In der 18. phantastisch!-Ausgabe (2/2005) erschienen – so wie bei allen anderen Ausgaben natürlich auch -, nicht nur zahlreiche lesenswerte Artikel und Kurzgeschichten, sondern ebenso das Interview mit Joachim Körber, das ich euch nicht vorenthalten möchte.
»Ich bin zu alt für diese Scheiße!«
Ein Interview mit Joachim Körber von Nicole Rensmann
Beinahe ausschließlich dem Buch und der Literatur scheint sich der am 04. November 1958 in Karlsruhe geborene Joachim Körber zu widmen. Mit 22 Jahren machte er sich als freier Übersetzer selbständig und übersetzte zunächst vorwiegend Science Fiction – Romane, u.a. von Norman Spinrad und Philip K. Dick, bis er schließlich für mehrere Jahre als Stammübersetzer von Stephen Kings Werken arbeitete. Mehrfach wurde er in der Rubrik Bester Übersetzer für den Kurd Laßwitz Preis nominiert. In seiner Laufbahn übersetzte er Tad Williams, Anne Rice, Neal Stephenson, Stephen King, Dan Simmons, Thomas Eidson, John Sandford, Chaz Brenchley, Peter Straub, Elizabeth Croley, Max Brooks und mehr.
Ab 1984 betreute Joachim Körber als alleinverantwortlicher Herausgeber das im Corian Verlag erscheinende »Bibliographische Lexikon der utopisch-phantastischen Literatur«, ein Loseblattwerk mit vierteljährlichen Ergänzungen.
Im selben Jahr gründete er zusammen mit Uli Kohnle und Thomas Bürk, der 1993 jedoch ausschied, den Verlag Edition Phantasia – kein herkömmlicher Verlag der Phantastik, denn in der Edition Phantasia erscheinen auf eine geringe Zahl limitierte, häufig illustrierte und vom Autor signierte Luxus-Ausgaben. Die vergriffenen Ausgaben von Stephen King und Clive Barker werden von Sammlern weltweit hoch gehandelt. Wobei zu erwähnen wäre, dass Stephen Kings »ES« 1986 eine auf 250 Exemplare limitierte Welterstauflage war und Stephen King seinerzeit nicht unbedingt glücklich darüber war, dass diese ausgerechnet in Deutschland erschien. Und so schlug er 1989 bei »Nebel« zu: er focht den Lizenzvertrag zwischen Heyne und der Edition Phantasia an, obwohl bereits 500 Exemplare gedruckt worden waren. Ca. 80-100 Stück waren jedoch längst verkauft, die restliche Auflage der unauthorisierten Ausgabe musste an den Heyne Verlag abgegeben werden. Ob diese allerdings irgendwo im Keller durch ein geheimes Fenster in einer Nacht und »Nebel«-Aktion verschachert, dem Feuer zum Opfer gefallen oder von Ratten längst als Nest zurecht geknabbert wurden, weiß niemand.
Doch zurück zu Joachim Körber, der neben seiner Übersetzertätigkeit und der Verlagsleitung bei der Edition Phantasia auch als Herausgeber bei anderen Verlagen in Erscheinung trat. So gab er zahlreiche Anthologien heraus. Darunter auch die vierbändige Reihe »Bücher des Horrors«, »Erotic Horror«, »Ratten«, »Rabenschwarze Träume«, »Abgründe«, »Horror vom Feinsten 2« etc., und Sekundäres wie »Das Stephen King Buch« (1989, Heyne).
1998 dann publizierte der Heyne Verlag Joachim Körbers Romandebüt »Wolf«. Das Werk erschien als Hardcover und später als Taschenbuch. Die ebenfalls 1998 veröffentlichte Kurzgeschichte »Der Untergang des Abendlandes«, – erschienen in SF Media 134, Tilsner Verlag und 1999 in »Schatten über Deutschland«, Blitz Verlag – wurde 1999 mit dem Deutschen Phantastik Preis als beste deutsche Kurzgeschichte des Jahres ausgezeichnet.
Seitdem scheint es in diesem Bereich ruhiger geworden zu sein.
