Interview mit Daniela Knor – April 2009

Für phantastisch! No. 34, die im April 2009 erschien, interviewte ich Daniela Knor.

»Ein Leben ohne Schreiben ist für mich undenkbar.«

Interview mit Daniela Knor von Nicole Rensmann

Am 30.10.1972 in Mainz geboren und aufgewachsen, begann Daniela Knor schon früh erste Geschichten – auch während des Schulunterrichts – zu schreiben. Später studierte sie zunächst Anglistik, Ethmologie und Vor- und Frühgeschichte, wechselte dann – aufgrund zahlreicher Umzüge – zu Neuerer Deutscher Literaturwissenschaft und Psychologie, die sie per Fernuni absolvierte. 

Ihr Freund und heutiger Mann brachte sie zu Rollenspielen, später stieß sie dann zu »Das schwarze Auge«. Doch die schriftstellerische Karriere musste noch ein bisschen warten, denn viele Jahre  bewirtschaftete sie zusammen mit ihrem Mann einen Obstbaubetrieb. Zudem kümmerte sie sich um zwei Pferde, mehrere Hühner und einen Hund.

Als sie nach Würzburg ziehen musste, bleiben Obstbäume und Hühner zurück. Fortan nutzte sie die freie Zeit zum Schreiben. Inspirieren ließ sie sich von J.R. R. Tolkien oder Marion Zimmer-Bradley. Auch wenn sie beim Schreiben keine Musik hört, so kommen ihr dennoch Ideen, wenn sie sich von Kate Bush, Alanis Morissette oder Irish Folk Songs verzaubern lässt.

Nach sieben Romanen zu »Das Schwarze Auge« (DSA) folgte im Herbst 2008 »Nachtreiter«, der erste Band einer Trilogie. Im Oktober 2008 erschien die von Carsten Polzin herausgegebene Weihnachtsanthologie »Das Fest der Vampire«, zu der auch Daniela Knor eine Geschichte beisteuerte.

Im April 2009 folgte der zweite Band ihrer Fantasyserie.

DSA findet auf dem Fantasymarkt nur von Rollenspielern größere Beachtung. „Normale“ Fantasyleser greifen eher nicht zu den Romanen. Wo siehst du, als DSA-Autorin den Stellenwert der DSA-Romane zu den Fantasyromanen, die unabhängig eines Rollenspiels entstehen?

Das kommt auf die Perspektive an. Aus Sicht der Rollenspieler sind Romane, die in ihrer jeweiligen Spielwelt angesiedelt sind, ein nettes Zusatzangebot, das von vielen gesammelt und gern gelesen wird. Für Verlage und Autoren ergibt sich daraus ein relativ berechenbares Marktsegment, aus dem auch erfreulich viel Feedback kommt, weil sich die Spieler mit „ihrer“ Welt (und damit auch mit den Romanen) identifizieren.

Für Nicht-Rollenspieler stellt sich die Sache natürlich anders dar. Sie stehen vor einem Roman mit dem Label „DSA“ und fragen sich, ob es sich für Nicht-Spieler überhaupt lohnt, ihn zu lesen. Die Befürchtung, mangels Hintergrundwissens der Geschichte nicht folgen zu können, hält viele von diesem Experiment ab. Das ist sehr schade, denn an einer guten Story kann man auch ohne Spezialwissen Freude haben, und unter den Rollenspiel-Romanen gibt es ebenso viele Perlen zu entdecken wie in jeder anderen Romansparte.

Für mich als Autorin ergeben sich wieder andere Aspekte. Es macht Spaß, Teil einer Gemeinschaft zu sein und innerhalb der Welt dieser Gemeinschaft eigene Geschichten zu entwickeln. Die vielen Vorgaben durch die festgelegte Spielwelt engen ein, bieten aber auch Ansätze, auf die ich selbst nicht käme. An jeder Ecke bieten sich in Aventurien Romanideen an – kleine und große, epische. Andererseits ist es aber wohl für jeden Autor auf Dauer etwas eintönig, immer innerhalb desselben Rahmens zu schreiben. Ich habe ja schon vor meiner DSA-Zeit Fantasy geschrieben, und diese eigenen Ideen kann man in einer vorgegeben Welt nur sehr bedingt „ausleben“. Darüber hinaus ist es ein logischer Schritt, auch ein Publikum jenseits der DSA-Fans erreichen zu wollen, wenn man sich nicht nur als DSA-Fan, sondern ganz allgemein als Autor betrachtet.

