Geschichte für Kinder oder Erwachsene ist. Welche Bedeutung messen Sie dem phantastischen Element bei? Stellt die „Flucht“ in die Phantasie eine Flucht vor dem oft grausamen und kalten Alltag dar?  Ist die Realität manchmal ohne eine Traumwelt nicht zu ertragen? 

Nicole Rensmann: In der Tat finde ich die Realität weitaus schrecklicher als den grausamsten Horrorroman. Der Roman ist eben nur eine Geschichte, das Andere passiert quasi nebenan.

Wenn ich die Zeitung aufschlage, dann lese ich mit wachsendem Entsetzen, dass mal wieder eine Mutter ihr Kind getötet hat, ein Ehemann seine Frau verbrannt, der Nachbar den anderen erstochen hat. Dann möchte ich tatsächlich manchmal laut schreiend in eine gute und freundliche Welt untertauchen. Unglücklicherweise würde es vermutlich da auf Dauer nicht anders zugehen.
Zum Anderen kann ich bei phantastischen Erzählungen abweichen: Ich muss nicht einer Tatsache auf den Grund gehen, sondern kann meine Phantasie spielen lassen, und ob diese in die eine oder in die andere Richtung geht, kann ich bestimmen. Abgesehen davon mag ich einfach Traumwelten…

Märchen, Hexen, Geister, Zauberer, Teufel – Fantasy eben.  Für nächstes Jahr plane ich allerdings ein absolut reales Buch: Die Novelle eines Flüchtlingskindes.Darin geht es um einen Jungen, der mit vier Jahren – während des 2. Weltkrieges – aus Polen alleine flüchten musste. Die Geschichte ist mehr als real, da sie auf Tatsachen beruht und ich sie aus erster Hand erzählt bekommen habe. Aber auch dann werde ich sicherlich die ein oder andere gruselige, phantastische Kurzgeschichte dazwischen schieben.

Frage: Stephen King hasst die Frage, woher er seine Ideen nehmen würde… Ich möchte sie Ihnen eine ähnliche Frage stellen: Woher nehmen Sie Ihre  Phantasien? Wie „erscheinen“ vor Ihrem geistigen Auge Dinge und Gestalten, die es so in der Realität nicht gibt? Sind sie auf einmal da – oder entstehen sie Stück für Stück? 

Nicole Rensmann: Stephen King beantwortet diese Frage häufig damit, dass er seine Ideen bei dem Kiosk um die Ecke kauft. Prinzipiell ist damit alles gesagt, denn um zu dem Kiosk um die Ecke zu gelangen, kann mir verdammt viel passieren. Ein Auto könnte mich überfahren, der Fahrer mich entführen, ich falle in einen offenen Schacht und wandere verzweifelt – vielleicht mit gebrochenem Bein zwischen Ratten und Abwässern, um den Weg nach draußen zu finden, ich schaue umdie Ecke, doch der Kiosk ist nicht mehr da… da ist gar nichts mehr. Die Welt hat einfach aufgehört sich zu drehen, es fehlt ein Stück. Ein Hund fällt mich an und beißt mir mein halbes Gesicht weg, doch ich lebe weiter, aber wie?  Während ich zum Kiosk gehe, der ja nur mal kurz um die Ecke ist, bleiben meine Kinder alleine, wenn ich wieder komme sind sie weg… entführt, verschleppt und Schlimmeres. Der Kioskbesitzer hat sich in einen Zombie verwandelt, ich treffe die Liebe meines Lebens, dabei bin ich mit ihr doch verheiratet. Ich breche mir meinen Fuß und keiner hilft mir, ich liege dort…es beginnt zu regnen, ich werde nass, der Akku meines Handys ist leer und  mir hilft immer noch keiner. Alltagssituationen, die in meiner Fantasie übertrieben eskalieren und zu dem werden, was ichschreibe. Das Leben kann der reinste, einzigartige Wahnsinn sein. Das Schreiben lässt es mich bestehen.