Herr Körber, wird es wieder einen eigenen Roman aus Ihrer Feder geben? Oder gab es diesen schon längst unter Pseudonym?
Nein, unter Pseudonym gibt es ganz sicher nichts – ich halte wenig von Pseudonymen und denke, wenn man etwas nicht für wert erachtet, es unter seinem eigenen Namen zu veröffentlichen, dann sollte man es gar nicht tun. Dass es ruhig geworden ist, liegt überwiegend daran, dass mich momentan andere Dinge beschäftigen, u.a. eben die Edition Phantasia, wo wir ja letztes Jahr – unserem zwanzigsten Jubiläumsjahr – ein Paperbackprogramm gestartet haben, das momentan so gut wie alle Zeit und Energie kostet. Natürlich hoffe ich auch, dass ich wieder zum Schreiben komme – das Interesse ist da, ich habe Angebote und Anfragen verschiedener Verlage erhalten, sogar von Robert Lafont, wo die französische Ausgabe von »Wolf« erschienen und offenbar so etwas wie ein Dauerseller geworden ist. Und die Reaktionen auf das, was ich schreibe, sind ja auch überwiegend positiv ausgefallen, besonders »Wolf« hat ein paar sehr wohlmeinende Besprechungen in großen Zeitungen bekommen. Ich denke, einige Storys wird es dieses Jahr wieder geben, außerdem stelle ich gerade meine Essays, Kritiken usw. für einen Band zusammen, vielleicht kommt eine Storysammlung, aber das ist Zukunftsmusik. Mal sehen, was draus wird. Ich gehöre natürlich, dies als abschließende Bemerkung, zu den altmodischen Leuten, die denken, man sollte schreiben, wenn man auch was zu sagen hat … die Vorstellung, ich müsste, wie einige andere Kollegen, im Wochentakt fettleibige Romane heraushauen, nur um Geld zu verdienen, ist mir ein absoluter Graus.
Beobachten Sie die deutsche phantastische Szene? Unter welchem Gesichtspunkt? Wie beurteilen Sie die derzeitige Entwicklung?
Ich verfolge die Szene soweit es meine sehr knapp bemessene Zeit zulässt, natürlich schon und muss sagen, es tut sich Einiges. In den vergangenen Jahren sind einige junge Talente auf der Bildfläche erschienen, die man im Auge behalten sollte. Zu einigen habe ich auch durchaus berufliche wie freundschaftliche Kontakte: Michael Marrak, Michael Siefener, Jens Schumacher und Jens Lossau, die sich ja in letzter Zeit mehr dem Kriminalroman zugewandt haben. Ich glaube, dass von einigen dieser Autoren noch Großes zu erwarten sein wird. Aber das sind natürlich längst nicht alle. Generell herrscht für mich momentan eine enorme Aufbruchstimmung, auch sind viele junge deutsche Schriftstellerinnen und Schriftsteller dabei, die sich bewusst vom amerikanischen Vorbild abwenden und versuchen, eine eigenständige deutsche Phantastik … ja, wieder beleben müsste man fast sagen; vielleicht erlebt die phantastische Literatur ja in den kommenden Jahren eine ähnliche Blüte wie in den 1920er Jahren.
Sie haben früher zahlreiche Anthologien herausgebracht. Woran liegt es, dass der Markt für Kurzgeschichten gesättigt zu sein scheint, bzw. diese meist bei den Kleinverlagen erscheinen? Wollen die Leser keine Short-Storys bekannter Autoren lesen?