Zahlreiche Autoren haben »Das schwarze Auge« als Sprungbrett verwendet, neben dir u.a. auch Thomas Finn oder Hadmar von Wieser. Würdest du den schreibenden Newcomern raten, über DSA oder eine andere, ähnliche Serienwelt, in die Literaturszene einzusteigen?

Da es bei mehreren Autoren funktioniert hat, scheint es ein sinnvoller Weg zu sein. Bei den Spielwelten-Reihen werden eigentlich immer gute Autoren gesucht, die bereit sind, innerhalb der jeweiligen Welt zu schreiben. Die Chance, bei entsprechendem Talent dort einen Vertrag zu bekommen, ist sicher höher als bei den Fantasylektoraten der großen Publikumsverlage, die sich vor Angeboten kaum retten können. Als Rollenspiel-Autor bekommt man viel Feedback, das einem hilft, die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen und an sich zu arbeiten. Eine Garantie, dass man dadurch auch jenseits der Spielwelt Romane veröffentlichen wird, gibt es natürlich trotzdem nicht.

Nach sieben Romanen, die allesamt in der DSA-Welt spielten, hast du im September 2008 deinen ersten Roman in einer eigenständigen, von dir selbst erfundenen Welt bei Piper veröffentlicht: »Nachtreiter«. In diesem Monat (April 2009) erscheint der zweite Teil der Fantasy-Trilogie. Für dich ist mit deiner eigenen Fantasy-Kreation ein großer Wunsch in Erfüllung gegangen. Welches Ziel setzt du dir, nachdem du deine Trilogie beendet hast?

Cover NachtreiterMein Problem ist, dass ich ständig neue Romanideen habe, sodass ich mit dem Schreiben gar nicht nachkomme. Feste Ziele setze ich mir dabei nicht. Ich sehe mir an, welche Chancen sich ergeben, eine meiner Ideen bei einem Verlag unterzubringen, und richte mich danach. Es hat ja keinen Sinn, unbedingt die Krimi-Idee X schreiben zu wollen, wenn ein Verlag gerade Interesse an Fantasy-Idee Y hat. Deshalb kann ich hier nur verraten, dass ich neben weiteren Romanen in der Welt der »Nachtreiter« und neuen DSA-Romanen auch ganz andere Bereiche spannend finde. So plane ich z. B., bei Gelegenheit Ausflüge in das Genre Historischer Roman zu unternehmen.

Erzähl ein bisschen über »Nachtreiter« und die Folgeromane. Wann wird der dritte Teil erscheinen?

Die »Nachtreiter«-Trilogie spielt in einer klassischen Fantasy-Welt, doch die Menschen dort haben gleichsam vergessen, dass es Elben, Zwerge und noch seltsamere Wesen gibt. Die Trilogie erzählt, wie die Menschen von den Geheimnissen ihrer Vergangenheit eingeholt werden und diese anderen Völker wiederentdecken. Eine wichtige Rolle spielen dabei die nomadischen Krieger der phykadonischen Steppe und die Ritter des Königreichs Sarmyn, zwischen denen es aufgrund der unterschiedlichen Kulturen immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt. Doch die Fäden ziehen andere Mächte, denen die Hauptfiguren der Romane erst allmählich auf die Schliche kommen.

Wann der dritte Band erscheinen wird, steht noch nicht genau fest, aber ich arbeite bereits am Manuskript und werde es bis Ende September abgeschlossen haben.

Wo siehst du den Unterschied zu »Nachtreiter« und deinen DSA-Romanen, abgesehen davon, dass sie in unterschiedlichen Welten stattfinden?

Es gibt Unterschiede auf mehreren Ebenen. Zum einen das epische Ausmaß der jeweiligen Geschichte. Von der »Hjaldinger-Saga« abgesehen, habe ich in den DSA-Romanen kleine Geschichten erzählt, die historisch betrachtet eher lokale oder regionale Auswirkungen hatten. In der »Nachtreiter«-Trilogie geht es dagegen um das Schicksal mehrerer Völker, das miteinander verwoben ist. Die Ereignisse sind daher von viel größerer Tragweite.

