Artikel: Wenn Giganten kämpfen – 2004

Es gab damals viele Diskussionen und Spekulationen in verschiedenen Foren und Medien, als es um die Übernahme der phantastischen Sparte vom Heyne Verlag an Piper ging. Heute haben sich die Wogen geglättet. Leser und Fans konnten feststellen, dass sowohl bei Piper als auch beim Heyne Verlag phantastische Titel erscheinen.

In der 16. Ausgabe des Magazins phantastisch!, die im Oktober 2004 an Abonnenten und Besteller verschickt wurde, schrieb ich einen Bericht zum Thema, interviewte Sascha Mamczak und Friedel Wahren, die als Lektoren unmittelbar beteiligt waren.

Wenn Giganten kämpfen … Heyne vs. Piper

von Nicole Rensmann

Nachdem Wolfgang Jeschke in den Ruhestand ging, Friedel Wahren den Verlag wechselte und der Verleger Rolf Heyne starb, scheint die Science Fiction & Fantasy Reihe bei Heyne auf dem Prüfstand zu sein. Verzweifelt kämpft der Nachfolger Sascha Mamczak gegen Windmühlen.Dabei interessiert es die meisten Leser nicht, bei welchem Verlag der bevorzugte Autor publiziert. Wichtig ist nur, dass die Bücher pünktlich erscheinen. Doch wenn die Veröffentlichung in Frage steht weil zwei Giganten um eine Genresparte ringen, beginnen Stimmen zunächst im Fandom und anschließend darüber hinaus zu einem lautstarken Tenor heranzuwachsen. Unzufriedene Kunden, schimpfende Fans, ratlose Leser, fragende Journalisten, verwirrte Autoren und verärgerte Mitarbeiter sind die Folge. Gerüchte werden erzählt und geschrieben, mit denen die Seiten eines Buches gefüllt werden könnten.Was war geschehen?Randomhouse (Bertelsmann) kaufte im Januar 2003 vom Axel Springer Verlag die Verlagsgruppe Heyne Econ Ullstein List. Damit deckte Randomhouse mit über 30 % Marktanteil einen zu großen Part des deutschen Buchmarktes ab. Das Kartellamt schritt ein und mahnte. Um dem Problem Abhilfe zu schaffen, wurde Econ Ullstein List im Oktober 2003 an den in Stockholm ansässigen Medienkonzern Bonnier verkauft. Bertelsmann behielt aus der übernommenen Gruppe lediglich Heyne, musste aber die Bereiche Fantasy und Esoterik ebenfalls an Bonnier abgeben.

1994 hatte die Bonniergruppe bereits den Piper Verlag aufgekauft. Weitere Verlage des Konzerns sind Carlsen und arsEdition, Thienemann und der Gabriel Verlag. Mit der Übernahme der Heyne Fantasy & Esoterik sowie den Bereichen von Econ Ullstein List ergänzt Bonnier sein Medienangebot und wächst – neben Bertelsmann und Holtzbrinck – zum drittgrößten Verlagshaus in Deutschland.
Im Juni dieses Jahres berichtete das Börsenblatt, die deutsche Bonnier Holding habe sich beim Bundeskartellamt über Randomhouse beschwert. Bonnier wirft Randomhouse vor, erfolgreiche Titel aus den zugesprochenen Reihen Heyne Fantasy und Heyne Esoterik in der hauseigenen Allgemeinen Reihe des Heyne Taschenbuchs platziert zu haben.

Wie geht es mit der Fantasy weiter?

Laut dem Piper Verlag werden die bereits bei Heyne publizierten Titel in neuer Aufmachung erscheinen und an die Fantasy-Reihe des Verlages angeglichen.

Die deutschen Autoren, wie Monika Felten und das Team Magus Magellan von der »Gezeitenwelt«, erhalten nun vielfache Unterstützung, darunter u.a. durch die Trilogie »Das Zeitalter der Wandlung« von Markolf Hoffmann. Neu erscheint dort »Der Krieg der Zwerge«, die Fortsetzung von Markus Heitz »Die Zwerge«. Außerdem publiziert der Piper Verlag weiterhin »Rhiana, die Amazone«.