Die Meinung des Verlegers…

Bitte an Gerald Meyer vom G. Meyer´s Taschenbuch Verlag:  … da von Nicole Rensmann im nächsten Jahr zwei Bücher bei Ihrem Verlag erscheinen, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie ein paar Worte über die  Autorin und ihre Romane sagen könnten, welche ich für das Interview verwenden dürfte…  Antwort per eMail von Gerald Meyer:  Sehr geehrte Frau Cuno,  als mir das erste Mal das Manuskript [von „Philipp und Melanie“] vorlag, war ich wirklich irritiert – und im nächsten Moment auch schon gespannt. Kindsmissbrauch – neben dem Sterben eines der größten Tabuthemen – in eine phantastische Geschichte gepackt – na, wenn das gut geht!  Nach dem ersten Lesen allerdings war ich begeistert. Ein einfühlsames Buch voller Spannung, das sich auf die Seite der Gepeinigten schlägt und sie in eine „Fluchtwelt“ versetzt. Erstaunlich, wie dabei die Darsteller harmonieren. Das Aufrüttelnde an der Geschichte ist nicht immer direkt – wie z. B. bei Stephen King -, sondern zum Teil auch zwischen den Zeilen zu lesen. Eine leichte, verständliche Schreibe macht das Thema jedermann zugänglich, ohne zu schwer, zu überladen zu erscheinen.  Auf der anderen Seite schreibt N. R. auch gegen die vorgegebenen „Normen“ an, die man in jedem Autorenhandbuch nachschlagen kann: So auch zu lesen auch in ihrem Märchenbuch „Die Hobbijahns“, für das sie bisher vergeblich einen Verleger suchte. Nicole Rensmann ist eines jener mutigen Talente (obwohl sie sich ihres Mutes wahrscheinlich gar nicht bewusst ist), die – entsprechend gefördert – eine literarische Qualität erreichen könnten, die vor allem in Deutschland seinesgleichen sucht. Eine entsprechende Entwicklung (vielleicht sogar zum „Klassiker“ der [Sub-] Moderne) bleibt abzuwarten – wobei allein „Philipp und Melanie“ eine Kontroverse auslösen wird. Nicht nur bei den Betroffenen.  MfG  Gerald Meyer

Nicole Rensmann beantwortet Fan-Fragen:  Vorbilder

Frage von Heike Wolter: Welche namhaften Autoren haben Sie bei Ihrer schriftstellerischen Tätigkeit beeinflusst, sind Ihre Vorbilder? 

Nicole Rensmann: Stephen King was das Fesseln seiner Leser betrifft. Dean Koontz wegen seiner herausragenden Umschreibungen. Goethe, weil er in seinen Gedichten und Erzählungen so viel ausdrücken und vermitteln kann – damals, wie heute.

Die Sucht: Schreiben als Droge

Frage: In Ihrer Geschichte „Was einmal ausgesprochen wird“ [enthalten in der Anthologie „Überraschung“] ist eine Autorin so „besessen“ von ihrer Schriftstellerei, dass sie fast jede Minute dem Schreiben widmet und keine Zeit für die vielen anderen – durchaus auch angenehmen – Seiten des Lebens findet. Ist diese Geschichte als Selbstdarstellung zu verstehen? Ist es eine (Ihre) Sucht, alles sofort niederzuschreiben, wenn einem (Ihnen) eine Geschichte einfällt? 

Nicole Rensmann: Ich habe es bei einer anderen Frage schon mal gesagt… Ich brauch das Schreiben zum Leben. Und Süchtige lechzen nach ihrer Droge. Ich lechze nach  dem Schreiben. Allerdings gehe ich einen absoluten legalen Weg um meine Sucht zu befriedigen. Sicherlich hegt jeder Autor die Hoffnung, mit seinen Worten etwas zu bewirken bei den Lesern… gar die Welt zu verbessern. Nichts anderes sagt die Geschichte „Was einmal ausgesprochen wird…“ aus.

