Woran liegt es eigentlich, dass Schriftstellern grundsätzlich Neid unterstellt wird, wenn sie sich kritisch über andere Schriftsteller äußern – unabhängig vom Erfolg des Einzelnen?
Sowas hat sich schon Stephen King anhören müssen. Oder … um im deutschen Raum zu bleiben: Kai Meyer, als er Frank Schätzings Auftritt kritisierte; Klaus N. Frick, weil er ein paar Romane negativ rezensierte.
Oder die olle Nicole Rensmann, die ja jeden Autor, den sie interviewt in die Pfanne haut und deren Werke zu Schnipsel zerreißt.
Dann dürften ja alle, die in irgendeiner Form etwas veröffentlicht haben, keine Rezensionen mehr schreiben, nicht über ein Buch sprechen oder nur Lobpreisungen von sich geben.
Interessanterweise sind aber auch diejenigen, die Rezensionen verfassen von der schreibenden Zunft, demnach dürfen also auch Journalisten keine objektiven und unter Umständen nicht immer für das Buch sprechende Urteile fällen? Dann ist also Marcel Reich-Ranicki das Oberhaupt aller literarischen Neider?
Oder hat das mit dem Rang des Einzelnen zu tun, darf sich ein nicht so erfolgreicher Autor nur positiv über Auftritt oder Werk eines erfolgreicheren Autors äußern? Dann bedeutet das, nur Autoren auf der Bestsellerliste besitzen das Recht, Kritik zu üben, weil sie es schon geschafft haben?
Und alle Anderen müssen die Klappe halten?
Und wie sieht das mit den anderen Berufszweigen aus?
Jeder Anwalt, der eine Verteidigung des Kollegen anfechtet oder als ungünstig beurteiltet, ist also neidisch?
Jede Bürokraft, die sich bei ihrer Freundin über die Vorzimmerdame beschwert, ist neidisch?
Jeder Schauspieler, der die Leistung eines Kollegen nicht ausführlich honoriert, empfindet also Neid?
Und so weiter und so fort … was müssen wir eine neidische, verbitterte Gesellschaft sein.