Ja, das ist eine sehr merkwürdige Sache mit den Storybänden. Alle Verlage sagen, dass sie sich nicht verkaufen, dass niemand Kurzgeschichten lesen möchte. Es wurden inzwischen ja auch, zumindest im phantastischen Bereich, fast alle Anthologienreihen eingestellt – bei Heyne u.a. auch die sehr traditionsreichen Auswahlbände aus dem Magazine of Fantasy & Science Fiction und Asimov’s SF Magazine. Es heißt ja auch, dass selbst die Storybände von arrivierten Autoren wie King oder Straub sich deutlich schlechter verkaufen als die Romane, was mir persönlich unverständlich ist, ich selbst finde Kurzgeschichten in vielen Fällen interessanter als mit Gewalt auf 800 Seiten ausgewalzte Romane. Für mich ist diese Malaise aber insgesamt doch eher Ausdruck einer generellen unguten Entwicklung in der Buchbranche: In den vergangenen Jahren haben in zunehmendem Maße „Controller“ das Sagen in Großverlagen, und die behandeln Bücher wie Konservendosen, als Produkt, das man mit möglichst wenig Kosten produziert und mit möglichst großem Gewinn veräußert. Das, worum es bei Büchern geht, nämlich was darin steht, findet immer weniger Beachtung, und darum wird auch alles gekippt, was in den Listen nicht den enormen Ertrag ausweist. In den Kleinverlagen ist es genau andersherum – da spielen Inhalte noch eine wichtige Rolle, und ich denke, da ist man ersten auch risikofreudiger und zweitens eher opferbereit, wenn man etwas unter die Leute bringen will, das einem persönlich wichtig erscheint.
Seit 2004 produziert die Edition Phantasia zusätzlich zu den limitierten, durchaus teureren, Sonderausgaben nun auch Paperbacks zu erschwinglichen Preisen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen? Was erwartet den Leser in der Zukunft, sowohl in der Paperback – Reihe, als auch bei den limitierten Ausgaben?
Wir haben uns eben gedacht, dass es nach zwanzig Jahren im Sandkasten Zeit wird, in die große Welt hinauszuziehen und ein „richtiger“ Verlag zu werden. [Lacht] Nein, im Ernst, wir verfolgen die Entwicklung auf dem Phantastikmarkt natürlich sehr genau und haben gesehen, dass alle großen Verlage die Programme mehr oder weniger teils drastisch reduziert haben, was zur Folge hat, dass viele interessante neue Bücher jüngerer Autoren aus Großbritannien und den USA gar nicht mehr erscheinen und viele Klassiker nicht mehr lieferbar sind. Hauptsächlich um das zu ändern haben wir das Paperback-Programm gestartet. Es kann doch unmöglich sein, dass arrivierte Autoren wie zum Beispiel Samuel Delany oder J. G. Ballard in Deutschland nicht mehr erscheinen, nur weil sie anspruchsvoller Schreiben und man ihnen in großen Verlagen zwischen irgendwelchen höchst überflüssigen Romanen zu Kinofilmen, Fernsehserien und Computerspielen keine Verkaufschancen mehr einräumt.
Was den Leser in Zukunft erwartet … also ich denke, mit den ersten beiden Paperback-Programmen (das zweite erscheint gerade) haben wir die Marschrichtung schon deutlich vorgegeben: Uns schwebt eine lesbare Unterhaltungsliteratur mit einem gewissen Tiefgang vor, eben das, was in den großen Verlagen gerade etwas stiefmütterlich behandelt wird. Neben bekannten Namen wollen wir auch Newcomern eine Chance geben – wie jetzt dem Amerikaner Nick Mamatas mit »Move under Ground«, ein sensationelles Buch, bei dem unverständlicherweise kein anderer zugegriffen hat.
Werden in der Edition Phantasia weiterhin nur Übersetzungen veröffentlicht oder planen Uli Kohnle und Sie möglicherweise auch deutsche Erstveröffentlichungen?
Das kommt immer auf das Buch an. Bis Ende dieses Jahres, d.h. bis zum dritten Programm, wollen wir versuchen, die Paperbacks am Markt zu etablieren, und das schafft man am besten mit Autoren, die der Buchhändler kennt und weiß, dass sie ein Verkaufspotenzial haben … Namen wie Asimov, Straub, Bradbury usw. Danach muss man einfach abwarten; wenn ich ein gutes Manuskript angeboten bekomme, kann ich mir schon vorstellen, dass man auch deutsche Autoren bringen wird, aber durchaus wohldosiert. Es ist ja auch so, dass es andere Kleinverlage gibt, die sich vorwiegend um den deutschen Nachwuchs kümmern, während wir, wie gesagt, erst einmal versuchen wollen, Interessantes aus dem Ausland zu bringen, damit der deutsche Leser nicht völlig den Anschluss an internationale Entwicklungen verliert.