Zum anderen unterscheiden sich die Welten nicht nur im Detail, sondern schon vom Konzept her. Während Zauberei in Aventurien institutionalisiert und anerkannt ist, und es von magisch begabten Völkern und Individuen geradezu wimmelt, ist sie in »Nachtreiter« ein seltenes Phänomen. Den Schamanismus der Phykadonier kann man kaum als Magie bezeichnen, und in Sarmyn gilt Zauberei als Aberglaube des einfachen Volks, was dort auch in den allermeisten Fällen zutrifft.

Dann gibt es natürlich noch einen Unterschied in der Erzählweise. In den DSA-Romanen kann ich davon ausgehen, dass die überwiegende Mehrheit der Leser die Spielwelt bereits kennt. Die Erläuterungen der Fachbegriffe kann ich daher gut in ein Glossar verbannen. In »Nachtreiter« gäbe es so viel nachzuschlagen, dass der Lesefluss darunter leiden würde. Deshalb muss ich meine Welt nach und nach nebenbei beschreiben und den Leser so hineinführen, dass er sie entdecken kann, als befände er sich auf einer Reise.

In einem Interview erwähnst du, dass du auch der Science Fiction viel abgewinnen kannst. Nur als Leser? Oder denkst du konkret darüber nach, auch einen Science Fiction Roman zu schreiben?

Ja, ich plane ganz konkret, demnächst auch Science Fiction zu schreiben. Vielleicht schon im nächsten Jahr. Es gibt in diesem Bereich so viele faszinierende Themen, die sich für Romane anbieten. Die Möglichkeiten der Zukunft ein wenig auszuloten, reizt mich schon seit einiger Zeit. Meine Interessen gehen dabei zwar eher in Richtung near future und Cyberpunk, aber wie Joss Whedons geniale »Firefly«-Serie gezeigt hat, gibt es selbst auf dem Feld der space opera noch Raum für neue Ansätze, die sich bestimmt auch in Romanform umsetzen lassen.

Nutzt du dein Studium auch für deine Charaktere und somit deine Romane? Baust du z.B. eine Art psychologisches Profil für deine Charaktere auf?

Die Erfahrungen und das Wissen aus meinem Studium fließen auf jeden Fall in meine Arbeit ein. Ganz wichtig sind Dinge wie strukturiertes Arbeiten und gründliche Recherche, die man im Studium lernt und als Autor sehr gut gebrauchen kann. Ein Geschichtsstudium bietet auch oder gerade für Fantasy-Autoren viel Fachwissen, das die erschaffenen Welten glaubwürdiger macht. Glaubwürdigkeit ist für mich ohnehin einer der Schlüssel zu einem guten Roman, und dabei kommt auch die Psychologie ins Spiel. Figuren wirken lebendig, wenn sie authentisch wirken. Das kann ich am besten erreichen, indem ich ihnen tatsächlich eine Art psychologisches Profil gebe. Sie müssen auf der Grundlage ihres Lebens vor der Romanhandlung stimmig agieren, Dinge erlebt haben, von denen sie geprägt wurden, und ihre eigene Sicht auf die Welt entwickelt haben, wie wir alle es mehr oder weniger unbewusst tun. Dadurch werden sie zu Persönlichkeiten, denen der Leser begegnen kann wie einer realen Person.

Wenn du in einem deiner Romane verschwinden könntest, welchen würdest du bevorzugen, und warum?

Eigentlich finde ich unsere Welt nicht so übel, dass ich in ein Buch entfliehen möchte. Aber wenn ich wählen müsste … Darf ich mir das Geschlecht aussuchen? Als Mann würde ich das Leben eines Steppenkriegers oder Ritters aus »Nachtreiter« ausprobieren. Als Frau hat man mir in diesen beiden Kulturen zu wenige Möglichkeiten. Da würde ich lieber bei den Hjaldingern aus »Glut« mein Glück versuchen.

Und in welcher Handlung deiner eigenen Werke möchtest du persönlich niemals leben müssen?

Ich könnte es wohl niemals unterm Berg bei den Zwergen aushalten. Mal abgesehen davon, dass es in »Dunkle Tiefen« schwierig wäre zu überleben, bekäme ich in einer Höhlensiedlung ohne Tageslicht und Ausblick ganz sicher Depressionen, wenn nicht Klaustrophobie.

