Warum ich nie Titanic gucken wollte …

Jahrelange habe ich mich geweigert. Ich wollte Titanic nicht im Kino sehen, auch nicht auf Video oder DVD und schon gar nicht als von Werbung unterbrochenen Film im Fernsehen.
Mir gefiel die Musik in den Vorschauen nicht und es missfiel mir einen Film zu sehen, bei dem ich nicht nur das Ende vorab weiß, sondern auch ahnte, dass es sich um einen „Rotz-und-Wasser-Schmachtepos“ handelt.

Nachdem ich vorgestern »Fluch der Karibik« wiederholt geschaut hatte, bekam ich Lust  mehr Filme zu sehen. Das Einzige was noch ungesehen im Schrank stand war Titanic. Und da stand der Film seit über vier Jahren (oder wann wurde der Euro eingeführt?).
Nun ist es vorbei mit dem Running Gag:
»Sollen wir einen Film gucken?«
»Ja, was haben wir denn?«
»Titanic.« *grins*
»Äh, bloß nicht.«
Gestern also schoben wir die uralte Kassette von Titanic in den Recorder, aus dem Fernsehen aufgenommen mit Werbung zu DM-Zeiten.
Beeindruckend die Bilder aus dem Wrack – ich vermute, es handelt sich um Originalaufnahmen. Genial die Kulisse, zumindest für einen Antiquitäten-Liebhaber wie mich. Ich habe selten ein paar so erotische Szenen in einem Film gesehen wie in Titanic und damit meine ich keinesfalls den Augenblick im Auto, bevor oder auch nachdem die Fenster beschlagen, sondern schon früher: Natürlich die bekannteste Szene aus dem Film, wenn Rose und Jack mit ausgebreiteten Armen auf der Reling stehen. Und es ist nicht diese Pose allein, die Freiheit und Vertrauen ausdrückt, sondern das Fingerspiel der beiden. Eine unterschwellige Erotik beherrscht das Bild im doppelten Sinne, als Jack seine Rose zeichnet und die Kohlenstriche ihrer Rundungen mit dem Finger nachwischt.
Gut, es gibt Szenen bei denen ich mich fragte: »Rose, dir muss doch kalt sein«, wenn sie leicht bekleidet bei Eiseskälte auf dem Deck herumtänzelt. Aber Jacks Anwesenheit treibt ihr vermutlich die Hitze in den Körper. Auch bei der Perspektive stutzte ich ab und an; denn obwohl die Geschichte von der 101 Jahre alten Rose erzählt wurde, wusste sie Details, die sie nicht hätte wissen können, da sie nicht dabei war. Aber in Filmen stört das, was in Büchern verboten ist, nicht unbedingt.
Und da wäre noch Gänsehaut veursachend die Professionalität der Musiker, die bis zum Untergang des Schiffes spielen und das kleine weinende Mädchen in der Ecke und und und …
Kurz und gut: Ich war begeistert, es war kein Schmachtepos, aber ich habe am Ende Rotz und Wasser geheult wie bei keinem anderen Film.

Und genau das war der Grund, warum ich Titanic nie sehen wollte.

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.