Vermutlich bin ich die Schriftstellerin in dieser Geschichte, mehr als ich es beim Schreiben gemerkt habe, denn beides trifft zu: Das verändern wollen und die Sucht!

Untypische Protagonisten

Frage: Einige Ihrer Kindergeschichten stoßen bei Verlagen oft auf Ablehnung, weil Spinnen, Fledermäuse, Mädchen mit Pferdefüßen darin vorkommen… In einem Interview sagten Sie, dass Sie durchaus über einen Teddybären schreiben könnten – nur hätte der wahrscheinlich ein Auge verloren oder nur einen Arm. Warum wählen Sie so untypische Helden für Ihre Kindergeschichten? Sollen sie Kinder lernen, nicht nur nach dem Äußeren zu urteilen? Sollen sie lernen, auch jemanden liebzugewinnen, der einen körperlichen Makel hat, der hässlich ist? 

Nicole Rensmann: Wenn ich eine Idee habe, dann entsteht diese nicht, weil ich der Menschheit irgendetwas mitteilen möchte, sondern weil ich diese Idee gut finde, weil das Thema mich persönlich beschäftigt, weil es etwas ist, was ich verarbeiten oder aufarbeiten muss. Dennoch ist Ihre Überlegung vermutlich mein unterbewusster Gedanke.

Ich zähle mich eher zu den Einzelgängern, eine Art Einsiedlerkrebs. D.h. nicht, dass ich glaube, etwas Besonderes zu sein. Nein, das empfinde ich ganz und gar nicht so, wir sind alle nur ein kleiner Teil eines Ganzen. Leider wird das heutzutage viel zu schnell vergessen und verdrängt. Es redet jeder nur noch über sich. Hilfe, Nächstenliebe, Freundschaft, Ehrlichkeit, das sind falsch verwendete Fremdwörter geworden. Äußerlichkeiten zählen heutzutage mehr als alles andere.

Ich schließe mich da gar nicht aus, dennoch verurteile ich es. All diese Dinge beschäftigen mich beinahe täglich. Vielleicht ist das der Grund, warum ich versteckt in meine Geschichten Botschaften verpacke und hoffe den ein oder anderen – und mich selbst – damit zu erreichen. In erster Linie aber schreibe ich, um den Leser zu unterhalten, ihn zum Weinen oder zum Lachen zu bringen, er soll Angst bekommen oder mit den Protagonisten mitfühlen. Wenn ich dem Leser außer Unterhaltung noch mehr  mitgeben kann, ist mein Wunsch als Autorin erfüllt – für diese eine  Geschichte.

Lieblingsbücher

Frage von Carola Thiel: Haben Sie ein Lieblingsbuch (Geschichte) unter Ihren Werken? 

Nicole Rensmann: Aufgrund der unterschiedlichen Genres ist es sehr schwer zu sagen, welche Geschichte, welcher Roman mir am meisten am Herzen liegt. Ich würde aber sagen, dass zum Einen die Kurzgeschichten für Kinder „Luzifee sucht den Weihnachtsmann“ und „Bastian, die kleine Fledermaus“ zu meinen derzeitigen Favoriten gehören.

Bei den kurzen Stories für Erwachsene gefällt mir „Der Blarney Stone“, weil es eine sehr private Geschichte ist. Und die neuste, „Heiligtum“, weil das Ende so überraschend kam… auch für mich.

Bei den Romanen ist es auf jeden Fall „Philipp und Melanie“ und „Con Anima“, der sich noch im Entwicklungsstadium befindet. Und auch „Die Hobbijahns“,  weil es mein erstes längeres Werk war und es mich eigentlich erst zu meiner „Sucht“ gebracht hat.

Zukunftsmusik…

Frage von Carola Thiel: Sind außer „Philipp und Melanie“ und „Die Hobbijahns“ weitere Veröffentlichungen geplant? 

Nicole Rensmann: Es sind ein paar Sachen bei unterschiedlichen Verlagen im Gespräch. Schau‘ mer mal, was das Jahr 2001 bringt. Mit diesem war ich auf jeden Fall sehr zufrieden.

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.