Doch auch die fremdländischen Autoren finden ihren Platz bei Piper, so dürfen sich die Leser zukünftig weiterhin auf Stan Nicholls` »Orks« freuen, die Serie mit »Rhapsody« von Elizabeth Haydon, die Scheibenwelt-Zyklen von Terry Pratchett, »Das Rad der Zeit« von Robert Jordan, Ursula K. Le Guins »Erdsee« und schließlich »Warhammer – die Abenteuer von Gotrek und Felix« von William King.
Der Recluce-Zyklus von L.E. Modesitt wird dagegen jedoch nicht fortgesetzt.
Was meint Friedel Wahren zu der Übernahme? Und wie fühlt sich Sascha Mamczak, nachdem ihm ein Teil seines Programms entzogen wurde?

SASCHA MAMCZAK

Der 1970 geborene Sascha Mamczak studierte Politik, Volkswirtschaftslehre und Jura in München an der Ludwig Maximilian Universität und an der University of Edingburgh.

Schon als er noch zum Gymnasium ging, arbeitete er für das SF-Magazin »science fiction media« und den Verlag Thomas Tilsner. 1998 holten Friedel Wahren und Wolfgang Jeschke ihn ins Heyne-Lektorat. Dort war er zunächst verantwortlich für die Reihe »Science Fiction & Fantasy«, die er ab 2002 herausgab. Nachdem sowohl Friedel Wahren, als auch Wolfgang Jeschke den Verlag – aus unterschiedlichen Gründen – verließen, stand er als Nachfolger oft kritischen Stimmen gegenüber. Dann folgte der Verkauf seines Programms an Bonnier/Piper.

Wie fühlen Sie sich als betreuender Lektor der Fantasy-Reihe, nun da die Abteilung an Bonnier verkauft wurde?

Wie soll man sich nach einer Zwangsamputation schon fühlen? Mies! Natürlich muss man mit so etwas professionell umgehen, sonst dürfte man nicht in einem großen Verlag arbeiten. Andererseits ist es nun mal so, dass hier nicht nur buchhalterische Werte veräußert wurden, sondern auch die Kreativität, die meine Kollegin Martina Vogl und ich in den letzten Jahren eingebracht haben. Richtige Lektorenarbeit ist eben etwas mehr, als nur irgendein Buch auf den Markt zu werfen und dann zu hoffen, dass sich das Ding verkauft – und was vor diesem Hintergrund geleistet wurde, konnte sich wirklich sehen lassen: Innerhalb kürzester Zeit haben wir der Reihe, die praktisch vor der Einstellung stand, wieder das notwendige Standing hier im Haus verschafft. So haben wir etwa mit Stan Nicholls’ »Die Orks« einen reinen Genre-Titel bereits im Erscheinungsmonat auf die Bestsellerliste gebracht. Ich kann mich nicht erinnern, dass Vergleichbares bei Heyne in den letzten zwanzig Jahren vorgekommen ist. Mit diesen Erfolgen schmücken sich nun andere.

Hatten Sie als Lektor Einfluss auf die Verkaufsentscheidung?

Nein. Zu keinem Zeitpunkt.

Wie war der Kontakt zu den Autoren? Kamen seitens Ihrer Schützlinge viele Fragen zum Thema?

Sicher gab es Fragen und Sorgen insbesondere von Seiten der deutschen Autoren. Allerdings hatten wir nicht viel in der Hand, worüber wir mit ihnen verhandeln konnten. Theoretisch kann zwar jeder Autor selbst entscheiden, wo er publiziert werden will, aber so eine Abspaltung einer ganzen Reihe erzeugt natürlich eine Dynamik, der man sich nur schwer – das heißt nur mit viel juristischem Aufwand – widersetzen kann.

Welche Bereiche werden Sie nun betreuen? Was wird den Leser zukünftig erwarten?

Selbstverständlich bleibt Heyne weiterhin einer der führenden Verlage im Fantasy-Bereich, auch wenn es jetzt schmerzhafte Einschnitte gibt. Das heißt konkret, dass wir ab Oktober innerhalb der Allgemeinen Reihe neu anfangen, mit internationalen Spitzenautoren wie auch neuen deutschen Autoren. Die Resonanz auf diese Strategie ist übrigens schon jetzt so positiv, dass wir möglicherweise bald mehr Fantasy-Bücher veröffentlichen werden als vor der Abspaltung – ein Effekt, den die Gegenseite vermutlich nicht beabsichtigt hatte. Aber das ist deren Problem. Was mich betrifft, so betreue ich auch in Zukunft hier alles »Phantastische«.