Gibt es einen oder mehrere Autoren, deren Werke Sie gern in der Edition Phantasia als limitierte Ausgabe veröffentlichen möchte, bis dato aber noch nicht die Lizenzen bekamen?
Oh, da gibt es eine Menge, wobei es offen gestanden weniger ein Problem ist, die Lizenzen zu bekommen, als eine Zeitfrage. Wir haben in der Edition Phantasia zusammen nur vier Hände, da muss man manchmal leider auch Sachen, die einem am Herzen liegen, hinten anstellen. Eines meiner persönlichen großen Wunschprojekte wäre ja eine Werkausgabe von David Lindsay. Wie gesagt, an Ideen und Projekten fehlt es uns diesbezüglich nicht, aber ich finde es recht müßig, über ungelegte Eier zu spekulieren … und ich möchte ja nicht die Konkurrenz auf dumme Gedanken bringen. [grinst]
Im Rahmen der Edition Phantasia geben Sie den »Phantasia Almanach« heraus. Was kann der Leser darin finden, und wo kann er den Almanach beziehen?
Die Almanach sind kleine Broschüren, die wir uns einmal als Werbegag für unsere Privatkunden ausgedacht haben, d.h. Leute, die bei uns direkt bestellen. Kaufen oder bestellen kann man sie nicht; wir verschicken sie und unregelmäßigen Abständen an unsere Stammkunden, und die Auflagen sind so kalkuliert, dass sie dafür gerade reichen. Sie beinhalten meist kurze Beiträge über unsere Autoren oder von unseren Autoren, teils Vorabdrucke aus kommenden Projekten, aber auch teils Schriften, die vielleicht sonst keine Chance hätten, publiziert zu werden.
Einige der vergriffenen limitierten Ausgaben steigen in ihrem Wert enorm. »Nebel« wird laut diverser Listen bis zu 1.500 Euro gehandelt und »ES« bis ca. 1.000 Euro. Halten sie die Preise für die vergriffenen EP Ausgaben für realistisch?
Was soll ich dazu sagen? Ich glaube, wenn es um Sammler geht, darf man mit Begriffen wie „realistisch“ oder „rational“ nicht mehr operieren. Ich werde oft von Leuten gefragt, ob sie die und die Summe für ein Buch ausgeben sollen, und kann darauf nur pauschal antworten: Wenn es dir das wert ist. Sammlerpreise sind immer eine subjektive Sache. Ich habe auch immer wieder teils viel Geld ausgegeben, wenn ich ein Buch wirklich wollte, zum Beispiel damals 2.000 Dollar für die Super-Edel-Ausgabe des Whitney Museum von Stephen Kings »MY PRETTY PONY« (als der Dollar noch bei rund 3 DM stand!), von der nur 140 Stück in den Handel kamen. Ich kann jedenfalls immer nur staunen, wenn ich solche Preise für vergriffene Ausgaben der Edition Phantasia sehe – vollständige Sets der »Bücher des Blutes« werden ja in ähnlichen Größenordnungen gehandelt. Als wir damals angefangen haben, haben viele gesagt: Die sind ja völlig irr, so teure Bücher zu machen. Inzwischen sind Leute bereit, das Zehnfache auszugeben, nur um die Titel zu haben! Verkehrte Welt.
Vor kurzem sind bei der Ausgabe »Nebel« zwei gleich nummerierte Werke aufgetaucht. Ein Fehler? Oder könnte bei der Vernichtung der Bücher irgendetwas schief gelaufen sein?
Speziell bei »Nebel« ging ja damals alles drunter und drüber. Wir hatten 300 der 500 an den amerikanischen Verlag Underwood-Miller verkauft und geliefert, die dann auf Geheiß Kings wieder zurück mussten und direkt an Heyne geliefert wurden. Als die Sache bekannt wurde, haben wir natürlich enorm viel Nachfragen bekommen; möglicherweise haben wir ein oder zwei Exemplare aus dem zur Vernichtung bestimmten Kontingent doppelt nummeriert; ich weiß mit Sicherheit, dass einige der Heyne-Chefs sich noch einige Exemplare davon für schlechte Zeiten in den Keller gelegt hatten, vielleicht sind die jetzt ans Licht gekommen. Oder es handelt sich schlicht und einfach um einen Schreibfehler, was ja auch mal vorkommen kann. Ich muss jedoch betonen, dass das wirklich Einzelfälle und Versehen sind. Wir stellen nicht mehr als die genannten Stückzahlen her – das ist ja durch Lizenzverträge geregelt und muss den Autoren und Rechthegebern gegenüber immer offen gelegt werden.
