In den 18 Jahren, in denen ich Bücher schreibe und veröffentliche, musste ich immer wieder feststellen, dass viele Leser völlig unbedarft mit dem Beruf Schriftsteller umgehen. Für viele scheint es vollkommen selbstverständlich, dass auch ein Autor eine Rente bekommt oder vom Staat abgesichert ist. Andere scheinen zu glauben, schreiben ist eh nur ein Hobby.
Die aktuelle Urheberrechts-Debatte fördert das Verständnis für den Beruf des Künstlers nicht. Viele Leser, Kunstliebhaber & Autorenfrischlinge kennen die Honorare und Arbeitsstunden der Schriftsteller & Co. nicht, sie wissen nicht, wie sehr es schadet, wenn wir das Urheberrecht an unseren Werken verlieren oder wenn ein Buch, ein Film, die Musik kostenlos oder vergünstigt irgendwo heruntergeladen wird.
Woher auch?
Schriftsteller erhalten kein monatliches, fixes Gehalt. Überstunden werden nicht bezahlt.
Lesen macht Spaß! Schreiben auch, doch das Schreiben ist harte, (vermehrt) schlecht bezahlte Arbeit. 8,50 € Mindestlohn? Davon träumen manche Künstler und (nebenbei bemerkt) viele Selbstständige auch in anderen Berufszweigen. Trotzdem lieben wir unseren Job.
Nur ein minimaler Prozentsatz von Autoren verdient ausreichend oder darüber hinaus. Und nicht jeder der wenigen Autoren kann dieses Level das gesamte Leben lang halten. Und dann?
Eine Zusammenfassung über den unkreativen Pflichtteil des Freiberuflers, für Alle, die es interessiert und Jeden, der von der Kunst leben will.
Bleib flexibel, sei selbstbewusst, aber nicht eingebildet, sei dir mehr wert und dir dennoch für nichts zu schade und denke daran – es kann jeden Tag vorbei sein.
Der Autor wird (in der Regel) am Verkauf beteiligt
Verkauft ein Autor seinen Roman für ein Printmedium an einen Verlag, erhält er nicht ein festes Honorar, wie z.B. ein Bankangestellter, der monatlich sein Gehalt bekommt. Vielmehr erhält der Autor – im Idealfall – ein einmaliges Vorschusshonorar, das anschließend mit den Verkäufen verrechnet wird. Alle Einnahmen, die über dem Vorschusshonorar liegen, werden zusätzlich prozentual an den Autor ausgezahlt. Prozentual bedeutet irgendwas zwischen ca. 4% und 15% – mehr oder weniger -, je nach Bekanntheitsgrad und möglicher Verkaufszahlen.
Ein kleines Rechenbeispiel:
Die Zahlen sind vereinfacht dargestellt.
J.K. Rowling erhält 1,- € pro verkauftes Buch.
Harry Potter hat sich (nur spekuliert) 600 Millionen Mal verkauft. Das Vorschusshonorar fiel entsprechend hoch aus. Ist dieses mit den Erstverkäufen abgerechnet, verdient die Autorin an jedem weiteren verkauften Buch und neu verkauften Rechte (Film, Hörbuch, Merchandising).Nicole Rensmann bekommt 1,- € pro verkauftes Buch. Ihr Buch verkauft sich 1.000 Mal. Falls vereinbart, erhält sie ebenfalls ein Honorar (prozentual) für weitere verkaufte Rechte.
In der Schule hieße die Frage zur Rechenaufgabe jetzt: Wie lange kann Frau Rowling von ihren Einnahmen leben, wie lange Frau Rensmann? ;-)
Einmaliges Gehalt bei Story-Verkauf oder Artikeln
Verkauft der Autor eine Story an ein Magazin, wie z.B. c’t, Kelter oder phantastisch!, dann erhält der Autor ein einmaliges Honorar. Je nach Magazin oder Zeitschrift wird das Honorar nach Anschlagszahl oder Seitenzahl berechnet, manchmal unabhängig davon. Dann gibt es ein festes Honorar pro Story oder Artikel. Doch nur wenige Magazine zahlen wirklich gut – was nicht mit Geiz, sondern mit den Verkaufszahlen zusammenhängt. Und die sinken bei vielen Print-Medien.
Ein festes Honorar bei Serien
Wer bei einer Buch- oder Heftromanserie mitschreibt, erhält meistens ein festes, einmaliges Honorar. Prozentuale Beteiligung beim Verkauf weiterer Rechte (ebook, Hörbuch, Film) gehören bei den publikumswirksamen, den großen Verlagen, häufig dazu. Kleine Verlage haben ihre eigene Regelung, bedingt durch geringere Auflagen und weniger Möglichkeiten, was Vertrieb und Werbung betrifft.