Das Science Fiction Jahrbuch des Heyne Verlages ist ein aus dem Fandom nicht mehr wegzudenkendes und jährlich neu auferstehendes Relikt. Fans bangen nach der Umstrukturierung um den SF-Begleitführer. Wie sieht die Zukunft für das SF-Jahrbuch aus?

Wie oft wurde das SF-JAHR inzwischen eigentlich schon totgesagt? Öfter vermutlich, als es Leser hat. Natürlich: Wenn man sich die Kalkulation ansieht, ist die Sorge, von der Sie sprechen, nicht unberechtigt. Umso größer die Freude, wenn es dann doch erscheint – nicht zuletzt bei mir.

In unregelmäßigen Abständen – zuletzt 1999 – erschien im Heyne Verlag »Heyne Science Fiction & Fantasy – Das Programm«, eine ausführliche Bibliographie für Fans und Sammler. Könnten Sie sich vorstellen, solch ein Projekt erneut aufleben zu lassen, auch in Anbetracht der Tatsache, dass es „nur“ die Hardcore-Fans, Journalisten und Bibliophilen erreichen und somit vermutlich nicht unbedingt Gewinn erzielen würde?

Nicht unbedingt Gewinn erzielen würde? Sie meinen wohl: Unter keinen in diesem Universum vorstellbaren Bedingungen Gewinn erzielen würde … Aber das ist gar nicht das Thema. Ich glaube einfach, dass die Zeit über derartige gedruckte Nachschlagewerke hinweggegangen ist. So etwas produziert man inzwischen auf CD-ROM, in Form einer Datenbank. Und wer weiß, vielleicht bieten sich da bei Random House ja irgendwann einmal Möglichkeiten.

Welche Ziele setzen Sie sich und Ihrer Arbeit?

Gute Bücher machen. Und die dann zu ihren Lesern bringen. Klappt natürlich nicht immer – aber immer öfter.

FRIEDEL WAHREN

Von 1976 bis 2001 arbeitete Friedel Wahren – zusammen mit Wolfgang Jeschke und später mit Sascha Mamzcak – im Lektorat des Heyne Verlags. Sie betreute die Fantasy-Reihe, bis sie den Verlag verließ und zu Piper wechselte.

Sie haben 25 Jahre bei Heyne gearbeitet und sind dann nach Piper gewechselt. Darf ich nach dem Grund fragen?

Fast 26 Jahre lang habe ich zusammen mit Wolfgang Jeschke bei Heyne die Reihe »Heyne Science Fiction & Fantasy« gemacht und hatte großen Spaß daran, vor allem an der Zusammenarbeit mit Wolfgang Jeschke, von dem ich so gut wie alles lernte, was mit dem Genre zu tun hatte, und der mir eines Tages die Fantasy aufs Auge drückte und sagte: »Ich kümmere mich weiter um die Science Fiction, und du machst in Zukunft die Fantasy – als Herausgeberin.« Und so arbeiteten wir friedlich zusammen und veröffentlichten Hunderte der berühmten Taschenbücher mit dem schwarzen Rücken. Ich wäre also nie auf den Gedanken gekommen, mich nach einem anderen Job umzuschauen, wenn mich nicht Viktor Niemann, der damalige Verleger des Piper Verlags, im Juli 2001 angerufen und zu einem Gespräch eingeladen hätte. Er hatte – für den Bonnier-Konzern – gerade den Thienemann Verlag gekauft, und zu dem gehörte der kleine, aber feine Weitbrecht Verlag, der 1981 gegründet worden war, um der Erwachsenenliteratur von Michael Ende eine Heimat zu geben, und sich stets besonders intensiv der phantastischen Literatur angenommen hatte. Niemann fragte mich, was ich von einer Fantasy-Reihe bei Piper hielte, und als ich die Idee gut fand, bot er mir die Stellung als Lektorin dieser Reihe an. Ich brauchte zwei Monate, um mich zu entscheiden, aber dann wagte ich den Sprung und verließ Ende 2001 den Heyne Verlag nach über einem Vierteljahrhundert – zusammen mit Wolfgang Jeschke, der in den Ruhestand ging. Ich habe diesen Schritt übrigens nie bereut – auch wenn ich nicht ahnen konnte, dass die Heyne Fantasy mich eines Tages bei Piper einholen und wieder zu mir zurückkehren sollte.