Sie waren früher als regelmäßiger Übersetzer von Stephen Kings Werken tätig. Als King dann kurzweilig von Heyne nach Ullstein wechselte, wurde Ihnen die Übersetzung quasi entzogen. Wie haben Sie das damals empfunden? Hätten Sie King gerne wieder übersetzt, nachdem sich die Verlagssituation kurze Zeit später erneut änderte?
Ich muss gestehen, dass mich besonders in den letzten Jahren eine zunehmende Hassliebe mit Stephen King verbunden hat. Zum einen habe ich ihn gern übersetzt, andererseits fand ich die Romane mit den Jahren immer schlechter, und King selbst habe ich – bei den wenigen Anlässen, als ich mit ihm wegen Übersetzungsfragen telefoniert habe – immer als recht unangenehmen Menschen empfunden, im Gegensatz zu vielen Autoren (Barker, Straub, Ramsey Campbell u.a.), zu denen ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis hatte und habe. Ich hätte gern den Zyklus vom Dunklen Turm zu Ende übersetzt, den man m. E. in Kings Gesamtwerk zu Unrecht als nachrangig betrachtet, aber in Depressionen hat es mich nicht gestürzt, als ich ihn „los“ war. Außerdem waren die Termine der King-Übersetzungen ja immer unglaublich knapp; ich weiß nicht, wie viele Nächte ich mir um die Ohren geschlagen habe, damit die Bücher rechtzeitig wie vom deutschen Verlag eingeplant erscheinen konnten. Bei »Glas« habe ich mir sogar Hallowachtabletten verschreiben lassen, damit ich den Abgabetermin halten konnte. Und irgendwann hat man diesen Stress auch einfach satt. Wie Danny Glover in den Lethal-Weapon-Filmen immer so schön und zutreffend sagt: Ich bin zu alt für diese Scheiße!
Gibt es Autoren, die Sie besonders gern übersetzen, und wenn ja: Warum?
Es gibt viele Autoren, die ich aus den unterschiedlichsten Gründen gern übersetze, sei es, weil ich ihre Werke schätze, weil die Übersetzung gewisse Herausforderungen stellt, weil mich ein Thema besonders interessiert. Ich denke, wie jeder andere auch, habe ich „meine“ Lieblingsautoren, die ich natürlich auch lieber übersetze als etwas, wobei man denkt: Also das wäre doch auch besser unveröffentlicht geblieben.
Halten Sie Kontakt zu den Autoren, um eventuell spezielle Redewendungen oder Eigenheiten des einzelnen Autors persönlich abzuklären?
Natürlich, das ginge auch gar nicht anders, und je schwieriger und sprachlich anspruchsvoller ein Autor ist, desto dringender scheint mir das auch nötig. Gerade bei Autoren wie, um nur ein Beispiel zu nennen, Ramsey Campbell, dessen Bücher ja stark seiner Heimat Liverpool verhaftet sind und die viel Slang und regionale Eigenheiten enthalten. Oder bei Autoren wie King, der ja eine teils sehr „schnodderige“ Umgangssprache schreibt, mit zahlreichen Modernismen und aktuellen Szenespracheausdrücken, die man auch in keinem Wörterbuch findet. Allerdings ist Stephen King diesbezüglich auch wieder eher mein Negativbeispiel; er hat sich zwar immer lautstark öffentlich über seine frühen deutschen Übersetzungen beschwert, besonders die stark gekürzten von »Dead Zone« oder »Salem´s Lot«, aber als ich die Übersetzungen übernommen hatte, hat er auf die meisten meiner Anfragen nicht einmal geantwortet, sodass ich Lösungen entweder allein oder durch Anfragen bei Kollegen, etwa im Übersetzerkolleg in Straelen, finden musste. Aber im Allgemeinen sind die Autoren schon hilfsbereit und interessiert, dass ihre Bücher auch gut übersetzt werden.