Da du oft und gerne ins Kino gehst: Welchen Film könntest du dir immer wieder ansehen?

Hm, das gehört zu den ganz schwierigen Fragen, weil sich auch der beste Film irgendwann abnutzt. Der Streifen, den ich bisher öfter als jeden anderen gesehen habe, ist der erste »StarWars« – Film (also nach heutiger Zählung Teil 4), weil ich als Jugendliche ein großer »StarWars« – Fan war. Mittlerweile holen die »Herr der Ringe« – Filme kräftig auf, aber ich fand auch »Hero« mit Jet Li sehr stark und sehe neben Monumentalfilmen wie »Gladiator« am liebsten schräge Komödien.

Manche behaupten Fantasy mache wieder einen Abwärtstrend durch. Und deutsche Fantasy würde bald völlig ausgestorben sein. Wie siehst du die Bewegung auf dem Literaturmarkt?

Ich glaube, dass die Fantasy allgemein und damit auch die deutsche als Genre erhalten bleiben wird – neben Krimi, Thriller, Historischer Roman etc. Einen Abwärtstrend kann ich zurzeit nicht erkennen. Der Marktanteil ist in den letzten Jahren immer gewachsen, was irgendwann wohl aufhören wird. Vielleicht entsteht der Eindruck eines Abwärtstrends, weil sich die Käufer auf ein immer größeres Angebot verteilen. Mein Eindruck ist eher, dass noch nie so viele Verlage Fantasy veröffentlicht haben wie jetzt. Nach »Harry Potter« boomen in der Jugend-Fantasy nun die Vampir-Romane, und danach wird es wieder einen neuen Trend geben. Ich sehe das also sehr optimistisch.

Du hast viele Jahre mit deinem Mann zusammen einen Obstbaubetrieb bewirtschaftet. Fehlt dir diese Art der Arbeit manchmal? Würdest du – für eine Obstplantage – das Schreiben wieder aufgeben?

Was die Vorzüge des Obstbaus angeht: Der Hof war nur ein Nebenerwerbsbetrieb und für uns nie mehr als ein anspruchsvolles Hobby, ein schöner Ausgleich zur Schreibtischarbeit. Wir haben ihn aus Überzeugung biologisch bewirtschaftet, wodurch ich viel über Landwirtschaft und die Natur gelernt habe. Es macht mir viel Spaß, mich im Freien zu betätigen, aber ich bin dabei auch an meine körperlichen Grenzen gestoßen. Die Arbeit auf einem Hof muss bei Wind und Wetter erledigt werden; sie fragt nicht, ob man gerade eine Sehnenscheidenentzündung oder die Grippe hat. Schon aus diesem ganz praktischen Grund könnte ich mir nicht vorstellen, von der Landwirtschaft zu leben und für einen Hof das Schreiben aufzugeben. Manchmal vermisse ich zwar die Arbeit mit den Pflanzen und Tieren, aber das Schreiben war vorher da und wird auch in Zukunft die größere Rolle in meinem Leben spielen. Ein Leben ohne Schreiben ist für mich gar nicht denkbar.

Du hast schon während des Schulunterrichts Geschichten geschrieben. Ist das nie aufgefallen?

Meinen Sitznachbarn manchmal schon, aber den Lehrern nie. Man muss nur aussehen, als ob man fleißig Notizen zum Unterricht macht, immer wieder mal den Lehrer anschauen oder sich mal melden, dann bleibt man völlig unverdächtig.

Ein letztes Wort an die Leser?

Ich möchte mich bei allen bedanken, die bisher meine Romane gelesen haben, und ganz besonders bei jenen, die sich Zeit genommen haben, um mir ihre Meinung zu meiner Arbeit zu schreiben. Denn es ist mir wichtig, die Leser gut zu unterhalten und (hoffentlich!) die Freude an einer guten Geschichte mit ihnen zu teilen.

Vielen Dank, dass du dir für das Interview Zeit genommen hast.

Ich danke „phantastisch!“ für das Interesse an meiner Arbeit.


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  • Cover: Piper Verlag
  • Foto: Thorsten Bieder
  • Text: Nicole Rensmann / phantastisch!
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