Lesungen & Signierstunden – zusätzliche Einnahmequellen
Die Arbeit eines Autors endet nicht mit dem Druck des Buches. Auch eine Lesung gehört zum Job, die jedoch nur selten vom Verlag bezahlt wird. Der Veranstalter – oder der Zuhörer – muss den Auftritt des Autors, Musikers, Künstlers honorieren.
Denn: Der Autor macht Werbung für die Lesung und somit den Veranstalter, er druckt Flyer, organisiert Musik, bereitet sich vor, produziert ein Filmchen dazu. Das kostet Zeit und Geld.
Die Argumentation, „Ja, du machst ja dann Werbung für dich selbst und kannst deine Bücher verkaufen“, ist eine Ausrede.
Bei 50 Zuhörern kaufen fünf ein Buch, von dem der Autor (siehe oben) nur einen kleinen Prozentteil erhält.
Lesungen, die aufgrund einer Einladung erfolgen, sollten nur gegen Honorar erfolgen.
Sei es dir wert.
Es gibt Ausnahmen.
Jeder muss selbst überlegen, ob er eine Stunde in einer Schule in den sozialen Brennpunkten vorliest – gratis. Und wer für eine karitative Sache liest – kostenlos – bricht sich keinen Zacken aus der Krone.
Falls du die Lesung selbst organisierst, solltest du Eintritt nehmen. Bist du noch unbekannt, kann es jedoch sein, dass keiner kommt. Das ist nun mal so, da können noch so viele sagen: Lass dich für eine Lesung bezahlen.
Theorie und Praxis unterscheiden sich – auch in der Welt eines Künstlers.
Weitere Einnahmequellen: Seminare oder Schreib-Workshops
Schulen, soziale Einrichtungen oder die VHS – sie alle arbeiten auch mit freiberuflichen Künstlern zusammen. Doch diese Stellen sind rar – und selten gut bezahlt. Das Problem ist: Läuft es mit den Verkäufen im Moment nicht super, dann wirst du dich günstiger verkaufen als du wert bist. Ich kann dir nicht sagen, ob das gut oder schlecht ist. Aber ich habe es auch schon „für wenig gemacht“ und am Ende wahnsinnig viel gewonnen.
Wenn der Künstler krank wird
Als Künstler bist du Freiberufler. Du hast mehrere Möglichkeiten, dich bei der Krankenkasse zu versichern. Beachte jedoch, wenn du auf Dauer ausschließlich als freiberuflicher Autor oder Übersetzer tätig sein willst und als dein Hauptberuf betreibst, musst du dich – aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht – bei der Künstlersozialkasse anmelden, dann ist nur Punkt 4 für dich wichtig.
Bist du zusätzlich Angestellter, betreibst du noch ein Gewerbe dazu oder eine weitere freiberufliche Tätigkeit, die nicht als künstlerische Tätigkeit gilt und mit denen du mehr verdienst, bieten sich Punkt 1 bis 3 an. Allerdings rate ich immer: Einmal mehr bei den Krankenkassen nachfragen. Das schadet nicht. Denn jeder Mensch ist individuell. :-)
- Verdienst du nicht mehr als 5.400 € netto im Jahr (kann je nach Krankenkasse variieren), kannst du dich bei deinem Partner familienversichern. Das ist die günstigste Alternative. Achtung! Nimmst du parallel noch einen Minijob an, verdienst du zu viel und musst dich selbst versichern.
- Versichere dich privat, doch bedenke: Die Kosten der Privatversicherung steigen, das Honorar kann mit einem Mal komplett ausfallen.
- Die freiwillige gesetzliche Versicherung. Der ungefähre Mindestbetrag, den du zahlen musst, liegt inkl. Pflegeversicherung und Zusatzbeitrag bei ca. 250 € im Monat. Der Beitrag variiert bei den Krankenkassen. Diese 250 € fallen auch an, wenn du z.B. nur 6.000 € im Jahr verdienst. Verdienst du mehr, steigt auch der Krankenkassenbeitrag.
- Besser und – aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht auch vom Gesetzgeber vorgeschrieben: Die Künstlersozialkasse. Auch hier ist eine private Absicherung möglich. Die KSK übernimmt einen Teil des Krankenkassenbeitrags, ähnlich wie der Arbeitgeber bei seinen Angestellten. Du musst jedoch mindestens 3.900 € netto (Gewinn) im Jahr mit deiner künstlerischen Tätigkeit verdienen, und in jedem Fall immer mehr als deine „andere“ Arbeit. Das klingt wenig, aber brechen die Aufträge erst einmal ein, bist du, nach Abzug aller Ausgaben, schnell unter dem Grenzbetrag. Nach drei solch schlechten Jahren wirft die KSK dich raus.
Ein zusätzliches Gewerbe oder ein Job als Angestellter ist nur dann erlaubt, wenn dieser deutlich weniger Zeit in Anspruch nimmt und auch einen geringen Verdienst abwirft. Ein Minijob muss darum ebenfalls genehmigt werden. Die Aufnahme ist mit vielen Formularen und Kopien verbunden.