Mit 22 Jahren haben Sie sich als Übersetzer selbstständig gemacht? War dies Ihr Traumberuf oder haben Sie vorher etwas völlig anderes gelernt?
Es hört sich immer ein bisschen albern an, wenn man so etwas sagt, aber im Grunde genommen wusste ich schon mit 10 Jahren, dass ich mal irgendwas mit Büchern machen wollte. Ich habe schon damals Geschichten erfunden und selbst illustriert und zusammengetackert. Soweit ich weiß haben meine Eltern das alles aufgehoben, vermutlich wird es mal irgendwann aus dem Nachlass veröffentlicht, wie Lovecrafts Juvenilia. Gott sei Dank werde ich dann schon tot sein, dass mir wenigstens diese Peinlichkeit erspart bleibt. [Lacht] Nun kann man natürlich nicht zum Arbeitsamt gehen und sagen: Ich möchte gern eine Ausbildung zum Schriftsteller oder Verleger machen, und Eltern misstrauen künstlerischen Berufen ohnehin immer und sehen sie als brotlos an. Der große Kurz Vonnegut hat ja einmal den schönen Satz geprägt, wenn man seinen Eltern wirklich was Schlimmes antun wolle, müsse man entweder Künstler oder schwul werden. Und so habe ich auch erstmal etwas »völlig anderes« gelernt. Ich habe nach einem zweijährigen Praktikum die Fachhochschule besucht und bin ausgebildeter Chemiker. Gearbeitet habe ich in dem Beruf allerdings nie.
Bleibt Ihnen bei all der Arbeit noch Zeit für ein Hobby? Treiben Sie Sport? Wie entspannen Sie sich und was lesen Sie fernab vom Übersetzungs- und Verlagsstress?
Zuerst einmal ist es ja so, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe, insofern sieht man das, was man tut, nicht immer in erster Linie als Arbeit an. Sport treibe ich wenig, davon abgesehen, dass ich jeden Tag Kilometer mit dem Hund spazieren gehen und mich bemühe, möglichst viel zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erledigen. Sport hat mich schon in der Schule praktisch nicht interessiert, weder aktiv noch passiv, und ich blamiere mich bis auf den heutigen Tag immer durch völlige Unkenntnis, wenn im Bekanntenkreis über solche Dinge wie die Bundesliga oder so geredet werden. Wenn ich mich etwas entspannen will, sehe ich mir Filme an oder gehe mit meiner Frau gut essen. Und wir unternehmen ausgiebige Reisen, zuletzt im Dezember 2004 nach Mexiko, die antiken Stätten der Mayas besuchen, was ein unglaubliches Erlebnis war. Ansonsten gehört ein bisschen Stress einfach zu meinem Lebenselixier. Nichts macht mich kribbeliger als untätig herumzusitzen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft, sowohl privat als auch beruflich?
Ich denke das, was sich vermutlich alle wünschen, dass es aufwärts geht, dass man von schlimmen Katastrophen verschont bleibt, dass ich auch die nächsten zwanzig Jahre bei guter Gesundheit schöne Bücher machen kann und einigermaßen mein Auskommen habe. Wenn man sich so in der Welt umschaut, muss man doch zugeben, dass man im Vergleich immer noch ein unglaublich privilegiertes Leben führt. Dafür bin ich dankbar und hoffe, dass es so bleibt.
Ich danke Ihnen für das Interview und wünsche Ihnen auf all Ihren beruflichen Zweigen viel Erfolg.
Vielen Dank.
Links:
www.edition-phantasia.de – Edition Phantasia, der Verlag
Text (c) Nicole Rensmann / phantastisch! / J. Körber
Foto (c) Nicole Rensmann
Entstanden 1995 in Remscheid und 1996 in Düsseldorf auf den Stammtischen der King Readers Association Germany Rechts auf dem unteren Foto sitzt Uwe Anton