Auch als Herausgeberin diverser Anthologien sind Sie in der Vergangenheit bekannt geworden. Wird der Piper Verlag demnächst eine Anthologie publizieren, für die Sie die Texte zusammenstellen?

Im Frühjahr 2005 erscheint »Lord John und der magische Pakt«, eine von Altmeister Robert Silverberg herausgegebene hochkarätige Sammlung mit Kurzromanen und Novellen von Diana Gabaldon (die Titelgeschichte), George R.R. Martin, Orson Scott Card, Robin Hobb und Robert Silverberg. Über weitere Anthologien denken wir bei Piper nach und hätten auch genügend Material, um den einen oder anderen opulenten Band herauszubringen. Doch erst einmal soll die Marke Piper für so bekannte Romanzyklen wie »Die Gezeitenwelt« (Magus Magellan) und »Und unter dem Weltenbaum« (Sara Douglass) stehen, sowie für große Namen wie Wolfgang Hohlbein und Hans Bemmann, die ja auch eher für vielhundertseitige Epen stehen als für zehnseitige Storys. Fantasy ist nun einmal das Genre der Trilogien, Tetralogien, Mehrteiler und Sagas. Anthologien indessen sind etwas für Liebhaber der kleinen Form; die Nachfrage nach Anthologien ist also immer geringer als die nach dem neuesten Zehnbänder. In ein, zwei Jahren allerdings hätte ich große Lust, eine schöne Sammlung bisher unveröffentlichter deutscher und internationaler Fantasystorys herauszugeben. Einen Titel und viel Material hätte ich schon – doch mehr sei noch nicht verraten.

Nachdem der Heyne Verlag die Fantasy Sparte geschlossen hat, ging ein Teil nach Piper. Auf was dürfen sich Leser, die bereits um die Serien bangen, freuen?

Entwarnung für alle Fans! Die wichtigsten Serien und Zyklen werden auch nach der Übernahme der Heyne-Fantasy durch den Piper Verlag fortgesetzt – mit Ausnahme der Romanserie »Das Schwarze Auge«, die bei Heyne schon am Auslaufen war und in Zukunft zur Gänze bei Fantasy Productions erscheinen wird, wo ja auch alle Regelwerke von DSA publiziert werden. Im Piper-Programm findet allerdings die Subreihe »Rhiana die Amazone« ihren Platz – zunächst mit zwei Romanen: »Das Geheimnis des Königs« von Daniela Knor (November 04) und »Verschwörung in Havena« von Hans Joachim Alpers (März 05). »Das Rad der Zeit« kommt zu Piper, und sobald Mr. Jordan die letzte Zeile eines neuen Romans geschrieben hat, werden wir ihm das Manuskript entreißen, es übersetzen lassen und allen Fans und Kennern als Originaltaschenbuch präsentieren. Den zahllosen Pratchett-Fans sei versichert: Die bisher bei Heyne erschienenen Romane von der bizarren Scheibenwelt werden ohne Ausnahme von Piper weitergeführt. Markus Heitz hat nicht nur die Fortsetzung zu seinen »Zwergen« abgeliefert (»Der Krieg der Zwerge« erscheint im Oktober 04), sondern er schreibt auch zwei weitere Romane zu »Ulldart – die Dunkle Zeit«. Elizabeth Haydons »Rhapsody«-Trilogie kommt ins Piper-Programm, und natürlich wird es auch neue Zyklen geben. So »Im Zeichen des Mammuts« aus der Feder des jungen deutschen Erfolgsautors Tobias O. Meißner oder »Gewiefte Wiesel«, eine humorvolle Trilogie von Garry Kilworth.

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(c) Nicole Rensmann / phantastisch!

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