Am besten: Nachfragen und einen Antrag stellen. Dann weißt du genau, ob du bei der KSK unterkommst. Und wenn sich Änderungen ergeben, ebenfalls nachfragen. Lieber einmal zu viel.
Wenn es nicht mehr läuft – die Arbeitslosenversicherung greift nicht
Autoren, Künstler, Musiker – jeder Freiberufler oder Selbstständige in allen Berufszweigen – erhält nur dann Arbeitslosengeld, wenn er zuvor lang genug in die freiwillige Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Das sind aktuell monatlich 87,15 €. Vorab muss er jedoch eine Anstellung gehabt und sich aus dieser Festanstellung selbstständig gemacht haben (sofern sich diese Richtlinie nicht schon wieder geändert hat. Am besten bei Bedarf nachfragen.).
Der Betrag des Arbeitslosengeldes orientiert sich nicht an den Einnahmen des Künstlers / Selbstständigen, sondern an dem möglichen Verdienst des ursprünglich erlernten Berufs.
Das Problem: Erfahrungsgemäß kennen sich weder die Steuerberater, noch die Damen und Herren bei den Ämtern mit diesem schwierigen Prozedere aus. Anstelle von Arbeitslosengeld bleibt HartzIV.
Tipp: Wer selbstständig ist oder als Freiberufler arbeitet, muss sich immer wieder neu erfinden. Aber das ist auch das Wunderbare an einem kreativen Beruf! ;-)
Rente? Wenig!
Wer selbstständig arbeitet, der muss selbst für die Rente sorgen. Das ist auf unterschiedlichen Wegen möglich:
- Wer über die Künstlersozialkasse versichert ist, zahlt automatisch Renten-/und Pflegeversicherungsbeiträge.* Allerdings wird die Rente nicht sehr hoch ausfallen, zusätzliche Vorsorge macht also Sinn.
- Regelmäßig Geld zurücklegen. Problem: Die Zinsen sind viel zu niedrig, um sinnvoll zu sparen. Und die Gefahr ist groß, diese Reserve anzuknapsen, wenn es einige Monate hintereinander knapp wird.
- Freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.
- Im Rahmen eines Rürup-Vertrags vorsorgen.
Welche Vorsorge sinnvoll ist, das möchte ich nicht näher beleuchten. Fakt ist: Geld sparen oder in einen Vertrag einzahlen ist nur dann möglich, wenn aktuell Geld verdient wird. Denn was nützt all das Zurücklegen für später, wenn die aktuellen Rechnungen nicht bezahlt werden können?
Vollzeit / Teilzeit / Nebenjob / Selbstständigkeit
Viele Autoren und Künstler arbeiten zusätzlich in Voll-/Teilzeit oder halten sich mit schlecht bezahlten Nebenjobs über Wasser. Einige üben weitere Tätigkeiten als Freiberufler oder Selbstständige aus.
Nicht wenige, die lange Zeit vom Schreiben leben konnten, müssen zurück ins abhängige Arbeitsleben. Doch 2eder gut bezahlte, noch 450 € Jobs liegen auf der Straße. Und wer keinen Job findet und keinen Partner hat, der für ihn mitsorgen kann, der muss sich Hilfe vom Staat holen. All das fördert das sensible und kreative Ego eines Künstlers nicht. Aber irgendwie geht es immer weiter.
Zum Ende
Kreativ zu sein, Romane und Geschichten zu schreiben ist für mich immer noch die geilste Sache der Welt, trotz aller Höhen und Tiefen. Ich möchte das niemals aufgeben müssen, finde es aber wichtig, zu erklären, welche Pflichten und Probleme, der Beruf Schriftsteller mit sich bringt. Denn alles schön reden – das ist nun wirklich nicht meine Aufgabe.
Hinweis: Dieser Artikel stellt keine rechtssichere oder endgültige Beratung dar, sondern beruht auf eigenen Erfahrungen aus den letzten zwanzig Jahren und Gesprächen mit anderen Autoren und Künstlern. Ausnahmen wird es geben.
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Webtipps
- Wenn nichts mehr geht… Arbeiten in der Crowd hält dich über Wasser.
- nebenjob.de – Nicht alle Nebenjobs im Internet sind seriös und reich werden ist schwierig, aber auf dieser Seite finden sich viele Jobmöglichkeiten, mit denen die Kasse etwas klimpern könnte.
- Webseite der Künstlersozialkasse
- Nebenjobs stehen u.a. auf den Webseiten der jeweiligen Einkaufszentren, bei ebay.kleinanzeigen.de, bei kalaydo.de oder bei der arbeitsagentur.de
*Danke für den Hinweis an Stefan Krüger.